Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.

Rief er im Hinabsehn, doch da wurde kein tödtendes Feuer.
Darum wandt er sich um, und floh in die Welten zurücke.
Jtzo stand er ermüdet auf einer erhabenen Sonne,
Schaute von da in die Tiefen hinab; da drängten Gestirne
Andre Gestirne, wie glühende Seen. Ein irrender Erdkreis
Näherte sich, schon dampft er, schon war sein Weltgericht nahe.
Auf den stürzte sich Abbadona, mit ihm zu vergehen:
Doch er vergieng nicht, und senkte, betäubt vom ewigen Kummer,
Wie ein gebeinvoller Berg, wo vormals Menschen sich würgten,
Jm Erdbeben versinkt, langsam zur Erde sich nieder.

Unterdeß war Satan nebst Adramelech der Erde
Auch schon näher gekommen. Sie giengen neben einander,
Jeder allein, und in sich gekehrt. Jtzt sahe den Erdkreis
Adramelech vor sich in ferner Dunkelheit liegen.
Das ist sie also, so sagt er bey sich, so drängten Gedanken
Andre Gedanken, wie Wogen des Meers, wie der Ocean drängte,
Als er von drey Welten dich, fernes Amerika, losriß;
Das ist sie also, die ich, so bald ich Satan entfernet,
Oder mich über ihn siegend vor allen verherrlichet habe,
Die ich alsdann, als Schöpfer des Bösen, allein beherrsche!
Aber warum nur sie? Warum nicht auch jene Gestirne,
Die zu lange schon selig, um mich, durch die Himmel daher gehn?
Ja, auch dort soll der Tod von einem Gestirne zum andern
Bis an die Gränze des Himmels vorm Antlitz des Ewigen tödten!
Dann
E

Zweyter Geſang.

Rief er im Hinabſehn, doch da wurde kein toͤdtendes Feuer.
Darum wandt er ſich um, und floh in die Welten zuruͤcke.
Jtzo ſtand er ermuͤdet auf einer erhabenen Sonne,
Schaute von da in die Tiefen hinab; da draͤngten Geſtirne
Andre Geſtirne, wie gluͤhende Seen. Ein irrender Erdkreis
Naͤherte ſich, ſchon dampft er, ſchon war ſein Weltgericht nahe.
Auf den ſtuͤrzte ſich Abbadona, mit ihm zu vergehen:
Doch er vergieng nicht, und ſenkte, betaͤubt vom ewigen Kummer,
Wie ein gebeinvoller Berg, wo vormals Menſchen ſich wuͤrgten,
Jm Erdbeben verſinkt, langſam zur Erde ſich nieder.

