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Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805.

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Juan verstummte; Ines zog die Klocke,
und eben jener Page, schön wie der Liebesgott,
trat in das Zimmer. -- Juan entfernte sich
ohne ein Wort zu reden.

Es war schon ganz finster draußen im
Walde, er schritt gedankenlos vor sich hin,
plözlich stand Don Ponce dicht vor ihm, rasch
zog er den Dolch und führte wild den Stoß,
-- jezt kam er zur Besinnung; der Dolch
stekte tief in dem Stamme eines Baumes,
und nur seine Phantasie hatte den Bruder-
mord begangen.

Ponce kehrte endlich zurück, aber Ines ge-
dachte der Stunde nicht gegen ihn, und ver-
hüllte Liebe und Vergehen tief in ihre Brust.
Juan haßte den Tag, und lebte von jezt an
nur in der Nacht, denn was in ihm vorging
war lichtscheu und gefährlich. Sobald es fin-
ster wurde wandelte er jedesmal von dem
Orte seines Aufenthalts hin nach Ponces

Juan verſtummte; Ines zog die Klocke,
und eben jener Page, ſchoͤn wie der Liebesgott,
trat in das Zimmer. — Juan entfernte ſich
ohne ein Wort zu reden.

Es war ſchon ganz finſter draußen im
Walde, er ſchritt gedankenlos vor ſich hin,
ploͤzlich ſtand Don Ponce dicht vor ihm, raſch
zog er den Dolch und fuͤhrte wild den Stoß,
— jezt kam er zur Beſinnung; der Dolch
ſtekte tief in dem Stamme eines Baumes,
und nur ſeine Phantaſie hatte den Bruder-
mord begangen.

Ponce kehrte endlich zuruͤck, aber Ines ge-
dachte der Stunde nicht gegen ihn, und ver-
huͤllte Liebe und Vergehen tief in ihre Bruſt.
Juan haßte den Tag, und lebte von jezt an
nur in der Nacht, denn was in ihm vorging
war lichtſcheu und gefaͤhrlich. Sobald es fin-
ſter wurde wandelte er jedesmal von dem
Orte ſeines Aufenthalts hin nach Ponces

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[88/0090] Juan verſtummte; Ines zog die Klocke, und eben jener Page, ſchoͤn wie der Liebesgott, trat in das Zimmer. — Juan entfernte ſich ohne ein Wort zu reden. Es war ſchon ganz finſter draußen im Walde, er ſchritt gedankenlos vor ſich hin, ploͤzlich ſtand Don Ponce dicht vor ihm, raſch zog er den Dolch und fuͤhrte wild den Stoß, — jezt kam er zur Beſinnung; der Dolch ſtekte tief in dem Stamme eines Baumes, und nur ſeine Phantaſie hatte den Bruder- mord begangen. Ponce kehrte endlich zuruͤck, aber Ines ge- dachte der Stunde nicht gegen ihn, und ver- huͤllte Liebe und Vergehen tief in ihre Bruſt. Juan haßte den Tag, und lebte von jezt an nur in der Nacht, denn was in ihm vorging war lichtſcheu und gefaͤhrlich. Sobald es fin- ſter wurde wandelte er jedesmal von dem Orte ſeines Aufenthalts hin nach Ponces

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Zitationshilfe: Klingemann, Ernst August Friedrich: Nachtwachen. Penig, 1805, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klingemann_nachtwachen_1805/90>, abgerufen am 21.11.2024.