Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

die Pike auf die Brust. "Geh zum Teufel!"
sagte er schnaubend, da besann ich mich und
sagte: "Verzeiht, Hochwürdiger, ich hielt
euch in einer Art Besessenheit für ihn selbst,
und sezte euch deshalb die Pike, als ein
"Gott sei bei uns!" aufs Herz. Haltet
mir's diesmal zu Gute!"

Er stürzte fort.

Ach! dort im Zimmer war die Szene lieb-
licher worden. Das schöne Weib hielt den
blassen Geliebten still in ihren Armen, wie
einen Schlummernden; in schöner Unwissen-
heit ahnte sie den Tod noch nicht, und glaubte,
daß ihn der Schlaf zum neuen Leben stärken
werde -- ein holder Glaube, der im höhern
Sinne sie nicht täuschte. Die Kinder knieten
ernst am Bette, und nur der jüngste bemü-
hete sich den Vater zu wecken, während die
Mutter, ihm schweigend mit den Augen zu-
winkend, die Hand auf sein umlocktes Haupt
legte.


die Pike auf die Bruſt. „Geh zum Teufel!“
ſagte er ſchnaubend, da beſann ich mich und
ſagte: „Verzeiht, Hochwuͤrdiger, ich hielt
euch in einer Art Beſeſſenheit fuͤr ihn ſelbſt,
und ſezte euch deshalb die Pike, als ein
„Gott ſei bei uns!“ aufs Herz. Haltet
mir’s diesmal zu Gute!“

Er ſtuͤrzte fort.

Ach! dort im Zimmer war die Szene lieb-
licher worden. Das ſchoͤne Weib hielt den
blaſſen Geliebten ſtill in ihren Armen, wie
einen Schlummernden; in ſchoͤner Unwiſſen-
heit ahnte ſie den Tod noch nicht, und glaubte,
daß ihn der Schlaf zum neuen Leben ſtaͤrken
werde — ein holder Glaube, der im hoͤhern
Sinne ſie nicht taͤuſchte. Die Kinder knieten
ernſt am Bette, und nur der juͤngſte bemuͤ-
hete ſich den Vater zu wecken, waͤhrend die
Mutter, ihm ſchweigend mit den Augen zu-
winkend, die Hand auf ſein umlocktes Haupt
legte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="10"/>
die Pike auf die Bru&#x017F;t. &#x201E;Geh zum Teufel!&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte er &#x017F;chnaubend, da be&#x017F;ann ich mich und<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Verzeiht, Hochwu&#x0364;rdiger, ich hielt<lb/>
euch in einer Art Be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;enheit fu&#x0364;r ihn &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
und &#x017F;ezte euch deshalb die Pike, als ein<lb/>
&#x201E;Gott &#x017F;ei bei uns!&#x201C; aufs Herz. Haltet<lb/>
mir&#x2019;s diesmal zu Gute!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;tu&#x0364;rzte fort.</p><lb/>
        <p>Ach! dort im Zimmer war die Szene lieb-<lb/>
licher worden. Das &#x017F;cho&#x0364;ne Weib hielt den<lb/>
bla&#x017F;&#x017F;en Geliebten &#x017F;till in ihren Armen, wie<lb/>
einen Schlummernden; in &#x017F;cho&#x0364;ner Unwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
heit ahnte &#x017F;ie den Tod noch nicht, und glaubte,<lb/>
daß ihn der Schlaf zum neuen Leben &#x017F;ta&#x0364;rken<lb/>
werde &#x2014; ein holder Glaube, der im ho&#x0364;hern<lb/>
Sinne &#x017F;ie nicht ta&#x0364;u&#x017F;chte. Die Kinder knieten<lb/>
ern&#x017F;t am Bette, und nur der ju&#x0364;ng&#x017F;te bemu&#x0364;-<lb/>
hete &#x017F;ich den Vater zu wecken, wa&#x0364;hrend die<lb/>
Mutter, ihm &#x017F;chweigend mit den Augen zu-<lb/>
winkend, die Hand auf &#x017F;ein umlocktes Haupt<lb/>
legte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0012] die Pike auf die Bruſt. „Geh zum Teufel!“ ſagte er ſchnaubend, da beſann ich mich und ſagte: „Verzeiht, Hochwuͤrdiger, ich hielt euch in einer Art Beſeſſenheit fuͤr ihn ſelbſt, und ſezte euch deshalb die Pike, als ein „Gott ſei bei uns!“ aufs Herz. Haltet mir’s diesmal zu Gute!“ Er ſtuͤrzte fort. Ach! dort im Zimmer war die Szene lieb- licher worden. Das ſchoͤne Weib hielt den blaſſen Geliebten ſtill in ihren Armen, wie einen Schlummernden; in ſchoͤner Unwiſſen- heit ahnte ſie den Tod noch nicht, und glaubte, daß ihn der Schlaf zum neuen Leben ſtaͤrken werde — ein holder Glaube, der im hoͤhern Sinne ſie nicht taͤuſchte. Die Kinder knieten ernſt am Bette, und nur der juͤngſte bemuͤ- hete ſich den Vater zu wecken, waͤhrend die Mutter, ihm ſchweigend mit den Augen zu- winkend, die Hand auf ſein umlocktes Haupt legte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/12
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/12>, abgerufen am 23.11.2024.