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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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Sie sehen wohin das führt, und es ist eben
meine fixe Idee, daß ich mich selbst für ver-
nünftiger halte als die in Systemen deducirte
Vernunft, und für weiser als die docirte
Weisheit.

Ich möchte wahrlich mit Ihnen zu einer
medizinischen Berathschlagung mich verbinden,
bloß um zu überlegen, wie dieser meiner Narr-
heit beizukommen sei, und welche Mittel man
dagegen anwenden könnte. Die Sache ist von
Wichtigkeit, denn sagen Sie, wie kann man
gegen Krankheiten sich auflehnen wollen, wenn
man selbst, wie Sie wissen, mit dem Systeme
nicht im Reinen ist, ja wohl gar das für
Krankheit hält, was höhere Gesundheit ist,
und umgekehrt.

Ja, wer entscheidet es zulezt, ob wir Nar-
ren hier in dem Irrhause meisterhafter irren,
oder die Fakultisten in den Hörsälen? Ob
vielleicht nicht gar Irrthum, Wahrheit; Narr-
heit, Weisheit; Tod, Leben ist -- wie man
vernünftigerweise es dermalen gerade im Ge-

Sie ſehen wohin das fuͤhrt, und es iſt eben
meine fixe Idee, daß ich mich ſelbſt fuͤr ver-
nuͤnftiger halte als die in Syſtemen deducirte
Vernunft, und fuͤr weiſer als die docirte
Weisheit.

Ich moͤchte wahrlich mit Ihnen zu einer
mediziniſchen Berathſchlagung mich verbinden,
bloß um zu uͤberlegen, wie dieſer meiner Narr-
heit beizukommen ſei, und welche Mittel man
dagegen anwenden koͤnnte. Die Sache iſt von
Wichtigkeit, denn ſagen Sie, wie kann man
gegen Krankheiten ſich auflehnen wollen, wenn
man ſelbſt, wie Sie wiſſen, mit dem Syſteme
nicht im Reinen iſt, ja wohl gar das fuͤr
Krankheit haͤlt, was hoͤhere Geſundheit iſt,
und umgekehrt.

Ja, wer entſcheidet es zulezt, ob wir Nar-
ren hier in dem Irrhauſe meiſterhafter irren,
oder die Fakultiſten in den Hoͤrſaͤlen? Ob
vielleicht nicht gar Irrthum, Wahrheit; Narr-
heit, Weisheit; Tod, Leben iſt — wie man
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[172/0174] Sie ſehen wohin das fuͤhrt, und es iſt eben meine fixe Idee, daß ich mich ſelbſt fuͤr ver- nuͤnftiger halte als die in Syſtemen deducirte Vernunft, und fuͤr weiſer als die docirte Weisheit. Ich moͤchte wahrlich mit Ihnen zu einer mediziniſchen Berathſchlagung mich verbinden, bloß um zu uͤberlegen, wie dieſer meiner Narr- heit beizukommen ſei, und welche Mittel man dagegen anwenden koͤnnte. Die Sache iſt von Wichtigkeit, denn ſagen Sie, wie kann man gegen Krankheiten ſich auflehnen wollen, wenn man ſelbſt, wie Sie wiſſen, mit dem Syſteme nicht im Reinen iſt, ja wohl gar das fuͤr Krankheit haͤlt, was hoͤhere Geſundheit iſt, und umgekehrt. Ja, wer entſcheidet es zulezt, ob wir Nar- ren hier in dem Irrhauſe meiſterhafter irren, oder die Fakultiſten in den Hoͤrſaͤlen? Ob vielleicht nicht gar Irrthum, Wahrheit; Narr- heit, Weisheit; Tod, Leben iſt — wie man vernuͤnftigerweiſe es dermalen gerade im Ge-

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/174>, abgerufen am 21.11.2024.