[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Schwerte
Schwerte
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="36"> <l> <pb facs="#f0108" n="82"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Von den Uneinſamen fern, mit des Mondes Duͤften zum Walde</l><lb/> <l>Wandelt, und nun, an der Hand der frommen Entzuͤckung geleitet,</l><lb/> <l>Dich, Unendlicher, denkt! wie ihm dann, zu tauſenden, neue,</l><lb/> <l>Beßre, groſſe Gedanken die gluͤhende Stirne voll Wonne</l><lb/> <l>Schnell umſchweben. So eilt, umringt von den Seelen, der Seraph.</l><lb/> <l>Dieſe naͤherten ſich der liegenden Erde. Die Vaͤter</l><lb/> <l>Sahn die zahlloſe Schaar in hohen daͤmmernden Wolken</l><lb/> <l>Kommen: ein majeſtaͤtiſcher Zug! von den erſten der Schoͤpfung,</l><lb/> <l>Denkende Weſen; verehrungswuͤrdige Kinder des Lebens,</l><lb/> <l>Myriadenmal Myriaden Unſterbliche! Staunend,</l><lb/> <l>Jzt das erſtemal, wandte vom Kreuze die Mutter der Menſchen</l><lb/> <l>Jhr anſchauendes Antliz. Es kamen die Kinder, ſie kamen!</l><lb/> <l>All’ ungebohrne Jahrhunderte kamen! Die liebende Mutter</l><lb/> <l>Stuͤzt auf der bebenden Linke ſich; zeigt mit der Rechte der Menſchen</l><lb/> <l>Vater, die Kinder, die Chriſten, und ruft: doch heftet ans Kreuz ſich</l><lb/> <l>Wieder ihr Blick ans blutvolle Kreuz, da ſie redte. Sie ſind es</l><lb/> <l>Vater meiner Unſterblichen, ſiehe, die Kinder, ſie ſind es!</l><lb/> <l>Welche Namen nennen dich aus, du, der fuͤr ſie blutet!</l><lb/> <l>Welch Hoſanna vermag den Wundenvollen zu ſingen!</l><lb/> <l>Waͤrt ihr ſchon, ihr Kinder des Heils, ihr Chriſten gebohren!</l><lb/> <l>Fuͤhrten euch tauſend, und tauſend, und wieder tauſend entzuͤckte</l><lb/> <l>Weinende Muͤtter zum Kreuz! und kenntet ihr ſchon der Gebohrnen</l><lb/> <l>Heiligſten, ihn, ſo zu Bethlem die fruͤhe Menſchlichkeit weinte.</l><lb/> <l>Aber ſie werden ihn kennen, ſie werden, o Adam, den Mittler</l><lb/> <l>Unſers Bundes, den Sohn der Liebe, den Goͤttlichen kennen!</l><lb/> <l>Ach, wie im Sturme gebrochen die Purpurblume dahinſinkt,</l><lb/> <l>Alſo werden von euch die Geliebteren vor der Erwuͤrger<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Schwerte</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0108]
Der Meſſias.
Von den Uneinſamen fern, mit des Mondes Duͤften zum Walde
Wandelt, und nun, an der Hand der frommen Entzuͤckung geleitet,
Dich, Unendlicher, denkt! wie ihm dann, zu tauſenden, neue,
Beßre, groſſe Gedanken die gluͤhende Stirne voll Wonne
Schnell umſchweben. So eilt, umringt von den Seelen, der Seraph.
Dieſe naͤherten ſich der liegenden Erde. Die Vaͤter
Sahn die zahlloſe Schaar in hohen daͤmmernden Wolken
Kommen: ein majeſtaͤtiſcher Zug! von den erſten der Schoͤpfung,
Denkende Weſen; verehrungswuͤrdige Kinder des Lebens,
Myriadenmal Myriaden Unſterbliche! Staunend,
Jzt das erſtemal, wandte vom Kreuze die Mutter der Menſchen
Jhr anſchauendes Antliz. Es kamen die Kinder, ſie kamen!
All’ ungebohrne Jahrhunderte kamen! Die liebende Mutter
Stuͤzt auf der bebenden Linke ſich; zeigt mit der Rechte der Menſchen
Vater, die Kinder, die Chriſten, und ruft: doch heftet ans Kreuz ſich
Wieder ihr Blick ans blutvolle Kreuz, da ſie redte. Sie ſind es
Vater meiner Unſterblichen, ſiehe, die Kinder, ſie ſind es!
Welche Namen nennen dich aus, du, der fuͤr ſie blutet!
Welch Hoſanna vermag den Wundenvollen zu ſingen!
Waͤrt ihr ſchon, ihr Kinder des Heils, ihr Chriſten gebohren!
Fuͤhrten euch tauſend, und tauſend, und wieder tauſend entzuͤckte
Weinende Muͤtter zum Kreuz! und kenntet ihr ſchon der Gebohrnen
Heiligſten, ihn, ſo zu Bethlem die fruͤhe Menſchlichkeit weinte.
Aber ſie werden ihn kennen, ſie werden, o Adam, den Mittler
Unſers Bundes, den Sohn der Liebe, den Goͤttlichen kennen!
Ach, wie im Sturme gebrochen die Purpurblume dahinſinkt,
Alſo werden von euch die Geliebteren vor der Erwuͤrger
Schwerte
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