Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Fenster liegend, das weiße Nachthemd offen
auf der Brust, und das schwarze Haar strup-
pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin-
nerte mich an ähnliche überpoetische Stunden,
wo das Innere Sturm ist, der Mund im
Donner reden, und die Hand statt der Feder
den Blitz ergreifen möchte, um damit in feu-
rigen Worten zu schreiben. Da fliegt der Geist
von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer-
sum zu überflügeln, und wenn er zulezt zur
Sprache kommt -- so ist es kindisch Wort,
und die Hand zerreißt rasch das Papier.

Ich bannte diesen poetischen Teufel in mir,
der am Ende immer nur schadenfroh über
meine Schwäche aufzulachen pflegte, gewöhn-
lich durch das Beschwörungsmittel der Musik.
Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins
Horn zu stoßen, und da geht's auch vorüber.

Ueberall kann ich allen denen, die sich vor
ähnlichen poetischen Ueberraschungen wie vor

Fenſter liegend, das weiße Nachthemd offen
auf der Bruſt, und das ſchwarze Haar ſtrup-
pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin-
nerte mich an aͤhnliche uͤberpoetiſche Stunden,
wo das Innere Sturm iſt, der Mund im
Donner reden, und die Hand ſtatt der Feder
den Blitz ergreifen moͤchte, um damit in feu-
rigen Worten zu ſchreiben. Da fliegt der Geiſt
von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer-
ſum zu uͤberfluͤgeln, und wenn er zulezt zur
Sprache kommt — ſo iſt es kindiſch Wort,
und die Hand zerreißt raſch das Papier.

Ich bannte dieſen poetiſchen Teufel in mir,
der am Ende immer nur ſchadenfroh uͤber
meine Schwaͤche aufzulachen pflegte, gewoͤhn-
lich durch das Beſchwoͤrungsmittel der Muſik.
Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins
Horn zu ſtoßen, und da geht’s auch voruͤber.

Ueberall kann ich allen denen, die ſich vor
aͤhnlichen poetiſchen Ueberraſchungen wie vor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="13"/>
Fen&#x017F;ter liegend, das weiße Nachthemd offen<lb/>
auf der Bru&#x017F;t, und das &#x017F;chwarze Haar &#x017F;trup-<lb/>
pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin-<lb/>
nerte mich an a&#x0364;hnliche u&#x0364;berpoeti&#x017F;che Stunden,<lb/>
wo das Innere Sturm i&#x017F;t, der Mund im<lb/>
Donner reden, und die Hand &#x017F;tatt der Feder<lb/>
den Blitz ergreifen mo&#x0364;chte, um damit in feu-<lb/>
rigen Worten zu &#x017F;chreiben. Da fliegt der Gei&#x017F;t<lb/>
von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer-<lb/>
&#x017F;um zu u&#x0364;berflu&#x0364;geln, und wenn er zulezt zur<lb/>
Sprache kommt &#x2014; &#x017F;o i&#x017F;t es kindi&#x017F;ch Wort,<lb/>
und die Hand zerreißt ra&#x017F;ch das Papier.</p><lb/>
        <p>Ich bannte die&#x017F;en poeti&#x017F;chen Teufel in mir,<lb/>
der am Ende immer nur &#x017F;chadenfroh u&#x0364;ber<lb/>
meine Schwa&#x0364;che aufzulachen pflegte, gewo&#x0364;hn-<lb/>
lich durch das Be&#x017F;chwo&#x0364;rungsmittel der Mu&#x017F;ik.<lb/>
Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins<lb/>
Horn zu &#x017F;toßen, und da geht&#x2019;s auch voru&#x0364;ber.</p><lb/>
        <p>Ueberall kann ich allen denen, die &#x017F;ich vor<lb/>
a&#x0364;hnlichen poeti&#x017F;chen Ueberra&#x017F;chungen wie vor<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0015] Fenſter liegend, das weiße Nachthemd offen auf der Bruſt, und das ſchwarze Haar ſtrup- pig und unordentlich um den Kopf. Ich erin- nerte mich an aͤhnliche uͤberpoetiſche Stunden, wo das Innere Sturm iſt, der Mund im Donner reden, und die Hand ſtatt der Feder den Blitz ergreifen moͤchte, um damit in feu- rigen Worten zu ſchreiben. Da fliegt der Geiſt von Pole zu Pole, glaubt das ganze Univer- ſum zu uͤberfluͤgeln, und wenn er zulezt zur Sprache kommt — ſo iſt es kindiſch Wort, und die Hand zerreißt raſch das Papier. Ich bannte dieſen poetiſchen Teufel in mir, der am Ende immer nur ſchadenfroh uͤber meine Schwaͤche aufzulachen pflegte, gewoͤhn- lich durch das Beſchwoͤrungsmittel der Muſik. Jezt pflege ich nur ein paarmal gellend ins Horn zu ſtoßen, und da geht’s auch voruͤber. Ueberall kann ich allen denen, die ſich vor aͤhnlichen poetiſchen Ueberraſchungen wie vor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/15
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/15>, abgerufen am 03.12.2024.