Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Teutscher? träge Klötze, die sich vor Anse-
hen und Reichthum, vor allen unnatürli-
chen Unterscheidungen der Menschen scla-
visch beugen, von ihren Fürsten und Großen
glauben, sie seyen von edlerem Stoffe ge-
macht als sie, und ganze Kerle zu seyn glau-
ben, wenn sie sich für sie todtschlagen, oder
zum Todtschlagen an andre Fürsten verkau-
fen lassen. Vernimmst du seit Jahrhunder-
ten ein Wort von Empören gegen Tyran-
ney? von Kampf und Blutvergießen um
Freyheit und die Rechte der Menschheit.
Sie glauben sich frey, weil es ihre Fürsten
und Bischöffe sind, die sie schinden können,
wie es ihnen gefällt. Noch ist keiner von ihnen
auf eine stattliche Art zur Hölle gefahren, ein
Beweis, daß dies Volk keine sich auszeich-
nende Köpfe hat. Ich meine von jenen,
die keck alle Verhältnisse benagen, den dia-
mantnen Schild Eigenheit erkämpfen, an
dem sich alle himmlische und irrdische Vor-
urtheile zerschlagen. Zeige mir einen sol-
chen Mann, der auf die Gefahr seiner See-

le
D 3

Teutſcher? traͤge Kloͤtze, die ſich vor Anſe-
hen und Reichthum, vor allen unnatuͤrli-
chen Unterſcheidungen der Menſchen ſcla-
viſch beugen, von ihren Fuͤrſten und Großen
glauben, ſie ſeyen von edlerem Stoffe ge-
macht als ſie, und ganze Kerle zu ſeyn glau-
ben, wenn ſie ſich fuͤr ſie todtſchlagen, oder
zum Todtſchlagen an andre Fuͤrſten verkau-
fen laſſen. Vernimmſt du ſeit Jahrhunder-
ten ein Wort von Empoͤren gegen Tyran-
ney? von Kampf und Blutvergießen um
Freyheit und die Rechte der Menſchheit.
Sie glauben ſich frey, weil es ihre Fuͤrſten
und Biſchoͤffe ſind, die ſie ſchinden koͤnnen,
wie es ihnen gefaͤllt. Noch iſt keiner von ihnen
auf eine ſtattliche Art zur Hoͤlle gefahren, ein
Beweis, daß dies Volk keine ſich auszeich-
nende Koͤpfe hat. Ich meine von jenen,
die keck alle Verhaͤltniſſe benagen, den dia-
mantnen Schild Eigenheit erkaͤmpfen, an
dem ſich alle himmliſche und irrdiſche Vor-
urtheile zerſchlagen. Zeige mir einen ſol-
chen Mann, der auf die Gefahr ſeiner See-

le
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="53"/>
Teut&#x017F;cher? tra&#x0364;ge Klo&#x0364;tze, die &#x017F;ich vor An&#x017F;e-<lb/>
hen und Reichthum, vor allen unnatu&#x0364;rli-<lb/>
chen Unter&#x017F;cheidungen der Men&#x017F;chen &#x017F;cla-<lb/>
vi&#x017F;ch beugen, von ihren Fu&#x0364;r&#x017F;ten und Großen<lb/>
glauben, &#x017F;ie &#x017F;eyen von edlerem Stoffe ge-<lb/>
macht als &#x017F;ie, und ganze Kerle zu &#x017F;eyn glau-<lb/>
ben, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich fu&#x0364;r &#x017F;ie todt&#x017F;chlagen, oder<lb/>
zum Todt&#x017F;chlagen an andre Fu&#x0364;r&#x017F;ten verkau-<lb/>
fen la&#x017F;&#x017F;en. Vernimm&#x017F;t du &#x017F;eit Jahrhunder-<lb/>
ten ein Wort von Empo&#x0364;ren gegen Tyran-<lb/>
ney? von Kampf und Blutvergießen um<lb/>
Freyheit und die Rechte der Men&#x017F;chheit.<lb/>
Sie glauben &#x017F;ich frey, weil es ihre Fu&#x0364;r&#x017F;ten<lb/>
und Bi&#x017F;cho&#x0364;ffe &#x017F;ind, die &#x017F;ie &#x017F;chinden ko&#x0364;nnen,<lb/>
wie es ihnen gefa&#x0364;llt. Noch i&#x017F;t keiner von ihnen<lb/>
auf eine &#x017F;tattliche Art zur Ho&#x0364;lle gefahren, ein<lb/>
Beweis, daß dies Volk keine &#x017F;ich auszeich-<lb/>
nende Ko&#x0364;pfe hat. Ich meine von jenen,<lb/>
die keck alle Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e benagen, den dia-<lb/>
mantnen Schild <hi rendition="#fr">Eigenheit</hi> erka&#x0364;mpfen, an<lb/>
dem &#x017F;ich alle himmli&#x017F;che und irrdi&#x017F;che Vor-<lb/>
urtheile zer&#x017F;chlagen. Zeige mir einen &#x017F;ol-<lb/>
chen Mann, der auf die Gefahr &#x017F;einer See-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">le</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0064] Teutſcher? traͤge Kloͤtze, die ſich vor Anſe- hen und Reichthum, vor allen unnatuͤrli- chen Unterſcheidungen der Menſchen ſcla- viſch beugen, von ihren Fuͤrſten und Großen glauben, ſie ſeyen von edlerem Stoffe ge- macht als ſie, und ganze Kerle zu ſeyn glau- ben, wenn ſie ſich fuͤr ſie todtſchlagen, oder zum Todtſchlagen an andre Fuͤrſten verkau- fen laſſen. Vernimmſt du ſeit Jahrhunder- ten ein Wort von Empoͤren gegen Tyran- ney? von Kampf und Blutvergießen um Freyheit und die Rechte der Menſchheit. Sie glauben ſich frey, weil es ihre Fuͤrſten und Biſchoͤffe ſind, die ſie ſchinden koͤnnen, wie es ihnen gefaͤllt. Noch iſt keiner von ihnen auf eine ſtattliche Art zur Hoͤlle gefahren, ein Beweis, daß dies Volk keine ſich auszeich- nende Koͤpfe hat. Ich meine von jenen, die keck alle Verhaͤltniſſe benagen, den dia- mantnen Schild Eigenheit erkaͤmpfen, an dem ſich alle himmliſche und irrdiſche Vor- urtheile zerſchlagen. Zeige mir einen ſol- chen Mann, der auf die Gefahr ſeiner See- le D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/64
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian: Fausts Leben, Thaten und Höllenfahrt. St. Petersburg, 1791, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_faust_1791/64>, abgerufen am 21.11.2024.