ein Sammelplatz voll pestilenzischer Ausdün- stungen vorkam, hat sich jezt vor ihm in ein Eldorado verwandelt, in einen blühenden Gar- ten der Hesperiden; er war einst so frei und kerngesund, als er sie haßte, und ist jetzt ein Sklav und fast krank, da er sie liebt. -- Theuerste -- ich wollte daß ich Verhaßteste sagen könnte, es gäbe dann doch wenigstens nichts, was mich an diesen dummen Ball fesselte, und ich könnte ganz froh und lustig mich von ihm hinunterstürzen in das ewige Nichts -- also leider Theuerste! ich sage jetzt nicht mehr wie vormals zu dir: Geh in ein Nonnenkloster! denn ich bin toll genug zu glau- ben, wenn der Mensch liebe, so sei der Narr etwas, ob er gleich deshalb doch immer nur dem Tode rascher entgegen geht, und die- ser ihm, bis sie sich beide endlich tref- fen und fest und ewig umarmen; es sei dies nun an dem Steine wo der heilige Gustav entschlummerte, auf dem Gerüste wo die schöne Maria blutete, oder an
16
ein Sammelplatz voll peſtilenziſcher Ausduͤn- ſtungen vorkam, hat ſich jezt vor ihm in ein Eldorado verwandelt, in einen bluͤhenden Gar- ten der Hesperiden; er war einſt ſo frei und kerngeſund, als er ſie haßte, und iſt jetzt ein Sklav und faſt krank, da er ſie liebt. — Theuerſte — ich wollte daß ich Verhaßteſte ſagen koͤnnte, es gaͤbe dann doch wenigſtens nichts, was mich an dieſen dummen Ball feſſelte, und ich koͤnnte ganz froh und luſtig mich von ihm hinunterſtuͤrzen in das ewige Nichts — alſo leider Theuerſte! ich ſage jetzt nicht mehr wie vormals zu dir: Geh in ein Nonnenkloſter! denn ich bin toll genug zu glau- ben, wenn der Menſch liebe, ſo ſei der Narr etwas, ob er gleich deshalb doch immer nur dem Tode raſcher entgegen geht, und die- ſer ihm, bis ſie ſich beide endlich tref- fen und feſt und ewig umarmen; es ſei dies nun an dem Steine wo der heilige Guſtav entſchlummerte, auf dem Geruͤſte wo die ſchoͤne Maria blutete, oder an
16
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0243"n="241"/>
ein Sammelplatz voll peſtilenziſcher Ausduͤn-<lb/>ſtungen vorkam, hat ſich jezt vor ihm in ein<lb/>
Eldorado verwandelt, in einen bluͤhenden Gar-<lb/>
ten der Hesperiden; er war einſt ſo frei und<lb/>
kerngeſund, als er ſie haßte, und iſt jetzt ein<lb/>
Sklav und faſt krank, da er ſie liebt. —<lb/>
Theuerſte — ich wollte daß ich Verhaßteſte<lb/>ſagen koͤnnte, es gaͤbe dann doch wenigſtens<lb/>
nichts, was mich an dieſen dummen Ball<lb/>
feſſelte, und ich koͤnnte ganz froh und luſtig<lb/>
mich von ihm hinunterſtuͤrzen in das ewige<lb/>
Nichts — alſo leider Theuerſte! ich ſage jetzt<lb/>
nicht mehr wie vormals zu dir: Geh in ein<lb/>
Nonnenkloſter! denn ich bin toll genug zu glau-<lb/>
ben, wenn der Menſch liebe, ſo ſei der Narr<lb/>
etwas, ob er gleich deshalb doch immer nur<lb/>
dem Tode raſcher entgegen geht, und die-<lb/>ſer ihm, bis ſie ſich beide endlich tref-<lb/>
fen und feſt und ewig umarmen; es ſei<lb/>
dies nun an dem Steine wo der heilige<lb/>
Guſtav entſchlummerte, auf dem Geruͤſte<lb/>
wo die ſchoͤne Maria blutete, oder an<lb/><fwplace="bottom"type="sig"rendition="#right">16</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[241/0243]
ein Sammelplatz voll peſtilenziſcher Ausduͤn-
ſtungen vorkam, hat ſich jezt vor ihm in ein
Eldorado verwandelt, in einen bluͤhenden Gar-
ten der Hesperiden; er war einſt ſo frei und
kerngeſund, als er ſie haßte, und iſt jetzt ein
Sklav und faſt krank, da er ſie liebt. —
Theuerſte — ich wollte daß ich Verhaßteſte
ſagen koͤnnte, es gaͤbe dann doch wenigſtens
nichts, was mich an dieſen dummen Ball
feſſelte, und ich koͤnnte ganz froh und luſtig
mich von ihm hinunterſtuͤrzen in das ewige
Nichts — alſo leider Theuerſte! ich ſage jetzt
nicht mehr wie vormals zu dir: Geh in ein
Nonnenkloſter! denn ich bin toll genug zu glau-
ben, wenn der Menſch liebe, ſo ſei der Narr
etwas, ob er gleich deshalb doch immer nur
dem Tode raſcher entgegen geht, und die-
ſer ihm, bis ſie ſich beide endlich tref-
fen und feſt und ewig umarmen; es ſei
dies nun an dem Steine wo der heilige
Guſtav entſchlummerte, auf dem Geruͤſte
wo die ſchoͤne Maria blutete, oder an
16
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/243>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.