Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

wol auf der einen, als auf der andern Seite erklärt
werden können. Aber wenn man ein wenig ge-
nauer darüber nachdenkt, so ist es immer Eine,
die dem Begriffe am gemässesten ist. Manchmal
wird hier die Wahl dadurch schwer, daß die mit
diesen Ableitungssylben verbundnen Stamsylben
vordem auch Bedeutungen müssen gehabt haben,
die wir nicht mehr kennen. So wird man z. E.
wol so leicht nicht heraus brin-gen, warum ver mit
stehen in verstehn
zusammengesezt ist.



Vierter Morgen.

Die gemischte Zunft sucht es dahin zu bringen, daß
das vorgeschlagne neue Gesez nicht durchgehe;
es wird aber dieser Bemühungen ungeachtet
eingeführt.

Einige Sachen thaten die Aldermänner nach
den Aufträgen, welche sie von den Zünf-
ten und dem Volke dazu hatten, kurz ab.
Heute solte wieder ein Lehrgebäude verbrant
werden; aber selbst der Nachtwächter, den die
Reihe des Anzündens traf, war so aufmerk-
sam auf das, was sonst vorging, daß er mit
ofnem Maule, und verloschner Fackel, bey dem
Lehrgebäude stehn blieb. Der Anwald der ge-
mischten Zunft war in den halben Kreis ge-

kom-
R 3

wol auf der einen, als auf der andern Seite erklaͤrt
werden koͤnnen. Aber wenn man ein wenig ge-
nauer daruͤber nachdenkt, ſo iſt es immer Eine,
die dem Begriffe am gemaͤſſeſten iſt. Manchmal
wird hier die Wahl dadurch ſchwer, daß die mit
dieſen Ableitungsſylben verbundnen Stamſylben
vordem auch Bedeutungen muͤſſen gehabt haben,
die wir nicht mehr kennen. So wird man z. E.
wol ſo leicht nicht heraus brin-gen, warum ver mit
ſtehen in verſtehn
zuſammengeſezt iſt.



Vierter Morgen.

Die gemiſchte Zunft ſucht es dahin zu bringen, daß
das vorgeſchlagne neue Geſez nicht durchgehe;
es wird aber dieſer Bemuͤhungen ungeachtet
eingefuͤhrt.

Einige Sachen thaten die Aldermaͤnner nach
den Auftraͤgen, welche ſie von den Zuͤnf-
ten und dem Volke dazu hatten, kurz ab.
Heute ſolte wieder ein Lehrgebaͤude verbrant
werden; aber ſelbſt der Nachtwaͤchter, den die
Reihe des Anzuͤndens traf, war ſo aufmerk-
ſam auf das, was ſonſt vorging, daß er mit
ofnem Maule, und verloſchner Fackel, bey dem
Lehrgebaͤude ſtehn blieb. Der Anwald der ge-
miſchten Zunft war in den halben Kreis ge-

kom-
R 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0337" n="261"/>
wol auf der einen, als auf der andern Seite erkla&#x0364;rt<lb/>
werden ko&#x0364;nnen. Aber wenn man ein wenig ge-<lb/>
nauer daru&#x0364;ber nachdenkt, &#x017F;o i&#x017F;t es immer Eine,<lb/>
die dem Begriffe am gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten i&#x017F;t. Manchmal<lb/>
wird hier die Wahl dadurch &#x017F;chwer, daß die mit<lb/>
die&#x017F;en Ableitungs&#x017F;ylben verbundnen Stam&#x017F;ylben<lb/>
vordem auch Bedeutungen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en gehabt haben,<lb/>
die wir nicht mehr kennen. So wird man z. E.<lb/>
wol &#x017F;o leicht nicht heraus brin-gen, warum <hi rendition="#fr">ver mit<lb/>
&#x017F;tehen in ver&#x017F;tehn</hi> zu&#x017F;ammenge&#x017F;ezt i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Vierter Morgen.</hi> </head><lb/>
          <argument>
            <p>Die gemi&#x017F;chte Zunft &#x017F;ucht es dahin zu bringen, daß<lb/>
das vorge&#x017F;chlagne neue Ge&#x017F;ez nicht durchgehe;<lb/>
es wird aber die&#x017F;er Bemu&#x0364;hungen ungeachtet<lb/>
eingefu&#x0364;hrt.</p>
          </argument><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>inige Sachen thaten die Alderma&#x0364;nner nach<lb/>
den Auftra&#x0364;gen, welche &#x017F;ie von den Zu&#x0364;nf-<lb/>
ten und dem Volke dazu hatten, kurz ab.<lb/>
Heute &#x017F;olte wieder ein Lehrgeba&#x0364;ude verbrant<lb/>
werden; aber &#x017F;elb&#x017F;t der Nachtwa&#x0364;chter, den die<lb/>
Reihe des Anzu&#x0364;ndens traf, war &#x017F;o aufmerk-<lb/>
&#x017F;am auf das, was &#x017F;on&#x017F;t vorging, daß er mit<lb/>
ofnem Maule, und verlo&#x017F;chner Fackel, bey dem<lb/>
Lehrgeba&#x0364;ude &#x017F;tehn blieb. Der Anwald der ge-<lb/>
mi&#x017F;chten Zunft war in den halben Kreis ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R 3</fw><fw place="bottom" type="catch">kom-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0337] wol auf der einen, als auf der andern Seite erklaͤrt werden koͤnnen. Aber wenn man ein wenig ge- nauer daruͤber nachdenkt, ſo iſt es immer Eine, die dem Begriffe am gemaͤſſeſten iſt. Manchmal wird hier die Wahl dadurch ſchwer, daß die mit dieſen Ableitungsſylben verbundnen Stamſylben vordem auch Bedeutungen muͤſſen gehabt haben, die wir nicht mehr kennen. So wird man z. E. wol ſo leicht nicht heraus brin-gen, warum ver mit ſtehen in verſtehn zuſammengeſezt iſt. Vierter Morgen. Die gemiſchte Zunft ſucht es dahin zu bringen, daß das vorgeſchlagne neue Geſez nicht durchgehe; es wird aber dieſer Bemuͤhungen ungeachtet eingefuͤhrt. Einige Sachen thaten die Aldermaͤnner nach den Auftraͤgen, welche ſie von den Zuͤnf- ten und dem Volke dazu hatten, kurz ab. Heute ſolte wieder ein Lehrgebaͤude verbrant werden; aber ſelbſt der Nachtwaͤchter, den die Reihe des Anzuͤndens traf, war ſo aufmerk- ſam auf das, was ſonſt vorging, daß er mit ofnem Maule, und verloſchner Fackel, bey dem Lehrgebaͤude ſtehn blieb. Der Anwald der ge- miſchten Zunft war in den halben Kreis ge- kom- R 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/337
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/337>, abgerufen am 22.11.2024.