Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

und hörbar würden. Das Alles ist so sonder-
bar, daß man schlechterdings nicht weiß, ob
man's ernsthaft oder lustig nehmen soll; einige
gescheute Leute unter den Zuschauern halten's
gar für toll.

Als jene beiden ersten endlich zu Bette ge-
gangen sind, kommt der Hanswurst mit dem
andern Bruder wieder. Dieser spricht, wie er
weite Reisen von einem Pole zum andern ge-
macht, und doch die Kolombine nicht gefun-
den, weshalb er verzweifeln und sich ums
Leben bringen wollte. Der Hanswurst öffnet
eine Klappe an der Brust der Marionette und
findet wirklich jezt zu seinem Erstaunen ein
Herz darin, worüber er besorgt wird und in
der Angst mehrere gescheute Ideen bekommt,
z. B. daß Alles in dem Leben, sowohl der
Schmerz wie die Freude, nur Erscheinung sei,
wobei nur blos das ein böser Punkt, daß die
Erscheinung selbst nie zur Erscheinung käme,
weshalb die Marionetten es denn auch nie-

und hoͤrbar wuͤrden. Das Alles iſt ſo ſonder-
bar, daß man ſchlechterdings nicht weiß, ob
man’s ernſthaft oder luſtig nehmen ſoll; einige
geſcheute Leute unter den Zuſchauern halten’s
gar fuͤr toll.

Als jene beiden erſten endlich zu Bette ge-
gangen ſind, kommt der Hanswurſt mit dem
andern Bruder wieder. Dieſer ſpricht, wie er
weite Reiſen von einem Pole zum andern ge-
macht, und doch die Kolombine nicht gefun-
den, weshalb er verzweifeln und ſich ums
Leben bringen wollte. Der Hanswurſt oͤffnet
eine Klappe an der Bruſt der Marionette und
findet wirklich jezt zu ſeinem Erſtaunen ein
Herz darin, woruͤber er beſorgt wird und in
der Angſt mehrere geſcheute Ideen bekommt,
z. B. daß Alles in dem Leben, ſowohl der
Schmerz wie die Freude, nur Erſcheinung ſei,
wobei nur blos das ein boͤſer Punkt, daß die
Erſcheinung ſelbſt nie zur Erſcheinung kaͤme,
weshalb die Marionetten es denn auch nie-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="67"/>
und ho&#x0364;rbar wu&#x0364;rden. Das Alles i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;onder-<lb/>
bar, daß man &#x017F;chlechterdings nicht weiß, ob<lb/>
man&#x2019;s ern&#x017F;thaft oder lu&#x017F;tig nehmen &#x017F;oll; einige<lb/>
ge&#x017F;cheute Leute unter den Zu&#x017F;chauern halten&#x2019;s<lb/>
gar fu&#x0364;r toll.</p><lb/>
        <p>Als jene beiden er&#x017F;ten endlich zu Bette ge-<lb/>
gangen &#x017F;ind, kommt der Hanswur&#x017F;t mit dem<lb/>
andern Bruder wieder. Die&#x017F;er &#x017F;pricht, wie er<lb/>
weite Rei&#x017F;en von einem Pole zum andern ge-<lb/>
macht, und doch die Kolombine nicht gefun-<lb/>
den, weshalb er verzweifeln und &#x017F;ich ums<lb/>
Leben bringen wollte. Der Hanswur&#x017F;t o&#x0364;ffnet<lb/>
eine Klappe an der Bru&#x017F;t der Marionette und<lb/>
findet wirklich jezt zu &#x017F;einem Er&#x017F;taunen ein<lb/>
Herz darin, woru&#x0364;ber er be&#x017F;orgt wird und in<lb/>
der Ang&#x017F;t mehrere ge&#x017F;cheute Ideen bekommt,<lb/>
z. B. daß Alles in dem Leben, &#x017F;owohl der<lb/>
Schmerz wie die Freude, nur Er&#x017F;cheinung &#x017F;ei,<lb/>
wobei nur blos das ein bo&#x0364;&#x017F;er Punkt, daß die<lb/>
Er&#x017F;cheinung &#x017F;elb&#x017F;t nie zur Er&#x017F;cheinung ka&#x0364;me,<lb/>
weshalb die Marionetten es denn auch nie-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0069] und hoͤrbar wuͤrden. Das Alles iſt ſo ſonder- bar, daß man ſchlechterdings nicht weiß, ob man’s ernſthaft oder luſtig nehmen ſoll; einige geſcheute Leute unter den Zuſchauern halten’s gar fuͤr toll. Als jene beiden erſten endlich zu Bette ge- gangen ſind, kommt der Hanswurſt mit dem andern Bruder wieder. Dieſer ſpricht, wie er weite Reiſen von einem Pole zum andern ge- macht, und doch die Kolombine nicht gefun- den, weshalb er verzweifeln und ſich ums Leben bringen wollte. Der Hanswurſt oͤffnet eine Klappe an der Bruſt der Marionette und findet wirklich jezt zu ſeinem Erſtaunen ein Herz darin, woruͤber er beſorgt wird und in der Angſt mehrere geſcheute Ideen bekommt, z. B. daß Alles in dem Leben, ſowohl der Schmerz wie die Freude, nur Erſcheinung ſei, wobei nur blos das ein boͤſer Punkt, daß die Erſcheinung ſelbſt nie zur Erſcheinung kaͤme, weshalb die Marionetten es denn auch nie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/69
Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/69>, abgerufen am 16.05.2024.