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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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gäbe keinen Ton mehr -- ich erschrack, denn
ich glaubte wirklich gerufen zu haben, aber ich
hörte mich nur in mir. Ein Bliz, ohne nach-
folgenden Donnerschlag, flog pfeilschnell, aber
still durch die Nacht, und der Tag erschien und
verschwand rasch in ihr, wie ein Geist. Ne-
ben mir auf der einen Seite rasselte ein Wahn-
sinniger schrecklich mit seinen Ketten, auf der
andern hörte ich Ophelia abgerissene Stücke
ihrer Balladen singen, doch wurden die Töne
oft Seufzer, und zulezt schien mir alles eine
große Disharmonie, zu der die rasselnden Ket-
ten die begleitende Musik abgaben. Es dünkte
mich, als entschliefe ich. Da sah ich mich
selbst mit mir allein im Nichts, nur in der
weiten Ferne verglimmte noch die letzte Erde,
wie ein auslöschender Funken -- aber es war
nur ein Gedanke von mir, der eben endete.
Ein einziger Ton bebte schwer und ernst durch
die Oede -- es war die ausschlagende Zeit,
und die Ewigkeit trat jetzt ein. Ich hatte jezt
aufgehört alles andere zu denken, und dachte

gaͤbe keinen Ton mehr — ich erſchrack, denn
ich glaubte wirklich gerufen zu haben, aber ich
hoͤrte mich nur in mir. Ein Bliz, ohne nach-
folgenden Donnerſchlag, flog pfeilſchnell, aber
ſtill durch die Nacht, und der Tag erſchien und
verſchwand raſch in ihr, wie ein Geiſt. Ne-
ben mir auf der einen Seite raſſelte ein Wahn-
ſinniger ſchrecklich mit ſeinen Ketten, auf der
andern hoͤrte ich Ophelia abgeriſſene Stuͤcke
ihrer Balladen ſingen, doch wurden die Toͤne
oft Seufzer, und zulezt ſchien mir alles eine
große Disharmonie, zu der die raſſelnden Ket-
ten die begleitende Muſik abgaben. Es duͤnkte
mich, als entſchliefe ich. Da ſah ich mich
ſelbſt mit mir allein im Nichts, nur in der
weiten Ferne verglimmte noch die letzte Erde,
wie ein ausloͤſchender Funken — aber es war
nur ein Gedanke von mir, der eben endete.
Ein einziger Ton bebte ſchwer und ernſt durch
die Oede — es war die ausſchlagende Zeit,
und die Ewigkeit trat jetzt ein. Ich hatte jezt
aufgehoͤrt alles andere zu denken, und dachte

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[250/0252] gaͤbe keinen Ton mehr — ich erſchrack, denn ich glaubte wirklich gerufen zu haben, aber ich hoͤrte mich nur in mir. Ein Bliz, ohne nach- folgenden Donnerſchlag, flog pfeilſchnell, aber ſtill durch die Nacht, und der Tag erſchien und verſchwand raſch in ihr, wie ein Geiſt. Ne- ben mir auf der einen Seite raſſelte ein Wahn- ſinniger ſchrecklich mit ſeinen Ketten, auf der andern hoͤrte ich Ophelia abgeriſſene Stuͤcke ihrer Balladen ſingen, doch wurden die Toͤne oft Seufzer, und zulezt ſchien mir alles eine große Disharmonie, zu der die raſſelnden Ket- ten die begleitende Muſik abgaben. Es duͤnkte mich, als entſchliefe ich. Da ſah ich mich ſelbſt mit mir allein im Nichts, nur in der weiten Ferne verglimmte noch die letzte Erde, wie ein ausloͤſchender Funken — aber es war nur ein Gedanke von mir, der eben endete. Ein einziger Ton bebte ſchwer und ernſt durch die Oede — es war die ausſchlagende Zeit, und die Ewigkeit trat jetzt ein. Ich hatte jezt aufgehoͤrt alles andere zu denken, und dachte

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/252>, abgerufen am 21.11.2024.