färbte ihn schwarz, sein häusliches Band, da er seine Familie nicht mehr zu erhalten wußte, ward ihm zur Last, und er fieng für immer an zu glauben, daß die Gerech- tigkeit, nicht den Vorsitz, bey der Austhei- lung des Glücks der Menschen habe. Er nagte an dem Gedanken: wie und woher es käme, daß der fähige Kopf und der edle Mann, überall unterdrückt, vernachläßigt sey, im Elende schmachte, während der Schelm und der Dummkopf, reich, glück- lich und angesehen wären. So leicht nun Weisen und Prediger diesen Zweifel zu he- ben wissen, so erbittert er gleichwohl, da sie nur zu dem Verstande reden, und das Ge- fühl durch die tägliche Erfahrung verwun- det wird, das Herz des Stolzen, und schlägt den Sanftern nieder.
2.
In dieser düstern Stimmung, wanderte Faust von Mainz nach Frankfurth, dem Hochweisen Magistrat, eine von ihm ge-
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faͤrbte ihn ſchwarz, ſein haͤusliches Band, da er ſeine Familie nicht mehr zu erhalten wußte, ward ihm zur Laſt, und er fieng fuͤr immer an zu glauben, daß die Gerech- tigkeit, nicht den Vorſitz, bey der Austhei- lung des Gluͤcks der Menſchen habe. Er nagte an dem Gedanken: wie und woher es kaͤme, daß der faͤhige Kopf und der edle Mann, uͤberall unterdruͤckt, vernachlaͤßigt ſey, im Elende ſchmachte, waͤhrend der Schelm und der Dummkopf, reich, gluͤck- lich und angeſehen waͤren. So leicht nun Weiſen und Prediger dieſen Zweifel zu he- ben wiſſen, ſo erbittert er gleichwohl, da ſie nur zu dem Verſtande reden, und das Ge- fuͤhl durch die taͤgliche Erfahrung verwun- det wird, das Herz des Stolzen, und ſchlaͤgt den Sanftern nieder.
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In dieſer duͤſtern Stimmung, wanderte Fauſt von Mainz nach Frankfurth, dem Hochweiſen Magiſtrat, eine von ihm ge-
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faͤrbte ihn ſchwarz, ſein haͤusliches Band,
da er ſeine Familie nicht mehr zu erhalten
wußte, ward ihm zur Laſt, und er fieng
fuͤr immer an zu glauben, daß die Gerech-
tigkeit, nicht den Vorſitz, bey der Austhei-
lung des Gluͤcks der Menſchen habe. Er
nagte an dem Gedanken: wie und woher es
kaͤme, daß der faͤhige Kopf und der edle
Mann, uͤberall unterdruͤckt, vernachlaͤßigt
ſey, im Elende ſchmachte, waͤhrend der
Schelm und der Dummkopf, reich, gluͤck-
lich und angeſehen waͤren. So leicht nun
Weiſen und Prediger dieſen Zweifel zu he-
ben wiſſen, ſo erbittert er gleichwohl, da ſie
nur zu dem Verſtande reden, und das Ge-
fuͤhl durch die taͤgliche Erfahrung verwun-
det wird, das Herz des Stolzen, und ſchlaͤgt
den Sanftern nieder.
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In dieſer duͤſtern Stimmung, wanderte
Fauſt von Mainz nach Frankfurth, dem
Hochweiſen Magiſtrat, eine von ihm ge-
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Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/19>, abgerufen am 21.11.2024.
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