vorausfliehenden Gute nachseze, oder vielmehr nachgesezt werde. Ich hielt ihn dieser Zwei- deutigkeit halber fest, und ließ ihn beichten. --
Mein Freund! -- sagte er -- Ich seze der Unsterblichkeit nach, und werde von ihr nach- gesezt! Er selbst wird es wissen, wie schwer es ist berühmt zu werden, wie noch unendlich schwerer aber zu leben; man klagt in allen Fächern über Ueberhäufung, so auch in dem Fache des berühmt und lebendig seins, dazu beschwert man sich über so manche in beiden Fächern angestellte schlechte Subjekte, daß man niemandem mehr auf sein Wort glauben will. Mir besonders hat man große Schwierigkeiten in den Weg gelegt, und ich habe es durchaus zu nichts bringen können. Sage er selbst, was soll ein Mensch der nicht schon im Mut- terleibe eine Krone auf dem Haupte trägt, oder mindestens, wenn er aus dem Eie ge- krochen, an den Aesten eines Stammbaums das Klettern lernen kann, in dieser Welt an-
vorausfliehenden Gute nachſeze, oder vielmehr nachgeſezt werde. Ich hielt ihn dieſer Zwei- deutigkeit halber feſt, und ließ ihn beichten. —
Mein Freund! — ſagte er — Ich ſeze der Unſterblichkeit nach, und werde von ihr nach- geſezt! Er ſelbſt wird es wiſſen, wie ſchwer es iſt beruͤhmt zu werden, wie noch unendlich ſchwerer aber zu leben; man klagt in allen Faͤchern uͤber Ueberhaͤufung, ſo auch in dem Fache des beruͤhmt und lebendig ſeins, dazu beſchwert man ſich uͤber ſo manche in beiden Faͤchern angeſtellte ſchlechte Subjekte, daß man niemandem mehr auf ſein Wort glauben will. Mir beſonders hat man große Schwierigkeiten in den Weg gelegt, und ich habe es durchaus zu nichts bringen koͤnnen. Sage er ſelbſt, was ſoll ein Menſch der nicht ſchon im Mut- terleibe eine Krone auf dem Haupte traͤgt, oder mindeſtens, wenn er aus dem Eie ge- krochen, an den Aeſten eines Stammbaums das Klettern lernen kann, in dieſer Welt an-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="203"/>
vorausfliehenden Gute nachſeze, oder vielmehr<lb/>
nachgeſezt werde. Ich hielt ihn dieſer Zwei-<lb/>
deutigkeit halber feſt, und ließ ihn beichten. —</p><lb/><p> Mein Freund! —ſagte er — Ich ſeze der<lb/>
Unſterblichkeit nach, und werde von ihr nach-<lb/>
geſezt! Er ſelbſt wird es wiſſen, wie ſchwer<lb/>
es iſt beruͤhmt zu werden, wie noch unendlich<lb/>ſchwerer aber zu leben; man klagt in allen<lb/>
Faͤchern uͤber Ueberhaͤufung, ſo auch in dem<lb/>
Fache des beruͤhmt und lebendig ſeins, dazu<lb/>
beſchwert man ſich uͤber ſo manche in beiden<lb/>
Faͤchern angeſtellte ſchlechte Subjekte, daß man<lb/>
niemandem mehr auf ſein Wort glauben will.<lb/>
Mir beſonders hat man große Schwierigkeiten<lb/>
in den Weg gelegt, und ich habe es durchaus<lb/>
zu nichts bringen koͤnnen. Sage er ſelbſt,<lb/>
was ſoll ein Menſch der nicht ſchon im Mut-<lb/>
terleibe eine Krone auf dem Haupte traͤgt,<lb/>
oder mindeſtens, wenn er aus dem Eie ge-<lb/>
krochen, an den Aeſten eines Stammbaums<lb/>
das Klettern lernen kann, in dieſer Welt an-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[203/0205]
vorausfliehenden Gute nachſeze, oder vielmehr
nachgeſezt werde. Ich hielt ihn dieſer Zwei-
deutigkeit halber feſt, und ließ ihn beichten. —
Mein Freund! — ſagte er — Ich ſeze der
Unſterblichkeit nach, und werde von ihr nach-
geſezt! Er ſelbſt wird es wiſſen, wie ſchwer
es iſt beruͤhmt zu werden, wie noch unendlich
ſchwerer aber zu leben; man klagt in allen
Faͤchern uͤber Ueberhaͤufung, ſo auch in dem
Fache des beruͤhmt und lebendig ſeins, dazu
beſchwert man ſich uͤber ſo manche in beiden
Faͤchern angeſtellte ſchlechte Subjekte, daß man
niemandem mehr auf ſein Wort glauben will.
Mir beſonders hat man große Schwierigkeiten
in den Weg gelegt, und ich habe es durchaus
zu nichts bringen koͤnnen. Sage er ſelbſt,
was ſoll ein Menſch der nicht ſchon im Mut-
terleibe eine Krone auf dem Haupte traͤgt,
oder mindeſtens, wenn er aus dem Eie ge-
krochen, an den Aeſten eines Stammbaums
das Klettern lernen kann, in dieſer Welt an-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/205>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.