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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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sinne tausend Plane es möglich zu machen --
dann schaue ich aber plözlich tief in mich selbst
hinein, wie in einen unermeßlichen Abgrund,
in dem die Zeit, wie ein unterirdischer nie
versiegender Strom dumpf dahin rauscht, und
aus der finsteren Tiefe schallt das Wort ewig
einsam herauf, und ich stürze schaudernd vor
mir selbst zurük, und kann mir doch nimmer
entfliehen." --

Hier endete der Mann, und in mir stieg
die heiße Sehnsucht auf, dem armen Schlaf-
losen das wohlthätige Opium mit eigener
Hand zu reichen, und ihm den langen süßen
Schlaf, nach dem sein heißes überwachtes Auge
vergeblich schmachtete, zuzuführen. Doch fürch-
tete ich, daß in dem entscheidenden Augen-
blicke sein Wahnsinn von ihm weichen könnte,
und er, sterbend, das Leben, eben um der
Vergänglichkeit willen, wieder liebgewinnen
mögte. O, aus diesem Widerspruche ist ja
der Mensch geschaffen; er liebt das Leben um
des Todes willen, und er würde es hassen,

ſinne tauſend Plane es moͤglich zu machen —
dann ſchaue ich aber ploͤzlich tief in mich ſelbſt
hinein, wie in einen unermeßlichen Abgrund,
in dem die Zeit, wie ein unterirdiſcher nie
verſiegender Strom dumpf dahin rauſcht, und
aus der finſteren Tiefe ſchallt das Wort ewig
einſam herauf, und ich ſtuͤrze ſchaudernd vor
mir ſelbſt zuruͤk, und kann mir doch nimmer
entfliehen.“ —

Hier endete der Mann, und in mir ſtieg
die heiße Sehnſucht auf, dem armen Schlaf-
loſen das wohlthaͤtige Opium mit eigener
Hand zu reichen, und ihm den langen ſuͤßen
Schlaf, nach dem ſein heißes uͤberwachtes Auge
vergeblich ſchmachtete, zuzufuͤhren. Doch fuͤrch-
tete ich, daß in dem entſcheidenden Augen-
blicke ſein Wahnſinn von ihm weichen koͤnnte,
und er, ſterbend, das Leben, eben um der
Vergaͤnglichkeit willen, wieder liebgewinnen
moͤgte. O, aus dieſem Widerſpruche iſt ja
der Menſch geſchaffen; er liebt das Leben um
des Todes willen, und er wuͤrde es haſſen,

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[76/0078] ſinne tauſend Plane es moͤglich zu machen — dann ſchaue ich aber ploͤzlich tief in mich ſelbſt hinein, wie in einen unermeßlichen Abgrund, in dem die Zeit, wie ein unterirdiſcher nie verſiegender Strom dumpf dahin rauſcht, und aus der finſteren Tiefe ſchallt das Wort ewig einſam herauf, und ich ſtuͤrze ſchaudernd vor mir ſelbſt zuruͤk, und kann mir doch nimmer entfliehen.“ — Hier endete der Mann, und in mir ſtieg die heiße Sehnſucht auf, dem armen Schlaf- loſen das wohlthaͤtige Opium mit eigener Hand zu reichen, und ihm den langen ſuͤßen Schlaf, nach dem ſein heißes uͤberwachtes Auge vergeblich ſchmachtete, zuzufuͤhren. Doch fuͤrch- tete ich, daß in dem entſcheidenden Augen- blicke ſein Wahnſinn von ihm weichen koͤnnte, und er, ſterbend, das Leben, eben um der Vergaͤnglichkeit willen, wieder liebgewinnen moͤgte. O, aus dieſem Widerſpruche iſt ja der Menſch geſchaffen; er liebt das Leben um des Todes willen, und er wuͤrde es haſſen,

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/78>, abgerufen am 21.11.2024.