denn nun gleich? in einer grossen, grossen Stadt! Die Aldermänner hätten ihn gewiß nicht ausreden lassen, wenn sie der Ablesungen des Anklägers, ob dieser es gleich, nach Be- schaffenheit der Sache, sehr kurz machte, nicht wären müde gewesen. Hätten wir durch deine Aufrichtigkeit, sagte der Aldermann, auch nur das geringste uns unbekante von euren Eigen- schaften, und eurer Denkungsart erfahren; so wolten wir es ungestraft hingehn lassen, was du nun da so gesagt hast. Weil das aber nicht ist; so must du denn doch etwas bestraft werden. Jch ernenne dich also hiermit auf drey Tage zum Schreyer.
Aber das Urtheil konte nicht vollzogen wer- den. Denn der Pöbel wolt ihn schlechterdings nicht für sein Oberhaupt erkennen, weil er sie mit Schafen verglichen hatte. Darüber wischte er hernach auch seiner Ausrufe halben ohne Strafe durch. Denn der Hohnlacher dünkte sich zu vornehm dazu, sich einen Mann vor- führen zu lassen, den der Pöbel nicht hätte zum Schreyer haben wollen. Von denen, die nicht erschienen waren, wurde besonders einer auf- gesucht. Selbst die Nachtwächter waren bey der Aufsuchung beschäftigt, und freuten sich nicht wenig darauf, bey diesem Anlasse ihre Hörner hören zu lassen. Der Mann, den man
suchte,
denn nun gleich? in einer groſſen, groſſen Stadt! Die Aldermaͤnner haͤtten ihn gewiß nicht ausreden laſſen, wenn ſie der Ableſungen des Anklaͤgers, ob dieſer es gleich, nach Be- ſchaffenheit der Sache, ſehr kurz machte, nicht waͤren muͤde geweſen. Haͤtten wir durch deine Aufrichtigkeit, ſagte der Aldermann, auch nur das geringſte uns unbekante von euren Eigen- ſchaften, und eurer Denkungsart erfahren; ſo wolten wir es ungeſtraft hingehn laſſen, was du nun da ſo geſagt haſt. Weil das aber nicht iſt; ſo muſt du denn doch etwas beſtraft werden. Jch ernenne dich alſo hiermit auf drey Tage zum Schreyer.
Aber das Urtheil konte nicht vollzogen wer- den. Denn der Poͤbel wolt ihn ſchlechterdings nicht fuͤr ſein Oberhaupt erkennen, weil er ſie mit Schafen verglichen hatte. Daruͤber wiſchte er hernach auch ſeiner Ausrufe halben ohne Strafe durch. Denn der Hohnlacher duͤnkte ſich zu vornehm dazu, ſich einen Mann vor- fuͤhren zu laſſen, den der Poͤbel nicht haͤtte zum Schreyer haben wollen. Von denen, die nicht erſchienen waren, wurde beſonders einer auf- geſucht. Selbſt die Nachtwaͤchter waren bey der Aufſuchung beſchaͤftigt, und freuten ſich nicht wenig darauf, bey dieſem Anlaſſe ihre Hoͤrner hoͤren zu laſſen. Der Mann, den man
ſuchte,
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denn nun gleich? in einer groſſen, groſſen
Stadt! Die Aldermaͤnner haͤtten ihn gewiß
nicht ausreden laſſen, wenn ſie der Ableſungen
des Anklaͤgers, ob dieſer es gleich, nach Be-
ſchaffenheit der Sache, ſehr kurz machte, nicht
waͤren muͤde geweſen. Haͤtten wir durch deine
Aufrichtigkeit, ſagte der Aldermann, auch nur
das geringſte uns unbekante von euren Eigen-
ſchaften, und eurer Denkungsart erfahren;
ſo wolten wir es ungeſtraft hingehn laſſen,
was du nun da ſo geſagt haſt. Weil das aber
nicht iſt; ſo muſt du denn doch etwas beſtraft
werden. Jch ernenne dich alſo hiermit auf
drey Tage zum Schreyer.
Aber das Urtheil konte nicht vollzogen wer-
den. Denn der Poͤbel wolt ihn ſchlechterdings
nicht fuͤr ſein Oberhaupt erkennen, weil er ſie
mit Schafen verglichen hatte. Daruͤber wiſchte
er hernach auch ſeiner Ausrufe halben ohne
Strafe durch. Denn der Hohnlacher duͤnkte
ſich zu vornehm dazu, ſich einen Mann vor-
fuͤhren zu laſſen, den der Poͤbel nicht haͤtte zum
Schreyer haben wollen. Von denen, die nicht
erſchienen waren, wurde beſonders einer auf-
geſucht. Selbſt die Nachtwaͤchter waren bey
der Aufſuchung beſchaͤftigt, und freuten ſich
nicht wenig darauf, bey dieſem Anlaſſe ihre
Hoͤrner hoͤren zu laſſen. Der Mann, den man
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/362>, abgerufen am 22.11.2024.
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