Sobald ein Unterzünfter schreibt, oder öf- fentlich lehrt, oder seine Wissenschaft im ge- meinen Leben anwendet; das heist, sobald er aus dem Bezirke hervortrit, in welchem alles, was er weiß, nur zur Nahrung oder auch zum Schmause seines eignen Geistes da ist; so komt er dadurch, nach der Beschaf- fenheit der Schriften, des Vortrags, der Anwendung, entweder unter das Volk, oder in eine Oberzunft, doch in dem lezten Falle so, daß er der Zunft, auf welcher er zuvor war, auch noch angehören kann. Ueber- haupt kann man bey uns zwey ja bisweilen drey Zünften angehören; man muß aber, wenn Landtag ist, die ganze Zeit über, auf der Zunft bleiben, die man für dasmal ge- wählt hat. Die Unterzünfte sind:
Die Zunft der Wisser, oder derer, wel- chen beynah alles Wissenswürdige bekant ist. Diese Zunft ist seit je her sehr klein ge- wesen.
Die Zunft der Kundigen, derer, die mehr als die Hälfte des Wissenswürdigen wissen.
Die Zunft der Drittler. Jhre Benen- nung zeigt ihre Beschaffenheit. Es ist eine überaus grosse Zunft.
Die
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Sobald ein Unterzuͤnfter ſchreibt, oder oͤf- fentlich lehrt, oder ſeine Wiſſenſchaft im ge- meinen Leben anwendet; das heiſt, ſobald er aus dem Bezirke hervortrit, in welchem alles, was er weiß, nur zur Nahrung oder auch zum Schmauſe ſeines eignen Geiſtes da iſt; ſo komt er dadurch, nach der Beſchaf- fenheit der Schriften, des Vortrags, der Anwendung, entweder unter das Volk, oder in eine Oberzunft, doch in dem lezten Falle ſo, daß er der Zunft, auf welcher er zuvor war, auch noch angehoͤren kann. Ueber- haupt kann man bey uns zwey ja bisweilen drey Zuͤnften angehoͤren; man muß aber, wenn Landtag iſt, die ganze Zeit uͤber, auf der Zunft bleiben, die man fuͤr dasmal ge- waͤhlt hat. Die Unterzuͤnfte ſind:
Die Zunft der Wiſſer, oder derer, wel- chen beynah alles Wiſſenswuͤrdige bekant iſt. Dieſe Zunft iſt ſeit je her ſehr klein ge- weſen.
Die Zunft der Kundigen, derer, die mehr als die Haͤlfte des Wiſſenswuͤrdigen wiſſen.
Die Zunft der Drittler. Jhre Benen- nung zeigt ihre Beſchaffenheit. Es iſt eine uͤberaus groſſe Zunft.
Die
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Sobald ein Unterzuͤnfter ſchreibt, oder oͤf-
fentlich lehrt, oder ſeine Wiſſenſchaft im ge-
meinen Leben anwendet; das heiſt, ſobald
er aus dem Bezirke hervortrit, in welchem
alles, was er weiß, nur zur Nahrung oder
auch zum Schmauſe ſeines eignen Geiſtes da
iſt; ſo komt er dadurch, nach der Beſchaf-
fenheit der Schriften, des Vortrags, der
Anwendung, entweder unter das Volk, oder
in eine Oberzunft, doch in dem lezten Falle
ſo, daß er der Zunft, auf welcher er zuvor
war, auch noch angehoͤren kann. Ueber-
haupt kann man bey uns zwey ja bisweilen
drey Zuͤnften angehoͤren; man muß aber,
wenn Landtag iſt, die ganze Zeit uͤber, auf
der Zunft bleiben, die man fuͤr dasmal ge-
waͤhlt hat. Die Unterzuͤnfte ſind:
Die Zunft der Wiſſer, oder derer, wel-
chen beynah alles Wiſſenswuͤrdige bekant
iſt. Dieſe Zunft iſt ſeit je her ſehr klein ge-
weſen.
Die Zunft der Kundigen, derer, die
mehr als die Haͤlfte des Wiſſenswuͤrdigen
wiſſen.
Die Zunft der Drittler. Jhre Benen-
nung zeigt ihre Beſchaffenheit. Es iſt eine
uͤberaus groſſe Zunft.
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Klopstock, Friedrich Gottlieb: Deutsche Gelehrtenrepublik. Hamburg, 1774, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_gelehrtenrepublik_1774/85>, abgerufen am 06.10.2024.
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