Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

der Hölle geschworen wird, und blickten uns
eine Weile schweigend an. Es ist zur Abwech-
selung! sagte dann dieser Steinerne und las
die Stelle laut und vernehmlich -- zwischen
uns lachte es leise, wir lachten laut mit, um
nicht albern dazustehen. Nun fing es an in
der Nacht um uns her sein Wesen zu treiben,
und wir merkten, daß wir nicht allein waren.
Ich schmiegte mich in dem gezogenen Kreise
dicht an deinen Vater, wir berührten zufällig
das Zeichen des Erdgeistes, und wurden warm
beisammen. Als der Teufel erschien, erblick-
ten wir ihn nur noch mit halb geöffneten Au-
gen -- es war grade der Moment in dem du
entstandest! -- Jener war recht bei Laune und
erbot sich Pathenstelle zu vertreten; er mochte
ein angenehmer Mann in seinen besten Jahren
sein, und ich erstaune über die Aehnlichkeit,
die du mit ihm hast; nur siehst du finsterer
aus, was du dir noch abgewöhnen dürftest.
Als du geboren wurdest, hatte ich soviel Ge-
wissenhaftigkeit dich in christliche Hände zu

der Hoͤlle geſchworen wird, und blickten uns
eine Weile ſchweigend an. Es iſt zur Abwech-
ſelung! ſagte dann dieſer Steinerne und las
die Stelle laut und vernehmlich — zwiſchen
uns lachte es leiſe, wir lachten laut mit, um
nicht albern dazuſtehen. Nun fing es an in
der Nacht um uns her ſein Weſen zu treiben,
und wir merkten, daß wir nicht allein waren.
Ich ſchmiegte mich in dem gezogenen Kreiſe
dicht an deinen Vater, wir beruͤhrten zufaͤllig
das Zeichen des Erdgeiſtes, und wurden warm
beiſammen. Als der Teufel erſchien, erblick-
ten wir ihn nur noch mit halb geoͤffneten Au-
gen — es war grade der Moment in dem du
entſtandeſt! — Jener war recht bei Laune und
erbot ſich Pathenſtelle zu vertreten; er mochte
ein angenehmer Mann in ſeinen beſten Jahren
ſein, und ich erſtaune uͤber die Aehnlichkeit,
die du mit ihm haſt; nur ſiehſt du finſterer
aus, was du dir noch abgewoͤhnen duͤrfteſt.
Als du geboren wurdeſt, hatte ich ſoviel Ge-
wiſſenhaftigkeit dich in chriſtliche Haͤnde zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0282" n="280"/>
der Ho&#x0364;lle ge&#x017F;chworen wird, und blickten uns<lb/>
eine Weile &#x017F;chweigend an. Es i&#x017F;t zur Abwech-<lb/>
&#x017F;elung! &#x017F;agte dann die&#x017F;er Steinerne und las<lb/>
die Stelle laut und vernehmlich &#x2014; zwi&#x017F;chen<lb/>
uns lachte es lei&#x017F;e, wir lachten laut mit, um<lb/>
nicht albern dazu&#x017F;tehen. Nun fing es an in<lb/>
der Nacht um uns her &#x017F;ein We&#x017F;en zu treiben,<lb/>
und wir merkten, daß wir nicht allein waren.<lb/>
Ich &#x017F;chmiegte mich in dem gezogenen Krei&#x017F;e<lb/>
dicht an deinen Vater, wir beru&#x0364;hrten zufa&#x0364;llig<lb/>
das Zeichen des Erdgei&#x017F;tes, und wurden warm<lb/>
bei&#x017F;ammen. Als der Teufel er&#x017F;chien, erblick-<lb/>
ten wir ihn nur noch mit halb geo&#x0364;ffneten Au-<lb/>
gen &#x2014; es war grade der Moment in dem du<lb/>
ent&#x017F;tande&#x017F;t! &#x2014; Jener war recht bei Laune und<lb/>
erbot &#x017F;ich Pathen&#x017F;telle zu vertreten; er mochte<lb/>
ein angenehmer Mann in &#x017F;einen be&#x017F;ten Jahren<lb/>
&#x017F;ein, und ich er&#x017F;taune u&#x0364;ber die Aehnlichkeit,<lb/>
die du mit ihm ha&#x017F;t; nur &#x017F;ieh&#x017F;t du fin&#x017F;terer<lb/>
aus, was du dir noch abgewo&#x0364;hnen du&#x0364;rfte&#x017F;t.<lb/>
Als du geboren wurde&#x017F;t, hatte ich &#x017F;oviel Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;enhaftigkeit dich in chri&#x017F;tliche Ha&#x0364;nde zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0282] der Hoͤlle geſchworen wird, und blickten uns eine Weile ſchweigend an. Es iſt zur Abwech- ſelung! ſagte dann dieſer Steinerne und las die Stelle laut und vernehmlich — zwiſchen uns lachte es leiſe, wir lachten laut mit, um nicht albern dazuſtehen. Nun fing es an in der Nacht um uns her ſein Weſen zu treiben, und wir merkten, daß wir nicht allein waren. Ich ſchmiegte mich in dem gezogenen Kreiſe dicht an deinen Vater, wir beruͤhrten zufaͤllig das Zeichen des Erdgeiſtes, und wurden warm beiſammen. Als der Teufel erſchien, erblick- ten wir ihn nur noch mit halb geoͤffneten Au- gen — es war grade der Moment in dem du entſtandeſt! — Jener war recht bei Laune und erbot ſich Pathenſtelle zu vertreten; er mochte ein angenehmer Mann in ſeinen beſten Jahren ſein, und ich erſtaune uͤber die Aehnlichkeit, die du mit ihm haſt; nur ſiehſt du finſterer aus, was du dir noch abgewoͤhnen duͤrfteſt. Als du geboren wurdeſt, hatte ich ſoviel Ge- wiſſenhaftigkeit dich in chriſtliche Haͤnde zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/282
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/282>, abgerufen am 21.11.2024.