Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Alter Guelfo. Ruh aus, mein Sohn, Du
überläßt Dich zu sehr dem Gefühl! Ruh aus!
Kamilla. Jch zählte alle Stunden, fragte
jeden Augenblick: Wie weit sind wir noch, Fer-
dinando? so begierig war ich, den alten Guelfo
wieder einmal zu sehen, und meines Ferdinandos
Mutter. Und Ferdinando war gütig, erzählte
mir viel von Jhnen, von der herrlichen Gegend,
und alles find ich so. Es ist ein lieblicher Sitz,
sagt' er, beim Vater. Und gewiß ists ein liebli-
cher Sitz. Eine Gegend, so schön, als eine in
Jtalien. O so die Tiber hinunter zu sehen, von
der Sonne vergüldet, den süssen Gesang der Vö-
gel -- und den Guelfo, die Mutter, meinen
Ferdinando -- Guelfo, wir wollen der Liebe
und Freude leben!
(küßt der Alten Hände, Ama-
lia küßt sie.)
Alter Guelfo. Sie machen mich mein Al-
ter vergessen. Alles vergnügt, verjüngt mich,
was ich seh' und höre. Jhr Kinder bestürmt des
alten Guelfos Herz mit zu viel Liebe; er ist ihrer
so wenig gewohnt, daß es ihm Traum scheint.
Zwar, wenn Ferdinando da ist, da leb ich immer
so im Taumel; denn Ferdinando weiß mit Liebe
des Alten Herz warm zu halten. Ferdinando!
Ferdinando! Gepriesen sey Gott, daß ich Dich
wie-
Alter Guelfo. Ruh aus, mein Sohn, Du
uͤberlaͤßt Dich zu ſehr dem Gefuͤhl! Ruh aus!
Kamilla. Jch zaͤhlte alle Stunden, fragte
jeden Augenblick: Wie weit ſind wir noch, Fer-
dinando? ſo begierig war ich, den alten Guelfo
wieder einmal zu ſehen, und meines Ferdinandos
Mutter. Und Ferdinando war guͤtig, erzaͤhlte
mir viel von Jhnen, von der herrlichen Gegend,
und alles find ich ſo. Es iſt ein lieblicher Sitz,
ſagt’ er, beim Vater. Und gewiß iſts ein liebli-
cher Sitz. Eine Gegend, ſo ſchoͤn, als eine in
Jtalien. O ſo die Tiber hinunter zu ſehen, von
der Sonne verguͤldet, den ſuͤſſen Geſang der Voͤ-
gel — und den Guelfo, die Mutter, meinen
Ferdinando — Guelfo, wir wollen der Liebe
und Freude leben!
(kuͤßt der Alten Haͤnde, Ama-
lia kuͤßt ſie.)
Alter Guelfo. Sie machen mich mein Al-
ter vergeſſen. Alles vergnuͤgt, verjuͤngt mich,
was ich ſeh’ und hoͤre. Jhr Kinder beſtuͤrmt des
alten Guelfos Herz mit zu viel Liebe; er iſt ihrer
ſo wenig gewohnt, daß es ihm Traum ſcheint.
Zwar, wenn Ferdinando da iſt, da leb ich immer
ſo im Taumel; denn Ferdinando weiß mit Liebe
des Alten Herz warm zu halten. Ferdinando!
