Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

lichen, das ist alles einerley, übrig geblieben
sind. Wir dulden ferner: Die Atheisten,
weil man (uns deucht dieß steht gar in der Bi-
bel) sich auch des Viehes erbarmen muß. Die
Gespenstergläubigen. Ahndungen, und wie
es sonst heist, gehören mit dazu. Diese Secte
lehrt, man könne von jeder andern Secte seyn,
selbst ein Atheist; nur müsse man, was den
Gespensterglauben anlange, keine Jrthümer,
noch viel weniger Zweifel hegen. Schlieslich
dulden wir auch: Die Socinian-Deisten*,
oder diejenigen, die den Socinianismus noch
mit zum Christenthume rechnen, und diesen
gern mit dem Deismus (man verstehe uns ja
recht, wir reden nicht von der allein reinen
Lehre, nämlich dem Semideismus) vereinigen
wollen. Die Socinian-Deisten haben einen
ziemlich harten Stand, indem sie die Secte
der Socinianer noch unter den christlichen an-
bringen wollen. Denn diese Secte muß sich
völlig darüber wegsezen, daß sie ihre Meinun-
gen auf keine andre Art erweisen kann, als
wenn sie die Bibel ganz anders erklärt, wie
man sonst ein Buch zu erklären pflegt, oder
auch ein Gespräch, einen Brief, einen Con-
tract, selbst ein Vermächtnis, ja so gar ein
Bündnis, so lange nämlich das Schwert noch
nicht wieder gezogen ist: denn ist es gezogen;

so
A a

lichen, das iſt alles einerley, uͤbrig geblieben
ſind. Wir dulden ferner: Die Atheiſten,
weil man (uns deucht dieß ſteht gar in der Bi-
bel) ſich auch des Viehes erbarmen muß. Die
Geſpenſterglaͤubigen. Ahndungen, und wie
es ſonſt heiſt, gehoͤren mit dazu. Dieſe Secte
lehrt, man koͤnne von jeder andern Secte ſeyn,
ſelbſt ein Atheiſt; nur muͤſſe man, was den
Geſpenſterglauben anlange, keine Jrthuͤmer,
noch viel weniger Zweifel hegen. Schlieslich
dulden wir auch: Die Socinian-Deiſten*,
oder diejenigen, die den Socinianismus noch
mit zum Chriſtenthume rechnen, und dieſen
gern mit dem Deismus (man verſtehe uns ja
recht, wir reden nicht von der allein reinen
Lehre, naͤmlich dem Semideismus) vereinigen
wollen. Die Socinian-Deiſten haben einen
ziemlich harten Stand, indem ſie die Secte
der Socinianer noch unter den chriſtlichen an-
bringen wollen. Denn dieſe Secte muß ſich
voͤllig daruͤber wegſezen, daß ſie ihre Meinun-
gen auf keine andre Art erweiſen kann, als
wenn ſie die Bibel ganz anders erklaͤrt, wie
man ſonſt ein Buch zu erklaͤren pflegt, oder
auch ein Geſpraͤch, einen Brief, einen Con-
tract, ſelbſt ein Vermaͤchtnis, ja ſo gar ein
Buͤndnis, ſo lange naͤmlich das Schwert noch
nicht wieder gezogen iſt: denn iſt es gezogen;

ſo
A a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0445" n="369"/>
lichen, das i&#x017F;t alles einerley, u&#x0364;brig geblieben<lb/>
&#x017F;ind. Wir dulden ferner: Die Athei&#x017F;ten,<lb/>
weil man (uns deucht dieß &#x017F;teht gar in der Bi-<lb/>
bel) &#x017F;ich auch des Viehes erbarmen muß. Die<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;tergla&#x0364;ubigen. Ahndungen, und wie<lb/>
es &#x017F;on&#x017F;t hei&#x017F;t, geho&#x0364;ren mit dazu. Die&#x017F;e Secte<lb/>
lehrt, man ko&#x0364;nne von jeder andern Secte &#x017F;eyn,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t ein Athei&#x017F;t; nur mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e man, was den<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;terglauben anlange, keine Jrthu&#x0364;mer,<lb/>
noch viel weniger Zweifel hegen. Schlieslich<lb/>
dulden wir auch: Die Socinian-Dei&#x017F;ten*,<lb/>
oder diejenigen, die den Socinianismus noch<lb/>
mit zum Chri&#x017F;tenthume rechnen, und die&#x017F;en<lb/>
gern mit dem Deismus (man ver&#x017F;tehe uns ja<lb/>
recht, wir reden nicht von der allein reinen<lb/>
Lehre, na&#x0364;mlich dem Semideismus) vereinigen<lb/>
wollen. Die Socinian-Dei&#x017F;ten haben einen<lb/>
ziemlich harten Stand, indem &#x017F;ie die Secte<lb/>
der Socinianer noch unter den chri&#x017F;tlichen an-<lb/>
bringen wollen. Denn die&#x017F;e Secte muß &#x017F;ich<lb/>
vo&#x0364;llig daru&#x0364;ber weg&#x017F;ezen, daß &#x017F;ie ihre Meinun-<lb/>
gen auf keine andre Art erwei&#x017F;en kann, als<lb/>
wenn &#x017F;ie die Bibel ganz anders erkla&#x0364;rt, wie<lb/>
man &#x017F;on&#x017F;t ein Buch zu erkla&#x0364;ren pflegt, oder<lb/>
auch ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch, einen Brief, einen Con-<lb/>
tract, &#x017F;elb&#x017F;t ein Verma&#x0364;chtnis, ja &#x017F;o gar ein<lb/>
Bu&#x0364;ndnis, &#x017F;o lange na&#x0364;mlich das Schwert noch<lb/>
nicht wieder gezogen i&#x017F;t: denn i&#x017F;t es gezogen;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0445] lichen, das iſt alles einerley, uͤbrig geblieben ſind. Wir dulden ferner: Die Atheiſten, weil man (uns deucht dieß ſteht gar in der Bi- bel) ſich auch des Viehes erbarmen muß. Die Geſpenſterglaͤubigen. Ahndungen, und wie es ſonſt heiſt, gehoͤren mit dazu. Dieſe Secte lehrt, man koͤnne von jeder andern Secte ſeyn, ſelbſt ein Atheiſt; nur muͤſſe man, was den Geſpenſterglauben anlange, keine Jrthuͤmer, noch viel weniger Zweifel hegen. Schlieslich dulden wir auch: Die Socinian-Deiſten*, oder diejenigen, die den Socinianismus noch mit zum Chriſtenthume rechnen, und dieſen gern mit dem Deismus (man verſtehe uns ja recht, wir reden nicht von der allein reinen Lehre, naͤmlich dem Semideismus) vereinigen wollen. Die Socinian-Deiſten haben einen ziemlich harten Stand, indem ſie die Secte der Socinianer noch unter den chriſtlichen an- bringen wollen. Denn dieſe Secte muß ſich voͤllig daruͤber wegſezen, daß ſie ihre Meinun- gen auf keine andre Art erweiſen kann, als wenn ſie die Bibel ganz anders erklaͤrt, wie man ſonſt ein Buch zu erklaͤren pflegt, oder auch ein Geſpraͤch, einen Brief, einen Con- tract, ſelbſt ein Vermaͤchtnis, ja ſo gar ein Buͤndnis, ſo lange naͤmlich das Schwert noch nicht wieder gezogen iſt: denn iſt es gezogen; ſo A a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/445
Zitationshilfe: Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/445>, abgerufen am 22.11.2024.