Fenster liegend, das weiße Nachthemd offen auf der Brust, und das schwarze Haar strup- pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin- nerte mich an ähnliche überpoetische Stunden, wo das Innere Sturm ist, der Mund im Donner reden, und die Hand statt der Feder den Blitz ergreifen möchte, um damit in feu- rigen Worten zu schreiben. Da fliegt der Geist von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer- sum zu überflügeln, und wenn er zulezt zur Sprache kommt -- so ist es kindisch Wort, und die Hand zerreißt rasch das Papier.
Ich bannte diesen poetischen Teufel in mir, der am Ende immer nur schadenfroh über meine Schwäche aufzulachen pflegte, gewöhn- lich durch das Beschwörungsmittel der Musik. Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins Horn zu stoßen, und da geht's auch vorüber.
Ueberall kann ich allen denen, die sich vor ähnlichen poetischen Ueberraschungen wie vor
Fenſter liegend, das weiße Nachthemd offen auf der Bruſt, und das ſchwarze Haar ſtrup- pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin- nerte mich an aͤhnliche uͤberpoetiſche Stunden, wo das Innere Sturm iſt, der Mund im Donner reden, und die Hand ſtatt der Feder den Blitz ergreifen moͤchte, um damit in feu- rigen Worten zu ſchreiben. Da fliegt der Geiſt von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer- ſum zu uͤberfluͤgeln, und wenn er zulezt zur Sprache kommt — ſo iſt es kindiſch Wort, und die Hand zerreißt raſch das Papier.
Ich bannte dieſen poetiſchen Teufel in mir, der am Ende immer nur ſchadenfroh uͤber meine Schwaͤche aufzulachen pflegte, gewoͤhn- lich durch das Beſchwoͤrungsmittel der Muſik. Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins Horn zu ſtoßen, und da geht’s auch voruͤber.
Ueberall kann ich allen denen, die ſich vor aͤhnlichen poetiſchen Ueberraſchungen wie vor
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0015"n="13"/>
Fenſter liegend, das weiße Nachthemd offen<lb/>
auf der Bruſt, und das ſchwarze Haar ſtrup-<lb/>
pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin-<lb/>
nerte mich an aͤhnliche uͤberpoetiſche Stunden,<lb/>
wo das Innere Sturm iſt, der Mund im<lb/>
Donner reden, und die Hand ſtatt der Feder<lb/>
den Blitz ergreifen moͤchte, um damit in feu-<lb/>
rigen Worten zu ſchreiben. Da fliegt der Geiſt<lb/>
von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer-<lb/>ſum zu uͤberfluͤgeln, und wenn er zulezt zur<lb/>
Sprache kommt —ſo iſt es kindiſch Wort,<lb/>
und die Hand zerreißt raſch das Papier.</p><lb/><p>Ich bannte dieſen poetiſchen Teufel in mir,<lb/>
der am Ende immer nur ſchadenfroh uͤber<lb/>
meine Schwaͤche aufzulachen pflegte, gewoͤhn-<lb/>
lich durch das Beſchwoͤrungsmittel der Muſik.<lb/>
Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins<lb/>
Horn zu ſtoßen, und da geht’s auch voruͤber.</p><lb/><p>Ueberall kann ich allen denen, die ſich vor<lb/>
aͤhnlichen poetiſchen Ueberraſchungen wie vor<lb/></p></div></body></text></TEI>
[13/0015]
Fenſter liegend, das weiße Nachthemd offen
auf der Bruſt, und das ſchwarze Haar ſtrup-
pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin-
nerte mich an aͤhnliche uͤberpoetiſche Stunden,
wo das Innere Sturm iſt, der Mund im
Donner reden, und die Hand ſtatt der Feder
den Blitz ergreifen moͤchte, um damit in feu-
rigen Worten zu ſchreiben. Da fliegt der Geiſt
von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer-
ſum zu uͤberfluͤgeln, und wenn er zulezt zur
Sprache kommt — ſo iſt es kindiſch Wort,
und die Hand zerreißt raſch das Papier.
Ich bannte dieſen poetiſchen Teufel in mir,
der am Ende immer nur ſchadenfroh uͤber
meine Schwaͤche aufzulachen pflegte, gewoͤhn-
lich durch das Beſchwoͤrungsmittel der Muſik.
Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins
Horn zu ſtoßen, und da geht’s auch voruͤber.
Ueberall kann ich allen denen, die ſich vor
aͤhnlichen poetiſchen Ueberraſchungen wie vor
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/15>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.