liebe dich! das ist die lezte Rede im Stücke, und sie allein will ich aus meiner Rolle zu be- halten suchen -- es war die schönste Stelle! Das Uebrige mögen sie begraben! --
Da fiel der Vorhang und Ophelia trat ab -- niemand klatschte und es war, als ob kein Zuschauer zugegen wäre. Sie schlief schon ganz fest mit dem Kinde an der Brust, und beide waren nur sehr blaß und man hörte keine Athemzüge, denn der Tod hatte ihnen seine weiße Maske schon aufgelegt. --
Ich stand stürmisch aufgereizt neben dem Lager und in mir machte es sich zornig Luft, wie zu einem wilden Gelächter -- ich erschrack, denn es wurde kein Gelächter, sondern die erste Thräne, die ich weinte. Nahe bei mir heulte noch einer; -- doch war es nur der Sturm, der durch das Tollhaus pfiff.
Als ich aufblickte, standen die Wahnsinni- gen in einem Halbkreise um das Lager her, alle schweigend, aber seltsam gestikulirend und sich gebärdend; einige lächelnd, andere tief
liebe dich! das iſt die lezte Rede im Stuͤcke, und ſie allein will ich aus meiner Rolle zu be- halten ſuchen — es war die ſchoͤnſte Stelle! Das Uebrige moͤgen ſie begraben! —
Da fiel der Vorhang und Ophelia trat ab — niemand klatſchte und es war, als ob kein Zuſchauer zugegen waͤre. Sie ſchlief ſchon ganz feſt mit dem Kinde an der Bruſt, und beide waren nur ſehr blaß und man hoͤrte keine Athemzuͤge, denn der Tod hatte ihnen ſeine weiße Maske ſchon aufgelegt. —
Ich ſtand ſtuͤrmiſch aufgereizt neben dem Lager und in mir machte es ſich zornig Luft, wie zu einem wilden Gelaͤchter — ich erſchrack, denn es wurde kein Gelaͤchter, ſondern die erſte Thraͤne, die ich weinte. Nahe bei mir heulte noch einer; — doch war es nur der Sturm, der durch das Tollhaus pfiff.
Als ich aufblickte, ſtanden die Wahnſinni- gen in einem Halbkreiſe um das Lager her, alle ſchweigend, aber ſeltſam geſtikulirend und ſich gebaͤrdend; einige laͤchelnd, andere tief
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liebe dich! das iſt die lezte Rede im Stuͤcke,
und ſie allein will ich aus meiner Rolle zu be-
halten ſuchen — es war die ſchoͤnſte Stelle!
Das Uebrige moͤgen ſie begraben! —
Da fiel der Vorhang und Ophelia trat ab
— niemand klatſchte und es war, als ob kein
Zuſchauer zugegen waͤre. Sie ſchlief ſchon ganz
feſt mit dem Kinde an der Bruſt, und beide
waren nur ſehr blaß und man hoͤrte keine
Athemzuͤge, denn der Tod hatte ihnen ſeine
weiße Maske ſchon aufgelegt. —
Ich ſtand ſtuͤrmiſch aufgereizt neben dem
Lager und in mir machte es ſich zornig Luft,
wie zu einem wilden Gelaͤchter — ich erſchrack,
denn es wurde kein Gelaͤchter, ſondern die
erſte Thraͤne, die ich weinte. Nahe bei mir
heulte noch einer; — doch war es nur der
Sturm, der durch das Tollhaus pfiff.
Als ich aufblickte, ſtanden die Wahnſinni-
gen in einem Halbkreiſe um das Lager her,
alle ſchweigend, aber ſeltſam geſtikulirend und
ſich gebaͤrdend; einige laͤchelnd, andere tief
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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/255>, abgerufen am 21.11.2024.
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