Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.

Das zu vollenden. Ja itzo, da Gott von neuem erwachet,
Und, wenn Satan nicht irrt, uns einen Erlöser der Menschen,
Unser erobertes Reich uns abzunehmen, herabschickt.
Doch er mag immer nicht irren, der Mensch sey der größte Prophete
Unter den Propheten seit Adam, er heiße Meßias
Oder auch Gott, so soll er nur mir zur Verherrlichung da seyn!
Seine Besiegung soll mich vor der ganzen Geisterversammlung
Zum Besitze des höllischen Thrones zum würdigsten machen:
Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte,
Was du vielmehr, unsterblicher Adramelech, vollendest,
Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, so sey er der Erstling
Meiner Besiegten, mit deren Vernichtung mein neues Reich anfängt.
Armer Satan, wie schwer wird dirs, den Leib des Meßias
Nur zu erwürgen! Erwürg ihn nur! Ja, so kleine Geschäffte
Laß ich dir, eh du vergehst: ich aber tödte die Seele!
Die vernicht ich; den sterblichen Staub magst du mühsam zerstreuen!
Und wenn der Ewige sie vor andern Seelen erwählte,
Wenn er sie, sich zu verherrlichen, schuf: so soll er voll Jammer
Um sie in einsamer Ewigkeit klagen! Drey schreckliche Nächte
Soll er um sie klagen! Wenn er sich ins Dunkle verhüllt hat,
Soll drey schreckliche Nächte kein Seraph sein Angesicht sehen!
Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule
Hören, ein tiefes Geheul am dunkeln verfinsterten Throne,
Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen,
Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hören, und Gott seyn!

Also
E 2

Zweyter Geſang.

Das zu vollenden. Ja itzo, da Gott von neuem erwachet,
Und, wenn Satan nicht irrt, uns einen Erloͤſer der Menſchen,
Unſer erobertes Reich uns abzunehmen, herabſchickt.
Doch er mag immer nicht irren, der Menſch ſey der groͤßte Prophete
Unter den Propheten ſeit Adam, er heiße Meßias
Oder auch Gott, ſo ſoll er nur mir zur Verherrlichung da ſeyn!
Seine Beſiegung ſoll mich vor der ganzen Geiſterverſammlung
Zum Beſitze des hoͤlliſchen Thrones zum wuͤrdigſten machen:
Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte,
Was du vielmehr, unſterblicher Adramelech, vollendeſt,
Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, ſo ſey er der Erſtling
Meiner Beſiegten, mit deren Vernichtung mein neues Reich anfaͤngt.
Armer Satan, wie ſchwer wird dirs, den Leib des Meßias
Nur zu erwuͤrgen! Erwuͤrg ihn nur! Ja, ſo kleine Geſchaͤffte
Laß ich dir, eh du vergehſt: ich aber toͤdte die Seele!
Die vernicht ich; den ſterblichen Staub magſt du muͤhſam zerſtreuen!
Und wenn der Ewige ſie vor andern Seelen erwaͤhlte,
Wenn er ſie, ſich zu verherrlichen, ſchuf: ſo ſoll er voll Jammer
Um ſie in einſamer Ewigkeit klagen! Drey ſchreckliche Naͤchte
Soll er um ſie klagen! Wenn er ſich ins Dunkle verhuͤllt hat,
Soll drey ſchreckliche Naͤchte kein Seraph ſein Angeſicht ſehen!
Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule
Hoͤren, ein tiefes Geheul am dunkeln verfinſterten Throne,
Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen,
Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hoͤren, und Gott ſeyn!

