Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.
Grimaldi. Guelfo, Dir fehlt nichts, als Glauben an Dich, und Du bist ein gemachter Mann, der alles mit Gewalt nach sich zieht. Sieh, ich bin ein zusammengedrückter gewürgter Wurm, der sich kaum aufwenden kann, so haben ihn Menschen in Koth gestampft, wohin er sich wandte. Und das all ist so scharf durch meinen sonst emporschwebenden Geist gefahren, hat so un- edel alle große Triebe verschlungen, und das Feuer verkältet, daß mit mir nichts anzufangen ist. O Guelfo! es war eine blühende Zeit -- ich kann itzt nichts, als mein Herz nach und nach aufrei- ben, und hassen mich und alles. Für mich ist Natur und Leben todt, weil man mir den Sinn dafür unfreundlich tödtete. Jn meinem Leben möcht' ich mich an Einem rächen, mich dann in mein Kissen hüllen, und mit Wollust sterben. (Sieht durchs Fenster) Dort kömmt eine Chaise her! Guelfo. Es wird der Doctor Galbo seyn, ich ließ ihn rufen. Grimaldi. Hast Du noch nichts entdeckt? -- Adjeu, Ritter Guelfo! Der traurige Mantel der Melancholie hat sich um mich geschlungen, ich will weinen. Adjeu! Gib mir Deine Hand! Adjeu! Guelfo.
Grimaldi. Guelfo, Dir fehlt nichts, als Glauben an Dich, und Du biſt ein gemachter Mann, der alles mit Gewalt nach ſich zieht. Sieh, ich bin ein zuſammengedruͤckter gewuͤrgter Wurm, der ſich kaum aufwenden kann, ſo haben ihn Menſchen in Koth geſtampft, wohin er ſich wandte. Und das all iſt ſo ſcharf durch meinen ſonſt emporſchwebenden Geiſt gefahren, hat ſo un- edel alle große Triebe verſchlungen, und das Feuer verkaͤltet, daß mit mir nichts anzufangen iſt. O Guelfo! es war eine bluͤhende Zeit — ich kann itzt nichts, als mein Herz nach und nach aufrei- ben, und haſſen mich und alles. Fuͤr mich iſt Natur und Leben todt, weil man mir den Sinn dafuͤr unfreundlich toͤdtete. Jn meinem Leben moͤcht’ ich mich an Einem raͤchen, mich dann in mein Kiſſen huͤllen, und mit Wolluſt ſterben. (Sieht durchs Fenſter) Dort koͤmmt eine Chaiſe her! Guelfo. Es wird der Doctor Galbo ſeyn, ich ließ ihn rufen. Grimaldi. Haſt Du noch nichts entdeckt? — Adjeu, Ritter Guelfo! Der traurige Mantel der Melancholie hat ſich um mich geſchlungen, ich will weinen. Adjeu! Gib mir Deine Hand! Adjeu! Guelfo.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0018" n="12"/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Grimaldi.</hi> </speaker> <p>Guelfo, Dir fehlt nichts, als<lb/> Glauben an Dich, und Du biſt ein gemachter<lb/> Mann, der alles mit Gewalt nach ſich zieht.<lb/> Sieh, ich bin ein zuſammengedruͤckter gewuͤrgter<lb/> Wurm, der ſich kaum aufwenden kann, ſo haben<lb/> ihn Menſchen in Koth geſtampft, wohin er ſich<lb/> wandte. Und das all iſt ſo ſcharf durch meinen<lb/> ſonſt emporſchwebenden Geiſt gefahren, hat ſo un-<lb/> edel alle große Triebe verſchlungen, und das Feuer<lb/> verkaͤltet, daß mit mir nichts anzufangen iſt. O<lb/> Guelfo! es war eine bluͤhende Zeit — ich kann<lb/> itzt nichts, als mein Herz nach und nach aufrei-<lb/> ben, und haſſen mich und alles. Fuͤr mich iſt<lb/> Natur und Leben todt, weil man mir den Sinn<lb/> dafuͤr unfreundlich toͤdtete. Jn meinem Leben<lb/> moͤcht’ ich mich an Einem raͤchen, mich dann in<lb/> mein Kiſſen huͤllen, und mit Wolluſt ſterben.</p><lb/> <stage>(Sieht durchs Fenſter)</stage> <p>Dort koͤmmt eine Chaiſe<lb/> her!</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </speaker> <p>Es wird der Doctor Galbo ſeyn,<lb/> ich ließ ihn rufen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#fr">Grimaldi.</hi> </speaker> <p>Haſt Du noch nichts entdeckt?<lb/> — Adjeu, Ritter Guelfo! Der traurige Mantel<lb/> der Melancholie hat ſich um mich geſchlungen, ich<lb/> will weinen. Adjeu! Gib mir Deine Hand!<lb/> Adjeu!</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Guelfo.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0018]
Grimaldi. Guelfo, Dir fehlt nichts, als
Glauben an Dich, und Du biſt ein gemachter
Mann, der alles mit Gewalt nach ſich zieht.
Sieh, ich bin ein zuſammengedruͤckter gewuͤrgter
Wurm, der ſich kaum aufwenden kann, ſo haben
ihn Menſchen in Koth geſtampft, wohin er ſich
wandte. Und das all iſt ſo ſcharf durch meinen
ſonſt emporſchwebenden Geiſt gefahren, hat ſo un-
edel alle große Triebe verſchlungen, und das Feuer
verkaͤltet, daß mit mir nichts anzufangen iſt. O
Guelfo! es war eine bluͤhende Zeit — ich kann
itzt nichts, als mein Herz nach und nach aufrei-
ben, und haſſen mich und alles. Fuͤr mich iſt
Natur und Leben todt, weil man mir den Sinn
dafuͤr unfreundlich toͤdtete. Jn meinem Leben
moͤcht’ ich mich an Einem raͤchen, mich dann in
mein Kiſſen huͤllen, und mit Wolluſt ſterben.
(Sieht durchs Fenſter) Dort koͤmmt eine Chaiſe
her!
Guelfo. Es wird der Doctor Galbo ſeyn,
ich ließ ihn rufen.
Grimaldi. Haſt Du noch nichts entdeckt?
— Adjeu, Ritter Guelfo! Der traurige Mantel
der Melancholie hat ſich um mich geſchlungen, ich
will weinen. Adjeu! Gib mir Deine Hand!
Adjeu!
Guelfo.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/18 |
| Zitationshilfe: | Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/18>, abgerufen am 21.11.2024. |