Ferdinando! Geprieſen ſey Gott, daß ich Dich
wie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0053" n="47"/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Alter Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Ruh aus, mein Sohn, Du<lb/>
u&#x0364;berla&#x0364;ßt Dich zu &#x017F;ehr dem Gefu&#x0364;hl! Ruh aus!</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Kamilla.</hi> </speaker>
              <p>Jch za&#x0364;hlte alle Stunden, fragte<lb/>
jeden Augenblick: Wie weit &#x017F;ind wir noch, Fer-<lb/>
dinando? &#x017F;o begierig war ich, den alten Guelfo<lb/>
wieder einmal zu &#x017F;ehen, und meines Ferdinandos<lb/>
Mutter. Und Ferdinando war gu&#x0364;tig, erza&#x0364;hlte<lb/>
mir viel von Jhnen, von der herrlichen Gegend,<lb/>
und alles find ich &#x017F;o. Es i&#x017F;t ein lieblicher Sitz,<lb/>
&#x017F;agt&#x2019; er, beim Vater. Und gewiß i&#x017F;ts ein liebli-<lb/>
cher Sitz. Eine Gegend, &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n, als eine in<lb/>
Jtalien. O &#x017F;o die Tiber hinunter zu &#x017F;ehen, von<lb/>
der Sonne vergu&#x0364;ldet, den &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;ang der Vo&#x0364;-<lb/>
gel &#x2014; und den Guelfo, die Mutter, meinen<lb/>
Ferdinando &#x2014; Guelfo, wir wollen der Liebe<lb/>
und Freude leben!</p>
              <stage>(ku&#x0364;ßt der Alten Ha&#x0364;nde, Ama-<lb/>
lia ku&#x0364;ßt &#x017F;ie.)</stage>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker> <hi rendition="#fr">Alter Guelfo.</hi> </speaker>
              <p>Sie machen mich mein Al-<lb/>
ter verge&#x017F;&#x017F;en. Alles vergnu&#x0364;gt, verju&#x0364;ngt mich,<lb/>
was ich &#x017F;eh&#x2019; und ho&#x0364;re. Jhr Kinder be&#x017F;tu&#x0364;rmt des<lb/>
alten Guelfos Herz mit zu viel Liebe; er i&#x017F;t ihrer<lb/>
&#x017F;o wenig gewohnt, daß es ihm Traum &#x017F;cheint.<lb/>
Zwar, wenn Ferdinando da i&#x017F;t, da leb ich immer<lb/>
&#x017F;o im Taumel; denn Ferdinando weiß mit Liebe<lb/>
des Alten Herz warm zu halten. Ferdinando!<lb/>
Ferdinando! Geprie&#x017F;en &#x017F;ey Gott, daß ich Dich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wie-</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0053] Alter Guelfo. Ruh aus, mein Sohn, Du uͤberlaͤßt Dich zu ſehr dem Gefuͤhl! Ruh aus! Kamilla. Jch zaͤhlte alle Stunden, fragte jeden Augenblick: Wie weit ſind wir noch, Fer- dinando? ſo begierig war ich, den alten Guelfo wieder einmal zu ſehen, und meines Ferdinandos Mutter. Und Ferdinando war guͤtig, erzaͤhlte mir viel von Jhnen, von der herrlichen Gegend, und alles find ich ſo. Es iſt ein lieblicher Sitz, ſagt’ er, beim Vater. Und gewiß iſts ein liebli- cher Sitz. Eine Gegend, ſo ſchoͤn, als eine in Jtalien. O ſo die Tiber hinunter zu ſehen, von der Sonne verguͤldet, den ſuͤſſen Geſang der Voͤ- gel — und den Guelfo, die Mutter, meinen Ferdinando — Guelfo, wir wollen der Liebe und Freude leben! (kuͤßt der Alten Haͤnde, Ama- lia kuͤßt ſie.) Alter Guelfo. Sie machen mich mein Al- ter vergeſſen. Alles vergnuͤgt, verjuͤngt mich, was ich ſeh’ und hoͤre. Jhr Kinder beſtuͤrmt des alten Guelfos Herz mit zu viel Liebe; er iſt ihrer ſo wenig gewohnt, daß es ihm Traum ſcheint. Zwar, wenn Ferdinando da iſt, da leb ich immer ſo im Taumel; denn Ferdinando weiß mit Liebe des Alten Herz warm zu halten. Ferdinando! Ferdinando! Geprieſen ſey Gott, daß ich Dich wie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/53
Zitationshilfe: Klinger, Friedrich Maximilian von: Die Zwillinge. Hannover, 1796, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klinger_zwillinge_1796/53>, abgerufen am 15.05.2024.