Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
pflichtesten Worten/ und wurden also die vertrau-
testen Freunde. Welches recht wunderlich zu se-
hen war/ daß zwey verbitterte Hertzen/ deren ieden
des andern Tod suchte/ gleichsam im Augenblicke
einander küßten/ und sich zu genauster Freund-
schafft verbunden. Nachdem sich nun diese
neue Hertzens-Freunde sattsam umarmet hatten/
foderte Xemin eine Gelübde von meinem Prin-
tzen/ der Princeßin von Savady auf ewig zu ver-
gessen/ auch sich nimmermehr um ihre Liebe zu
bewerben/ welches denn mein Printz mit willi-
gem Hertzen eingieng/ und es aufs höchste betheu-
erte/ sie nimmermehr zu lieben. Und hiemit
nahmen sie Abschied von einander. Wir ver-
fügten uns alsobald wieder nach unserm Pallast/
allda überlegte mein Printz allererst die wunderli-
chen Zufälle/ welche er innerhalb etlicher Stun-
den gehabt. Jndem ich ihn zugleich etlicher
massen entkleidete/ vermißte er seiner Fräulein
Schwester/ der Higvanama/ Bildniß/ welches sie
ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben/ und er
stets am Halse zu tragen pflegte. Hierüber be-
kümmerte sich mein Printz nicht wenig/ bevoraus/
weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeich-
net stund: zu stetem Andencken ihrem werthsten
Bruder/ Balacin/ Printzen von Ava. Higva-
nama. Welches/ daß es ihn verrathenwürde/ er
nicht unbillig besorgete. Die Vergnügung aber/
welche er über Erkäntniß seiner von den Göttern
vorgezeigten Princeßin empfand/ hieß ihn dieses

Kum-

Erſtes Buch.
pflichteſten Worten/ und wurden alſo die vertrau-
teſten Freunde. Welches recht wunderlich zu ſe-
hen war/ daß zwey verbitterte Hertzen/ deren ieden
des andern Tod ſuchte/ gleichſam im Augenblicke
einander kuͤßten/ und ſich zu genauſter Freund-
ſchafft verbunden. Nachdem ſich nun dieſe
neue Hertzens-Freunde ſattſam umarmet hatten/
foderte Xemin eine Geluͤbde von meinem Prin-
tzen/ der Princeßin von Savady auf ewig zu ver-
geſſen/ auch ſich nimmermehr um ihre Liebe zu
bewerben/ welches denn mein Printz mit willi-
gem Hertzen eingieng/ und es aufs hoͤchſte betheu-
erte/ ſie nimmermehr zu lieben. Und hiemit
nahmen ſie Abſchied von einander. Wir ver-
fuͤgten uns alſobald wieder nach unſerm Pallaſt/
allda uͤberlegte mein Printz allererſt die wunderli-
chen Zufaͤlle/ welche er innerhalb etlicher Stun-
den gehabt. Jndem ich ihn zugleich etlicher
maſſen entkleidete/ vermißte er ſeiner Fraͤulein
Schweſter/ der Higvanama/ Bildniß/ welches ſie
ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben/ und er
ſtets am Halſe zu tragen pflegte. Hieruͤber be-
kuͤmmerte ſich mein Printz nicht wenig/ bevoraus/
weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeich-
net ſtund: zu ſtetem Andencken ihrem werthſten
Bruder/ Balacin/ Printzen von Ava. Higva-
nama. Welches/ daß es ihn verrathenwuͤrde/ er
nicht unbillig beſorgete. Die Vergnuͤgung aber/
welche er uͤber Erkaͤntniß ſeiner von den Goͤttern
vorgezeigten Princeßin empfand/ hieß ihn dieſes

