Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehnte Nachtwache.


Das ist eine wunderliche Nacht; der Mond-
schein in den gothischen Bogen des Dohmes
erscheint und verschwindet wie Geister -- an
der Laterne des Thurmes klettert ein Nacht-
wandler herum, mit einem Säuglinge im Ar-
me, es ist der Klökner; sein Weib schaut aus
der Luke, händeringend, aber stumm wie das
Grab, daß der schlafende Wanderer, der sicher,
wie der sorglose Mensch, die gefährlichsten
Stellen zurücklegt, nicht beim Rufe seines Na-
mens erwachend und schwindelnd mit dem
Knaben in das tiefe Grab hinunterstürze. --

Zehnte Nachtwache.


Das iſt eine wunderliche Nacht; der Mond-
ſchein in den gothiſchen Bogen des Dohmes
erſcheint und verſchwindet wie Geiſter — an
der Laterne des Thurmes klettert ein Nacht-
wandler herum, mit einem Saͤuglinge im Ar-
me, es iſt der Kloͤkner; ſein Weib ſchaut aus
der Luke, haͤnderingend, aber ſtumm wie das
Grab, daß der ſchlafende Wanderer, der ſicher,
wie der ſorgloſe Menſch, die gefaͤhrlichſten
Stellen zuruͤcklegt, nicht beim Rufe ſeines Na-
mens erwachend und ſchwindelnd mit dem
Knaben in das tiefe Grab hinunterſtuͤrze. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0176" n="[174]"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Zehnte Nachtwache</hi>.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>as i&#x017F;t eine wunderliche Nacht; der Mond-<lb/>
&#x017F;chein in den gothi&#x017F;chen Bogen des Dohmes<lb/>
er&#x017F;cheint und ver&#x017F;chwindet wie Gei&#x017F;ter &#x2014; an<lb/>
der Laterne des Thurmes klettert ein Nacht-<lb/>
wandler herum, mit einem Sa&#x0364;uglinge im Ar-<lb/>
me, es i&#x017F;t der Klo&#x0364;kner; &#x017F;ein Weib &#x017F;chaut aus<lb/>
der Luke, ha&#x0364;nderingend, aber &#x017F;tumm wie das<lb/>
Grab, daß der &#x017F;chlafende Wanderer, der &#x017F;icher,<lb/>
wie der &#x017F;orglo&#x017F;e Men&#x017F;ch, die gefa&#x0364;hrlich&#x017F;ten<lb/>
Stellen <choice><sic>zuru&#x0364;klegt</sic><corr>zuru&#x0364;cklegt</corr></choice>, nicht beim Rufe &#x017F;eines Na-<lb/>
mens erwachend und &#x017F;chwindelnd mit dem<lb/>
Knaben in das tiefe Grab hinunter&#x017F;tu&#x0364;rze. &#x2014;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[174]/0176] Zehnte Nachtwache. Das iſt eine wunderliche Nacht; der Mond- ſchein in den gothiſchen Bogen des Dohmes erſcheint und verſchwindet wie Geiſter — an der Laterne des Thurmes klettert ein Nacht- wandler herum, mit einem Saͤuglinge im Ar- me, es iſt der Kloͤkner; ſein Weib ſchaut aus der Luke, haͤnderingend, aber ſtumm wie das Grab, daß der ſchlafende Wanderer, der ſicher, wie der ſorgloſe Menſch, die gefaͤhrlichſten Stellen zuruͤcklegt, nicht beim Rufe ſeines Na- mens erwachend und ſchwindelnd mit dem Knaben in das tiefe Grab hinunterſtuͤrze. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/176
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. [174]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/176>, abgerufen am 21.11.2024.