Hatt' ich vor demvon dem Jünger des Menschenfreundes! Du solltest Juda, von seinem Tode, durch schöne Wunder einst zeugen, Auch ein Märtyrer seyn! Die hohen Lieder auch hören, Die wir singen den Ueberwindern! So wärst du gestorben! Deine Seele, mit Lichte bekleidet, die hätte dein Freund dann, Bey der Hand im Triumphe daher zum Meßias geführet, Zu dem Ersten der Ueberwinder! Jch hätte von ferne Unter den goldenen Stülen der zwölf erwählten des Mittlers, Deinen erhabenen Stul dir gezeigt! Du wärst in Entzückung, Bey dem Anblick des glänzenden Stuls, und deß auf dem Throne, Ueberflossen! Jch hätte dich, Freund, ich hätte dich, Bruder, Ach, ich hätte mit süßer Stimme dich, Seraph, genennet! Mein Jschariot hätte mich dann im Geheimniß der Christen Unterrichtet: was er in seiner Seele da fühlte, Da der Geist der Propheten auf ihn vom Himmel herabkam, Da du den Muth, zu sterben, empfiengst; und vom Geiste gelehret, Betetest unaussprechliche Worte; nicht sündigen konntest, Weil dein Herz zu der Unschuld des Paradieses verjüngt war. Aber sie sind nun dahin der frommen Entzückung Gedanken! Wie ein lächelnder Frühling verblüht, wie die Blume des Lebens, Bald im hoffenden Jünglinge stirbt, vor der Reife der Jahre! Also sind sie vorübergegangen. Mein Jünger verläßt mich! Kurz noch eines Heiligen Schutzgelst|, wandl' ich itzt einsam Unter den Engeln, die um mich vor Wehmut verstummen. Gebiete, Großer Meßias! Soll ich mich von neuem zum Himmel erheben. Oder bin ich gewürdiget worden, dich sterben zu sehen? Jesus wandt auf den Seraph sein ernstes Antlitz, und sagte:
Simon
Vierter Geſang.
Hatt’ ich vor demvon dem Juͤnger des Menſchenfreundes! Du ſollteſt Juda, von ſeinem Tode, durch ſchoͤne Wunder einſt zeugen, Auch ein Maͤrtyrer ſeyn! Die hohen Lieder auch hoͤren, Die wir ſingen den Ueberwindern! So waͤrſt du geſtorben! Deine Seele, mit Lichte bekleidet, die haͤtte dein Freund dann, Bey der Hand im Triumphe daher zum Meßias gefuͤhret, Zu dem Erſten der Ueberwinder! Jch haͤtte von ferne Unter den goldenen Stuͤlen der zwoͤlf erwaͤhlten des Mittlers, Deinen erhabenen Stul dir gezeigt! Du waͤrſt in Entzuͤckung, Bey dem Anblick des glaͤnzenden Stuls, und deß auf dem Throne, Ueberfloſſen! Jch haͤtte dich, Freund, ich haͤtte dich, Bruder, Ach, ich haͤtte mit ſuͤßer Stimme dich, Seraph, genennet! Mein Jſchariot haͤtte mich dann im Geheimniß der Chriſten Unterrichtet: was er in ſeiner Seele da fuͤhlte, Da der Geiſt der Propheten auf ihn vom Himmel herabkam, Da du den Muth, zu ſterben, empfiengſt; und vom Geiſte gelehret, Beteteſt unausſprechliche Worte; nicht ſuͤndigen konnteſt, Weil dein Herz zu der Unſchuld des Paradieſes verjuͤngt war. Aber ſie ſind nun dahin der frommen Entzuͤckung Gedanken! Wie ein laͤchelnder Fruͤhling verbluͤht, wie die Blume des Lebens, Bald im hoffenden Juͤnglinge ſtirbt, vor der Reife der Jahre! Alſo ſind ſie voruͤbergegangen. Mein Juͤnger verlaͤßt mich! Kurz noch eines Heiligen Schutzgelſt|, wandl’ ich itzt einſam Unter den Engeln, die um mich vor Wehmut verſtummen. Gebiete, Großer Meßias! Soll ich mich von neuem zum Himmel erheben. Oder bin ich gewuͤrdiget worden, dich ſterben zu ſehen? Jeſus wandt auf den Seraph ſein ernſtes Antlitz, und ſagte:
Simon
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Vierter Geſang.
Hatt’ ich vor demvon dem Juͤnger des Menſchenfreundes! Du ſollteſt
Juda, von ſeinem Tode, durch ſchoͤne Wunder einſt zeugen,
Auch ein Maͤrtyrer ſeyn! Die hohen Lieder auch hoͤren,
Die wir ſingen den Ueberwindern! So waͤrſt du geſtorben!
Deine Seele, mit Lichte bekleidet, die haͤtte dein Freund dann,
Bey der Hand im Triumphe daher zum Meßias gefuͤhret,
Zu dem Erſten der Ueberwinder! Jch haͤtte von ferne
Unter den goldenen Stuͤlen der zwoͤlf erwaͤhlten des Mittlers,
Deinen erhabenen Stul dir gezeigt! Du waͤrſt in Entzuͤckung,
Bey dem Anblick des glaͤnzenden Stuls, und deß auf dem Throne,
Ueberfloſſen! Jch haͤtte dich, Freund, ich haͤtte dich, Bruder,
Ach, ich haͤtte mit ſuͤßer Stimme dich, Seraph, genennet!
Mein Jſchariot haͤtte mich dann im Geheimniß der Chriſten
Unterrichtet: was er in ſeiner Seele da fuͤhlte,
Da der Geiſt der Propheten auf ihn vom Himmel herabkam,
Da du den Muth, zu ſterben, empfiengſt; und vom Geiſte gelehret,
Beteteſt unausſprechliche Worte; nicht ſuͤndigen konnteſt,
Weil dein Herz zu der Unſchuld des Paradieſes verjuͤngt war.
Aber ſie ſind nun dahin der frommen Entzuͤckung Gedanken!
Wie ein laͤchelnder Fruͤhling verbluͤht, wie die Blume des Lebens,
Bald im hoffenden Juͤnglinge ſtirbt, vor der Reife der Jahre!
Alſo ſind ſie voruͤbergegangen. Mein Juͤnger verlaͤßt mich!
Kurz noch eines Heiligen Schutzgelſt|, wandl’ ich itzt einſam
Unter den Engeln, die um mich vor Wehmut verſtummen. Gebiete,
Großer Meßias! Soll ich mich von neuem zum Himmel erheben.
Oder bin ich gewuͤrdiget worden, dich ſterben zu ſehen?
Jeſus wandt auf den Seraph ſein ernſtes Antlitz, und ſagte:
Simon
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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/153>, abgerufen am 16.02.2025.
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