[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.
Also jammert er seitwärts gekehrt. Drauf stand er am Eingang Jn die Welten. Jhn schreckte der Glanz und geflügelte Donner Gegen ihn wandelnder Orionen. Er sahe die Welten Weil er sich stets, in sein Elend vertieft, in Einsamkeit einschloß, Seit Jahrhunderten nicht. Er stand betrachtend, und sagte: Seliger Eingang, o dürft ich durch dich in die Welten des Schöpfers Wiederkehren! Und niemals das Neich der dunkeln Verdammniß Wiederbetreten! Jhr Sonnen, unzählbare Kinder der Schöpfung, War ich nicht schon, da der Ewige rief, da ihr glänzend hervorgiengt, Heller als ihr, da ihr itzt aus der Hand des Schöpfers herabkamt? Nun steh ich da in meiner Verfinstrung, verworfen, ein Abscheu Dieser herrlichen Welt! Und ach, du seliger Himmel, Jtzo erbeb ich erst, da ich dich sehe! Dort ward ich ein Sünder! Dort stand ich wider den Ewigen auf. Du, unsterbliche Ruhe, Meine Gespielinn im Thale des Friedens, wo bist du geblieben? Ach, an deiner Statt läßt mir mein Richter ein traurig Erstaunen Kaum noch über sein Weltgebäu zu! O dürft ichs nur wagen, Ohne zu zittern, ihn Schöpfer zu nennen, wie willig und gerne Wollt ich alsdann den zärtlichen Vaternamen, entbehren, Mit dem ihn seine Getreuen, die Seraphim, kindlich nennen. O du Richter der Welt! dir darf ich Verlorner nicht flehen, Daß
Alſo jammert er ſeitwaͤrts gekehrt. Drauf ſtand er am Eingang Jn die Welten. Jhn ſchreckte der Glanz und gefluͤgelte Donner Gegen ihn wandelnder Orionen. Er ſahe die Welten Weil er ſich ſtets, in ſein Elend vertieft, in Einſamkeit einſchloß, Seit Jahrhunderten nicht. Er ſtand betrachtend, und ſagte: Seliger Eingang, o duͤrft ich durch dich in die Welten des Schoͤpfers Wiederkehren! Und niemals das Neich der dunkeln Verdammniß Wiederbetreten! Jhr Sonnen, unzaͤhlbare Kinder der Schoͤpfung, War ich nicht ſchon, da der Ewige rief, da ihr glaͤnzend hervorgiengt, Heller als ihr, da ihr itzt aus der Hand des Schoͤpfers herabkamt? Nun ſteh ich da in meiner Verfinſtrung, verworfen, ein Abſcheu Dieſer herrlichen Welt! Und ach, du ſeliger Himmel, Jtzo erbeb ich erſt, da ich dich ſehe! Dort ward ich ein Suͤnder! Dort ſtand ich wider den Ewigen auf. Du, unſterbliche Ruhe, Meine Geſpielinn im Thale des Friedens, wo biſt du geblieben? Ach, an deiner Statt laͤßt mir mein Richter ein traurig Erſtaunen Kaum noch uͤber ſein Weltgebaͤu zu! O duͤrft ichs nur wagen, Ohne zu zittern, ihn Schoͤpfer zu nennen, wie willig und gerne Wollt ich alsdann den zaͤrtlichen Vaternamen, entbehren, Mit dem ihn ſeine Getreuen, die Seraphim, kindlich nennen. O du Richter der Welt! dir darf ich Verlorner nicht flehen, Daß
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Zweyter Geſang.
Steige, wenn mich Gott ſchreckt, von deinen Bergen herunter.
Abdiel, mein Bruder, der iſt mir auf ewig geſtorben!
Alſo jammert er ſeitwaͤrts gekehrt. Drauf ſtand er am Eingang
Jn die Welten. Jhn ſchreckte der Glanz und gefluͤgelte Donner
Gegen ihn wandelnder Orionen. Er ſahe die Welten
Weil er ſich ſtets, in ſein Elend vertieft, in Einſamkeit einſchloß,
Seit Jahrhunderten nicht. Er ſtand betrachtend, und ſagte:
Seliger Eingang, o duͤrft ich durch dich in die Welten des Schoͤpfers
Wiederkehren! Und niemals das Neich der dunkeln Verdammniß
Wiederbetreten! Jhr Sonnen, unzaͤhlbare Kinder der Schoͤpfung,
War ich nicht ſchon, da der Ewige rief, da ihr glaͤnzend hervorgiengt,
Heller als ihr, da ihr itzt aus der Hand des Schoͤpfers herabkamt?
Nun ſteh ich da in meiner Verfinſtrung, verworfen, ein Abſcheu
Dieſer herrlichen Welt! Und ach, du ſeliger Himmel,
Jtzo erbeb ich erſt, da ich dich ſehe! Dort ward ich ein Suͤnder!
Dort ſtand ich wider den Ewigen auf. Du, unſterbliche Ruhe,
Meine Geſpielinn im Thale des Friedens, wo biſt du geblieben?
Ach, an deiner Statt laͤßt mir mein Richter ein traurig Erſtaunen
Kaum noch uͤber ſein Weltgebaͤu zu! O duͤrft ichs nur wagen,
Ohne zu zittern, ihn Schoͤpfer zu nennen, wie willig und gerne
Wollt ich alsdann den zaͤrtlichen Vaternamen, entbehren,
Mit dem ihn ſeine Getreuen, die Seraphim, kindlich nennen.
O du Richter der Welt! dir darf ich Verlorner nicht flehen,
Daß
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