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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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seinem Innern nagt doch die Verwesung schon,
und wolltet ihr es aufdecken, so würdet ihr
eben die Würmer aus ihren Keimen sich ent-
wickeln sehen, die Freude und den Schmerz,
die sich schnell durchnagen daß die Leiche in
Staub zerfällt. Ach nur da er noch nicht ge-
bohren war lebte er, so wie das Glük allein
in der Hoffnung besteht, sobald es aber wirk-
lich wird, sich selbst zerstört. Jezt steht er
nur noch auf dem Paradebette, und die Blu-
men die ihr auf ihn streut sind Herbstblumen
für sein Sterbekleid. In der Ferne rüsten sich
auch schon ringsum die Leichenträger, die seine
Freuden und ihn selbst hinwegführen wollen,
und die Erde bereitet schon seine Gruft für
ihn, um ihn zu empfangen. Ueberall strecken
nur der Tod und die Verwesung gierig ihre
Arme nach ihm aus, ihn nach und nach zu
verzehren, um zulezt wenn seine Schmerzen,
seine Wonne, seine Erinnerung und sein
Staub verwehet ist, vom Morden müde auf
seiner leeren Gruft auszuruhen. Seine Asche

ſeinem Innern nagt doch die Verweſung ſchon,
und wolltet ihr es aufdecken, ſo wuͤrdet ihr
eben die Wuͤrmer aus ihren Keimen ſich ent-
wickeln ſehen, die Freude und den Schmerz,
die ſich ſchnell durchnagen daß die Leiche in
Staub zerfaͤllt. Ach nur da er noch nicht ge-
bohren war lebte er, ſo wie das Gluͤk allein
in der Hoffnung beſteht, ſobald es aber wirk-
lich wird, ſich ſelbſt zerſtoͤrt. Jezt ſteht er
nur noch auf dem Paradebette, und die Blu-
men die ihr auf ihn ſtreut ſind Herbſtblumen
fuͤr ſein Sterbekleid. In der Ferne ruͤſten ſich
auch ſchon ringsum die Leichentraͤger, die ſeine
Freuden und ihn ſelbſt hinwegfuͤhren wollen,
und die Erde bereitet ſchon ſeine Gruft fuͤr
ihn, um ihn zu empfangen. Ueberall ſtrecken
nur der Tod und die Verweſung gierig ihre
Arme nach ihm aus, ihn nach und nach zu
verzehren, um zulezt wenn ſeine Schmerzen,
ſeine Wonne, ſeine Erinnerung und ſein
Staub verwehet iſt, vom Morden muͤde auf
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[115/0117] ſeinem Innern nagt doch die Verweſung ſchon, und wolltet ihr es aufdecken, ſo wuͤrdet ihr eben die Wuͤrmer aus ihren Keimen ſich ent- wickeln ſehen, die Freude und den Schmerz, die ſich ſchnell durchnagen daß die Leiche in Staub zerfaͤllt. Ach nur da er noch nicht ge- bohren war lebte er, ſo wie das Gluͤk allein in der Hoffnung beſteht, ſobald es aber wirk- lich wird, ſich ſelbſt zerſtoͤrt. Jezt ſteht er nur noch auf dem Paradebette, und die Blu- men die ihr auf ihn ſtreut ſind Herbſtblumen fuͤr ſein Sterbekleid. In der Ferne ruͤſten ſich auch ſchon ringsum die Leichentraͤger, die ſeine Freuden und ihn ſelbſt hinwegfuͤhren wollen, und die Erde bereitet ſchon ſeine Gruft fuͤr ihn, um ihn zu empfangen. Ueberall ſtrecken nur der Tod und die Verweſung gierig ihre Arme nach ihm aus, ihn nach und nach zu verzehren, um zulezt wenn ſeine Schmerzen, ſeine Wonne, ſeine Erinnerung und ſein Staub verwehet iſt, vom Morden muͤde auf ſeiner leeren Gruft auszuruhen. Seine Aſche

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/117>, abgerufen am 24.11.2024.