"Kennst du das Wesen -- sprach der Pfört- ner -- dessen Antliz tückisch lacht, wenn die vorgehaltene Larve Thränen vergießt, das Gott nennt, wenn es den Teufel denkt, das im Innern, wie der Apfel am todten Meere, giftigen Staub enthält, indeß die Schaale blü- hend roth zum Genuß einladet, das durch das künstlich gewundene Sprachrohr melodische Töne von sich giebt indem es Aufruhr hinein- ruft, das wie die Sphynx nur freundlich lä- chelt, um zu zerreissen, und wie die Schlange bloß deshalb so innig umarmt, um den tödlichen Stachel in die Brust zu drücken? -- Wer ist das Wesen, Schwarzer?
"Mensch!" krächzte das Thier auf eine unangenehme Weise.
"Der Schwarze spricht weiter kein Wort -- sagte der Pförtner -- aber er beantwortet
gezogen hatte, und mit ihm in Unterredung war.
„Kennſt du das Weſen — ſprach der Pfoͤrt- ner — deſſen Antliz tuͤckiſch lacht, wenn die vorgehaltene Larve Thraͤnen vergießt, das Gott nennt, wenn es den Teufel denkt, das im Innern, wie der Apfel am todten Meere, giftigen Staub enthaͤlt, indeß die Schaale bluͤ- hend roth zum Genuß einladet, das durch das kuͤnſtlich gewundene Sprachrohr melodiſche Toͤne von ſich giebt indem es Aufruhr hinein- ruft, das wie die Sphynx nur freundlich laͤ- chelt, um zu zerreiſſen, und wie die Schlange bloß deshalb ſo innig umarmt, um den toͤdlichen Stachel in die Bruſt zu druͤcken? — Wer iſt das Weſen, Schwarzer?
„Menſch!“ kraͤchzte das Thier auf eine unangenehme Weiſe.
„Der Schwarze ſpricht weiter kein Wort — ſagte der Pfoͤrtner — aber er beantwortet
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="183"/>
gezogen hatte, und mit ihm in Unterredung<lb/>
war.</p><lb/><p>„Kennſt du das Weſen —ſprach der Pfoͤrt-<lb/>
ner — deſſen Antliz tuͤckiſch lacht, wenn die<lb/>
vorgehaltene Larve Thraͤnen vergießt, das<lb/>
Gott nennt, wenn es den Teufel denkt, das<lb/>
im Innern, wie der Apfel am todten Meere,<lb/>
giftigen Staub enthaͤlt, indeß die Schaale bluͤ-<lb/>
hend roth zum Genuß einladet, das durch<lb/>
das kuͤnſtlich gewundene Sprachrohr melodiſche<lb/>
Toͤne von ſich giebt indem es Aufruhr hinein-<lb/>
ruft, das wie die Sphynx nur freundlich laͤ-<lb/>
chelt, um zu zerreiſſen, und wie die Schlange<lb/>
bloß deshalb ſo innig umarmt, um den toͤdlichen<lb/>
Stachel in die Bruſt zu druͤcken? — Wer iſt<lb/>
das Weſen, Schwarzer?</p><lb/><p>„Menſch!“ kraͤchzte das Thier auf eine<lb/>
unangenehme Weiſe.</p><lb/><p>„Der Schwarze ſpricht weiter kein Wort<lb/>—ſagte der Pfoͤrtner — aber er beantwortet<lb/></p></div></body></text></TEI>
[183/0185]
gezogen hatte, und mit ihm in Unterredung
war.
„Kennſt du das Weſen — ſprach der Pfoͤrt-
ner — deſſen Antliz tuͤckiſch lacht, wenn die
vorgehaltene Larve Thraͤnen vergießt, das
Gott nennt, wenn es den Teufel denkt, das
im Innern, wie der Apfel am todten Meere,
giftigen Staub enthaͤlt, indeß die Schaale bluͤ-
hend roth zum Genuß einladet, das durch
das kuͤnſtlich gewundene Sprachrohr melodiſche
Toͤne von ſich giebt indem es Aufruhr hinein-
ruft, das wie die Sphynx nur freundlich laͤ-
chelt, um zu zerreiſſen, und wie die Schlange
bloß deshalb ſo innig umarmt, um den toͤdlichen
Stachel in die Bruſt zu druͤcken? — Wer iſt
das Weſen, Schwarzer?
„Menſch!“ kraͤchzte das Thier auf eine
unangenehme Weiſe.
„Der Schwarze ſpricht weiter kein Wort
— ſagte der Pfoͤrtner — aber er beantwortet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/185>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.