Alſo
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="32">
              <l>
                <pb facs="#f0079" n="67"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Das zu vollenden. Ja itzo, da Gott von neuem erwachet,</l><lb/>
              <l>Und, wenn Satan nicht irrt, uns einen Erlo&#x0364;&#x017F;er der Men&#x017F;chen,</l><lb/>
              <l>Un&#x017F;er erobertes Reich uns abzunehmen, herab&#x017F;chickt.</l><lb/>
              <l>Doch er mag immer nicht irren, der Men&#x017F;ch &#x017F;ey der gro&#x0364;ßte Prophete</l><lb/>
              <l>Unter den Propheten &#x017F;eit Adam, er heiße Meßias</l><lb/>
              <l>Oder auch Gott, &#x017F;o &#x017F;oll er nur mir zur Verherrlichung da &#x017F;eyn!</l><lb/>
              <l>Seine Be&#x017F;iegung &#x017F;oll mich vor der ganzen Gei&#x017F;terver&#x017F;ammlung</l><lb/>
              <l>Zum Be&#x017F;itze des ho&#x0364;lli&#x017F;chen Thrones zum wu&#x0364;rdig&#x017F;ten machen:</l><lb/>
              <l>Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte,</l><lb/>
              <l>Was du vielmehr, un&#x017F;terblicher Adramelech, vollende&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, &#x017F;o &#x017F;ey er der Er&#x017F;tling</l><lb/>
              <l>Meiner Be&#x017F;iegten, mit deren Vernichtung mein neues Reich anfa&#x0364;ngt.</l><lb/>
              <l>Armer Satan, wie &#x017F;chwer wird dirs, den Leib des Meßias</l><lb/>
              <l>Nur zu erwu&#x0364;rgen! Erwu&#x0364;rg ihn nur! Ja, &#x017F;o kleine Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte</l><lb/>
              <l>Laß ich dir, eh du vergeh&#x017F;t: ich aber to&#x0364;dte die Seele!</l><lb/>
              <l>Die vernicht ich; den &#x017F;terblichen Staub mag&#x017F;t du mu&#x0364;h&#x017F;am zer&#x017F;treuen!</l><lb/>
              <l>Und wenn der Ewige &#x017F;ie vor andern Seelen erwa&#x0364;hlte,</l><lb/>
              <l>Wenn er &#x017F;ie, &#x017F;ich zu verherrlichen, &#x017F;chuf: &#x017F;o &#x017F;oll er voll Jammer</l><lb/>
              <l>Um &#x017F;ie in ein&#x017F;amer Ewigkeit klagen! Drey &#x017F;chreckliche Na&#x0364;chte</l><lb/>
              <l>Soll er um &#x017F;ie klagen! Wenn er &#x017F;ich ins Dunkle verhu&#x0364;llt hat,</l><lb/>
              <l>Soll drey &#x017F;chreckliche Na&#x0364;chte kein Seraph &#x017F;ein Ange&#x017F;icht &#x017F;ehen!</l><lb/>
              <l>Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule</l><lb/>
              <l>Ho&#x0364;ren, ein tiefes Geheul am dunkeln verfin&#x017F;terten Throne,</l><lb/>
              <l>Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen,</l><lb/>
              <l>Da, wo der Ewige wandelt, das will ich ho&#x0364;ren, und Gott &#x017F;eyn!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">E 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Al&#x017F;o</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0079] Zweyter Geſang. Das zu vollenden. Ja itzo, da Gott von neuem erwachet, Und, wenn Satan nicht irrt, uns einen Erloͤſer der Menſchen, Unſer erobertes Reich uns abzunehmen, herabſchickt. Doch er mag immer nicht irren, der Menſch ſey der groͤßte Prophete Unter den Propheten ſeit Adam, er heiße Meßias Oder auch Gott, ſo ſoll er nur mir zur Verherrlichung da ſeyn! Seine Beſiegung ſoll mich vor der ganzen Geiſterverſammlung Zum Beſitze des hoͤlliſchen Thrones zum wuͤrdigſten machen: Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte, Was du vielmehr, unſterblicher Adramelech, vollendeſt, Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, ſo ſey er der Erſtling Meiner Beſiegten, mit deren Vernichtung mein neues Reich anfaͤngt. Armer Satan, wie ſchwer wird dirs, den Leib des Meßias Nur zu erwuͤrgen! Erwuͤrg ihn nur! Ja, ſo kleine Geſchaͤffte Laß ich dir, eh du vergehſt: ich aber toͤdte die Seele! Die vernicht ich; den ſterblichen Staub magſt du muͤhſam zerſtreuen! Und wenn der Ewige ſie vor andern Seelen erwaͤhlte, Wenn er ſie, ſich zu verherrlichen, ſchuf: ſo ſoll er voll Jammer Um ſie in einſamer Ewigkeit klagen! Drey ſchreckliche Naͤchte Soll er um ſie klagen! Wenn er ſich ins Dunkle verhuͤllt hat, Soll drey ſchreckliche Naͤchte kein Seraph ſein Angeſicht ſehen! Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule Hoͤren, ein tiefes Geheul am dunkeln verfinſterten Throne, Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen, Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hoͤren, und Gott ſeyn! Alſo E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/79
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 1. Halle, 1751, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias01_1751/79>, abgerufen am 24.11.2024.