[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Gott
Gott
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="26"> <l> <pb facs="#f0136" n="108"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Sah dem ſtuͤrzenden Strom, ſo bey ſeinen Fuͤſſen herabfiel,</l><lb/> <l>Starrend nach, begleitete, mit hinhoͤrendem Ohre,</l><lb/> <l>Jeden Donner des ſchaͤumenden Stroms, der hinab von den Hoͤhen</l><lb/> <l>Ueberhangender Berge von Abgrund zu Abgrund ſich waͤlzte.</l><lb/> <l>Schnell empfindet er unter ſich wandelndes Beben; dann ſtuͤrzen</l><lb/> <l>Neben ihm Felſen hin! Abbadona erſchreckte der Erde</l><lb/> <l>Lautes Trauren! So nannt’ er ihr Zittern. Bejammert die Erde,</l><lb/> <l>Daß der Staub ihr Kinder gebahr? und iſt ſie ermuͤdet,</l><lb/> <l>Jhrer Kinder Verweſung in ihrem Schooſſe zu tragen,</l><lb/> <l>Jhnen ein ewiges Grab, das ſtets von neuen Gebeinen</l><lb/> <l>Schwillt, inwendig fuͤrchterlich iſt, obs auſſen der Fruͤhling</l><lb/> <l>Gleich mit Blumen beduftet? Ach, oder beklagt ſie den groſſen,</l><lb/> <l>Goͤttlichen Mann, den ich in jener Mitternacht ſahe?</l><lb/> <l>Leiden ſahe, was nie noch ein Endlicher litt? Was iſt wohl</l><lb/> <l>Jzt ſein Schickſal? Und warum verweil ich, ihn wieder zu ſuchen?</l><lb/> <l>Jſt mir die Hand des ernſten Gerichts auf der oberen Erde</l><lb/> <l>Etwa naͤher, als hier? Jhr kann ich nirgends entfliehen!</l><lb/> <l>Floͤh ich auch aus der Schoͤpfung, ſie wuͤrde doch mich ergreifen!</l><lb/> <l>Ja, ich ſuch ihn! Jch will den Ausgang der furchtbaren Leiden</l><lb/> <l>Sehen, will ganz die wunderbare Begebenheit wiſſen!</l><lb/> <l>Aber wenn ihn nur nicht ſo viele himmliſche Schaaren</l><lb/> <l>Stets umgaͤben! Als ich juͤngſt vor ihm flohe, wie ſchrekte</l><lb/> <l>Mich ihr ſchleuniger Anblick! Und wagt ich, der himmliſchen Schimmer</l><lb/> <l>Nachzuahmen, und kuͤhn in einen Engel des Lichts mich</l><lb/> <l>Zu verwandeln; wuͤrden mich nicht die Blitze des Richters</l><lb/> <l>Schnell enthuͤllen? die Engel mich dann in meiner Geſtalt ſehn?</l><lb/> <l>Aber Satan thut es ja, er, ſo durch groͤßre Verbrechen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Gott</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0136]
Der Meſſias.
Sah dem ſtuͤrzenden Strom, ſo bey ſeinen Fuͤſſen herabfiel,
Starrend nach, begleitete, mit hinhoͤrendem Ohre,
Jeden Donner des ſchaͤumenden Stroms, der hinab von den Hoͤhen
Ueberhangender Berge von Abgrund zu Abgrund ſich waͤlzte.
Schnell empfindet er unter ſich wandelndes Beben; dann ſtuͤrzen
Neben ihm Felſen hin! Abbadona erſchreckte der Erde
Lautes Trauren! So nannt’ er ihr Zittern. Bejammert die Erde,
Daß der Staub ihr Kinder gebahr? und iſt ſie ermuͤdet,
Jhrer Kinder Verweſung in ihrem Schooſſe zu tragen,
Jhnen ein ewiges Grab, das ſtets von neuen Gebeinen
Schwillt, inwendig fuͤrchterlich iſt, obs auſſen der Fruͤhling
Gleich mit Blumen beduftet? Ach, oder beklagt ſie den groſſen,
Goͤttlichen Mann, den ich in jener Mitternacht ſahe?
Leiden ſahe, was nie noch ein Endlicher litt? Was iſt wohl
Jzt ſein Schickſal? Und warum verweil ich, ihn wieder zu ſuchen?
Jſt mir die Hand des ernſten Gerichts auf der oberen Erde
Etwa naͤher, als hier? Jhr kann ich nirgends entfliehen!
Floͤh ich auch aus der Schoͤpfung, ſie wuͤrde doch mich ergreifen!
Ja, ich ſuch ihn! Jch will den Ausgang der furchtbaren Leiden
Sehen, will ganz die wunderbare Begebenheit wiſſen!
Aber wenn ihn nur nicht ſo viele himmliſche Schaaren
Stets umgaͤben! Als ich juͤngſt vor ihm flohe, wie ſchrekte
Mich ihr ſchleuniger Anblick! Und wagt ich, der himmliſchen Schimmer
Nachzuahmen, und kuͤhn in einen Engel des Lichts mich
Zu verwandeln; wuͤrden mich nicht die Blitze des Richters
Schnell enthuͤllen? die Engel mich dann in meiner Geſtalt ſehn?
Aber Satan thut es ja, er, ſo durch groͤßre Verbrechen
Gott
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