Kum-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0223" n="203"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
pflichte&#x017F;ten Worten/ und wurden al&#x017F;o die vertrau-<lb/>
te&#x017F;ten Freunde. Welches recht wunderlich zu &#x017F;e-<lb/>
hen war/ daß zwey verbitterte Hertzen/ deren ieden<lb/>
des andern Tod &#x017F;uchte/ gleich&#x017F;am im Augenblicke<lb/>
einander ku&#x0364;ßten/ und &#x017F;ich zu genau&#x017F;ter Freund-<lb/>
&#x017F;chafft verbunden. Nachdem &#x017F;ich nun die&#x017F;e<lb/>
neue Hertzens-Freunde &#x017F;att&#x017F;am umarmet hatten/<lb/>
foderte Xemin eine Gelu&#x0364;bde von meinem Prin-<lb/>
tzen/ der Princeßin von Savady auf ewig zu ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en/ auch &#x017F;ich nimmermehr um ihre Liebe zu<lb/>
bewerben/ welches denn mein Printz mit willi-<lb/>
gem Hertzen eingieng/ und es aufs ho&#x0364;ch&#x017F;te betheu-<lb/>
erte/ &#x017F;ie nimmermehr zu lieben. Und hiemit<lb/>
nahmen &#x017F;ie Ab&#x017F;chied von einander. Wir ver-<lb/>
fu&#x0364;gten uns al&#x017F;obald wieder nach un&#x017F;erm Palla&#x017F;t/<lb/>
allda u&#x0364;berlegte mein Printz allerer&#x017F;t die wunderli-<lb/>
chen Zufa&#x0364;lle/ welche er innerhalb etlicher Stun-<lb/>
den gehabt. Jndem ich ihn zugleich etlicher<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en entkleidete/ vermißte er &#x017F;einer Fra&#x0364;ulein<lb/>
Schwe&#x017F;ter/ der Higvanama/ Bildniß/ welches &#x017F;ie<lb/>
ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben/ und er<lb/>
&#x017F;tets am Hal&#x017F;e zu tragen pflegte. Hieru&#x0364;ber be-<lb/>
ku&#x0364;mmerte &#x017F;ich mein Printz nicht wenig/ bevoraus/<lb/>
weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeich-<lb/>
net &#x017F;tund: zu &#x017F;tetem Andencken ihrem werth&#x017F;ten<lb/>
Bruder/ Balacin/ Printzen von Ava. Higva-<lb/>
nama. Welches/ daß es ihn verrathenwu&#x0364;rde/ er<lb/>
nicht unbillig be&#x017F;orgete. Die Vergnu&#x0364;gung aber/<lb/>
welche er u&#x0364;ber Erka&#x0364;ntniß &#x017F;einer von den Go&#x0364;ttern<lb/>
vorgezeigten Princeßin empfand/ hieß ihn die&#x017F;es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kum-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0223] Erſtes Buch. pflichteſten Worten/ und wurden alſo die vertrau- teſten Freunde. Welches recht wunderlich zu ſe- hen war/ daß zwey verbitterte Hertzen/ deren ieden des andern Tod ſuchte/ gleichſam im Augenblicke einander kuͤßten/ und ſich zu genauſter Freund- ſchafft verbunden. Nachdem ſich nun dieſe neue Hertzens-Freunde ſattſam umarmet hatten/ foderte Xemin eine Geluͤbde von meinem Prin- tzen/ der Princeßin von Savady auf ewig zu ver- geſſen/ auch ſich nimmermehr um ihre Liebe zu bewerben/ welches denn mein Printz mit willi- gem Hertzen eingieng/ und es aufs hoͤchſte betheu- erte/ ſie nimmermehr zu lieben. Und hiemit nahmen ſie Abſchied von einander. Wir ver- fuͤgten uns alſobald wieder nach unſerm Pallaſt/ allda uͤberlegte mein Printz allererſt die wunderli- chen Zufaͤlle/ welche er innerhalb etlicher Stun- den gehabt. Jndem ich ihn zugleich etlicher maſſen entkleidete/ vermißte er ſeiner Fraͤulein Schweſter/ der Higvanama/ Bildniß/ welches ſie ihm bereits vor etlichen Jahren gegeben/ und er ſtets am Halſe zu tragen pflegte. Hieruͤber be- kuͤmmerte ſich mein Printz nicht wenig/ bevoraus/ weil hinter der kleinen Platte des Bildes gezeich- net ſtund: zu ſtetem Andencken ihrem werthſten Bruder/ Balacin/ Printzen von Ava. Higva- nama. Welches/ daß es ihn verrathenwuͤrde/ er nicht unbillig beſorgete. Die Vergnuͤgung aber/ welche er uͤber Erkaͤntniß ſeiner von den Goͤttern vorgezeigten Princeßin empfand/ hieß ihn dieſes Kum-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Zum Zeitpunkt der Volltextdigitalisierung im Deut… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/223
Zitationshilfe: Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von: Asiatische Banise. 2. Aufl. Leipzig, 1700, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kliphausen_helikon_1689/223>, abgerufen am 24.11.2024.