Unterdeß war Satan nebſt Adramelech der Erde
Auch ſchon naͤher gekommen. Sie giengen neben einander,
Jeder allein, und in ſich gekehrt. Jtzt ſahe den Erdkreis
Adramelech vor ſich in ferner Dunkelheit liegen.
Das iſt ſie alſo, ſo ſagt er bey ſich, ſo draͤngten Gedanken
Andre Gedanken, wie Wogen des Meers, wie der Ocean draͤngte,
Als er von drey Welten dich, fernes Amerika, losriß;
Das iſt ſie alſo, die ich, ſo bald ich Satan entfernet,
Oder mich uͤber ihn ſiegend vor allen verherrlichet habe,
Die ich alsdann, als Schoͤpfer des Boͤſen, allein beherrſche!
Aber warum nur ſie? Warum nicht auch jene Geſtirne,
Die zu lange ſchon ſelig, um mich, durch die Himmel daher gehn?
Ja, auch dort ſoll der Tod von einem Geſtirne zum andern
Bis an die Graͤnze des Himmels vorm Antlitz des Ewigen toͤdten!
Dann
E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="30">
              <l>
                <pb facs="#f0077" n="65"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Rief er im Hinab&#x017F;ehn, doch da wurde kein to&#x0364;dtendes Feuer.</l><lb/>
              <l>Darum wandt er &#x017F;ich um, und floh in die Welten zuru&#x0364;cke.</l><lb/>
              <l>Jtzo &#x017F;tand er ermu&#x0364;det auf einer erhabenen Sonne,</l><lb/>
              <l>Schaute von da in die Tiefen hinab; da dra&#x0364;ngten Ge&#x017F;tirne</l><lb/>
              <l>Andre Ge&#x017F;tirne, wie glu&#x0364;hende Seen. Ein irrender Erdkreis</l><lb/>
              <l>Na&#x0364;herte &#x017F;ich, &#x017F;chon dampft er, &#x017F;chon war &#x017F;ein Weltgericht nahe.</l><lb/>
              <l>Auf den &#x017F;tu&#x0364;rzte &#x017F;ich Abbadona, mit ihm zu vergehen:</l><lb/>
              <l>Doch er vergieng nicht, und &#x017F;enkte, beta&#x0364;ubt vom ewigen Kummer,</l><lb/>
              <l>Wie ein gebeinvoller Berg, wo vormals Men&#x017F;chen &#x017F;ich wu&#x0364;rgten,</l><lb/>
              <l>Jm Erdbeben ver&#x017F;inkt, lang&#x017F;am zur Erde &#x017F;ich nieder.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="31">
              <l>Unterdeß war Satan neb&#x017F;t Adramelech der Erde</l><lb/>
              <l>Auch &#x017F;chon na&#x0364;her gekommen. Sie giengen neben einander,</l><lb/>
              <l>Jeder allein, und in &#x017F;ich gekehrt. Jtzt &#x017F;ahe den Erdkreis</l><lb/>
              <l>Adramelech vor &#x017F;ich in ferner Dunkelheit liegen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="32">
              <l>Das i&#x017F;t &#x017F;ie al&#x017F;o, &#x017F;o &#x017F;agt er bey &#x017F;ich, &#x017F;o dra&#x0364;ngten Gedanken</l><lb/>
              <l>Andre Gedanken, wie Wogen des Meers, wie der Ocean dra&#x0364;ngte,</l><lb/>
              <l>Als er von drey Welten dich, fernes Amerika, losriß;</l><lb/>
              <l>Das i&#x017F;t &#x017F;ie al&#x017F;o, die ich, &#x017F;o bald ich Satan entfernet,</l><lb/>
              <l>Oder mich u&#x0364;ber ihn &#x017F;iegend vor allen verherrlichet habe,</l><lb/>
              <l>Die ich alsdann, als Scho&#x0364;pfer des Bo&#x0364;&#x017F;en, allein beherr&#x017F;che!</l><lb/>
              <l>Aber warum nur &#x017F;ie? Warum nicht auch jene Ge&#x017F;tirne,</l><lb/>
              <l>Die zu lange &#x017F;chon &#x017F;elig, um mich, durch die Himmel daher gehn?</l><lb/>
              <l>Ja, auch dort &#x017F;oll der Tod von einem Ge&#x017F;tirne zum andern</l><lb/>
              <l>Bis an die Gra&#x0364;nze des Himmels vorm Antlitz des Ewigen to&#x0364;dten!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E</fw><fw place="bottom" type="catch">Dann</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0077] Zweyter Geſang. Rief er im Hinabſehn, doch da wurde kein toͤdtendes Feuer. Darum wandt er ſich um, und floh in die Welten zuruͤcke. Jtzo ſtand er ermuͤdet auf einer erhabenen Sonne, Schaute von da in die Tiefen hinab; da draͤngten Geſtirne Andre Geſtirne, wie gluͤhende Seen. Ein irrender Erdkreis Naͤherte ſich, ſchon dampft er, ſchon war ſein Weltgericht nahe. Auf den ſtuͤrzte ſich Abbadona, mit ihm zu vergehen: Doch er vergieng nicht, und ſenkte, betaͤubt vom ewigen Kummer, Wie ein gebeinvoller Berg, wo vormals Menſchen ſich wuͤrgten, Jm Erdbeben verſinkt, langſam zur Erde ſich nieder. Unterdeß war Satan nebſt Adramelech der Erde Auch ſchon naͤher gekommen. Sie giengen neben einander, Jeder allein, und in ſich gekehrt. Jtzt ſahe den Erdkreis Adramelech vor ſich in ferner Dunkelheit liegen. Das iſt ſie alſo, ſo ſagt er bey ſich, ſo draͤngten Gedanken Andre Gedanken, wie Wogen des Meers, wie der Ocean draͤngte, Als er von drey Welten dich, fernes Amerika, losriß; Das iſt ſie alſo, die ich, ſo bald ich Satan entfernet, Oder mich uͤber ihn ſiegend vor allen verherrlichet habe, Die ich alsdann, als Schoͤpfer des Boͤſen, allein beherrſche! Aber warum nur ſie? Warum nicht auch jene Geſtirne, Die zu lange ſchon ſelig, um mich, durch die Himmel daher gehn? Ja, auch dort ſoll der Tod von einem Geſtirne zum andern Bis an die Graͤnze des Himmels vorm Antlitz des Ewigen toͤdten! Dann E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/77
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/77>, abgerufen am 21.11.2024.