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Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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waren glücklich genug gewesen, die beiden Schwarzen, die Diesen bewachten, nach einem hartnäckigen Widerstand zu überwältigen. Der Eine lag todt im Zimmer; der Andere hatte sich mit einer schweren Schußwunde bis auf den Corridor hinausgeschleppt. Die Brüder, deren einer, der Aeltere, dabei selbst, obschon nur leicht, am Schenkel verwundet worden war, banden den theuren lieben Vetter los; sie umarmten und küßten ihn und forderten ihn jauchzend, indem sie ihm Gewehr und Waffen gaben, auf, ihnen nach dem vorderen Zimmer, in welchem, da der Sieg entschieden, Herr Strömli wahrscheinlich Alles schon zum Rückzug anordne, zu folgen. Aber Vetter Gustav, halb im Bette aufgerichtet, drückte ihnen freundlich die Hand; im Uebrigen war er still und zerstreut, und statt die Pistolen, die sie ihm darreichten, zu ergreifen, hob er die Rechte und strich sich mit einem unaussprechlichen Ausdruck von Gram damit über die Stirne. Die Jünglinge, die sich bei ihm niedergesetzt hatten, fragten, was ihm fehle? und schon, da er sie mit seinem Arm umschloß und sich mit dem Kopf schweigend an die Schulter des Jüngern lehnte, wollte Adelbert sich erheben, um ihm im Wahn, daß ihn eine Ohnmacht anwandle, einen Trunk Wasser herbeizuholen: als Toni, den Knaben Seppy auf dem Arm, an der Hand Herrn Strömli's in das Zimmer trat. Gustav wechselte bei diesem Anblick die Farbe; er hielt sich, indem er aufstand, als ob er umsinken wollte, an den Leibern der Freunde fest; und ehe die Jünglinge noch wußten, was

waren glücklich genug gewesen, die beiden Schwarzen, die Diesen bewachten, nach einem hartnäckigen Widerstand zu überwältigen. Der Eine lag todt im Zimmer; der Andere hatte sich mit einer schweren Schußwunde bis auf den Corridor hinausgeschleppt. Die Brüder, deren einer, der Aeltere, dabei selbst, obschon nur leicht, am Schenkel verwundet worden war, banden den theuren lieben Vetter los; sie umarmten und küßten ihn und forderten ihn jauchzend, indem sie ihm Gewehr und Waffen gaben, auf, ihnen nach dem vorderen Zimmer, in welchem, da der Sieg entschieden, Herr Strömli wahrscheinlich Alles schon zum Rückzug anordne, zu folgen. Aber Vetter Gustav, halb im Bette aufgerichtet, drückte ihnen freundlich die Hand; im Uebrigen war er still und zerstreut, und statt die Pistolen, die sie ihm darreichten, zu ergreifen, hob er die Rechte und strich sich mit einem unaussprechlichen Ausdruck von Gram damit über die Stirne. Die Jünglinge, die sich bei ihm niedergesetzt hatten, fragten, was ihm fehle? und schon, da er sie mit seinem Arm umschloß und sich mit dem Kopf schweigend an die Schulter des Jüngern lehnte, wollte Adelbert sich erheben, um ihm im Wahn, daß ihn eine Ohnmacht anwandle, einen Trunk Wasser herbeizuholen: als Toni, den Knaben Seppy auf dem Arm, an der Hand Herrn Strömli's in das Zimmer trat. Gustav wechselte bei diesem Anblick die Farbe; er hielt sich, indem er aufstand, als ob er umsinken wollte, an den Leibern der Freunde fest; und ehe die Jünglinge noch wußten, was

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Zitationshilfe: Kleist, Heinrich von: Die Verlobung von St. Domingo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 1. München, [1871], S. [45]–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kleist_verlobung_1910/59>, abgerufen am 05.05.2024.