Dieß war der Ton, in welchem er, nicht unsre deutschdenkenden Jünglinge, denn die liessen so etwas nicht an sich kommen, sondern unsre junge Brut, nicht ohne mancherley Ge- behrdung und Handgaukeley, unterrichtete. Da er eben einmal eine solche Lehrstunde hielt, fügte es sich, daß ein Nachtwächter, weil er ein so gar grosses Geschrey hörte, endlich stehn blieb. Der Mann wuste anfangs gar nicht, woran er war. Denn ob er gleich das, was gesagt wurde, recht gut verstand, so glaubte er doch lange Zeit, er irte sich. Denn er konte sich nicht vorstellen, daß das wirklich die Mei- nung wäre, was er nur aus Unerfahrenheit und Gutherzigkeit nicht dafür hielt. Er brachte eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver- wundrung zu. Als er aber endlich einsah, daß er von Anfang an alles recht verstanden hätte; so drängte er sich auf Einmal, und mit Unge- stüme durch die Zuhörer, faste den Redner bey der Schulter, und sagte: Hör er einmal, Freund! alles, was er da gesagt hat, ist schnurstraks wider unsre Geseze. Wir ver- bieten Geschwäz, wie er da, als eine so herliche Sache, einschärft, bey harter Strafe. Und wider dieses Verbot will er selbst zu der Zeit, da die Landgemeine beysammen ist, unsre jun- gen Leute aufwiegeln? Was regt er sich noch
viel?
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Dieß war der Ton, in welchem er, nicht unſre deutſchdenkenden Juͤnglinge, denn die lieſſen ſo etwas nicht an ſich kommen, ſondern unſre junge Brut, nicht ohne mancherley Ge- behrdung und Handgaukeley, unterrichtete. Da er eben einmal eine ſolche Lehrſtunde hielt, fuͤgte es ſich, daß ein Nachtwaͤchter, weil er ein ſo gar groſſes Geſchrey hoͤrte, endlich ſtehn blieb. Der Mann wuſte anfangs gar nicht, woran er war. Denn ob er gleich das, was geſagt wurde, recht gut verſtand, ſo glaubte er doch lange Zeit, er irte ſich. Denn er konte ſich nicht vorſtellen, daß das wirklich die Mei- nung waͤre, was er nur aus Unerfahrenheit und Gutherzigkeit nicht dafuͤr hielt. Er brachte eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver- wundrung zu. Als er aber endlich einſah, daß er von Anfang an alles recht verſtanden haͤtte; ſo draͤngte er ſich auf Einmal, und mit Unge- ſtuͤme durch die Zuhoͤrer, faſte den Redner bey der Schulter, und ſagte: Hoͤr er einmal, Freund! alles, was er da geſagt hat, iſt ſchnurſtraks wider unſre Geſeze. Wir ver- bieten Geſchwaͤz, wie er da, als eine ſo herliche Sache, einſchaͤrft, bey harter Strafe. Und wider dieſes Verbot will er ſelbſt zu der Zeit, da die Landgemeine beyſammen iſt, unſre jun- gen Leute aufwiegeln? Was regt er ſich noch
viel?
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Dieß war der Ton, in welchem er, nicht
unſre deutſchdenkenden Juͤnglinge, denn die
lieſſen ſo etwas nicht an ſich kommen, ſondern
unſre junge Brut, nicht ohne mancherley Ge-
behrdung und Handgaukeley, unterrichtete.
Da er eben einmal eine ſolche Lehrſtunde hielt,
fuͤgte es ſich, daß ein Nachtwaͤchter, weil er
ein ſo gar groſſes Geſchrey hoͤrte, endlich ſtehn
blieb. Der Mann wuſte anfangs gar nicht,
woran er war. Denn ob er gleich das, was
geſagt wurde, recht gut verſtand, ſo glaubte
er doch lange Zeit, er irte ſich. Denn er konte
ſich nicht vorſtellen, daß das wirklich die Mei-
nung waͤre, was er nur aus Unerfahrenheit
und Gutherzigkeit nicht dafuͤr hielt. Er brachte
eine ziemliche Zeit mit Angaffung und Ver-
wundrung zu. Als er aber endlich einſah, daß
er von Anfang an alles recht verſtanden haͤtte;
ſo draͤngte er ſich auf Einmal, und mit Unge-
ſtuͤme durch die Zuhoͤrer, faſte den Redner bey
der Schulter, und ſagte: Hoͤr er einmal,
Freund! alles, was er da geſagt hat, iſt
ſchnurſtraks wider unſre Geſeze. Wir ver-
bieten Geſchwaͤz, wie er da, als eine ſo herliche
Sache, einſchaͤrft, bey harter Strafe. Und
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/385>, abgerufen am 22.11.2024.
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