[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.Der Messias. Von dem Throne, der sonst, die hellste sichtbare Schönheit, Leuchtete, nun in schreckenerschaffende Nächte gehüllt stand, Einsam dastand; um den izt kein Unsterblicher feyrte; Ausser, daß, von dem bebenden Hange der untersten Stufe, Kniend, mit betendem Auge, mit banggerungenen Händen, Starr vor Erwartung, der erste der Todesengel emporsah: Von dem Throne schaute, mit unverwendetem Antliz, Auf den göttlichen Sündeversöner, Jehova herunter. Durch die helleren Stäubchen der Sonnen, die dunklern der Erden, Durch die verstummte Natur; mit Blicken, von dem nur verstanden Dem nur gefühlt, auf den sie, vom Auge des Ewigen, strömten, Schaut' er hinab. Es empfindet, den Blick des richtenden Vaters, Jesus Christus; weis, daß Jehova noch nicht versönt ist! Weis es, und fühlts unaussprechlich, durchströmt von des näheren Todes Schauer. ... Es zittern in ihrem verborgensten Leben die Welten! Banger, trüber, verstummender stehn die Unsterblichen alle, Bey der Empfindung des Sohns, die mit mehr Todesblässe Jn des Göttlichen Angesicht stieg. Dem müden Auge, Das zu brechen begann, entsanken verlöschende Blicke, Fielen auf sein Grabmaal, das gegen Golgatha über Einsam, unter alternden Bäumen, in Felsen gehaun, lag. Todesschlummer, bald wird dich mein Leib dort schlummern! So dachte Jesus Christus, indem sein Blick an dem Grabe verweilte. Darum nahm ich dich an, du Leib von Staube! Verwesen Sollst du nicht; doch sollst du entschlafen liegen. Mein Vater, Trockne die Thränen von deren Gesicht|, die dann um mich weinen! Ausgesönter! erbarme dich ihrer, sie weinen um Jesum, Deinen
Der Meſſias. Von dem Throne, der ſonſt, die hellſte ſichtbare Schoͤnheit, Leuchtete, nun in ſchreckenerſchaffende Naͤchte gehuͤllt ſtand, Einſam daſtand; um den izt kein Unſterblicher feyrte; Auſſer, daß, von dem bebenden Hange der unterſten Stufe, Kniend, mit betendem Auge, mit banggerungenen Haͤnden, Starr vor Erwartung, der erſte der Todesengel emporſah: Von dem Throne ſchaute, mit unverwendetem Antliz, Auf den goͤttlichen Suͤndeverſoͤner, Jehova herunter. Durch die helleren Staͤubchen der Sonnen, die dunklern der Erden, Durch die verſtummte Natur; mit Blicken, von dem nur verſtanden Dem nur gefuͤhlt, auf den ſie, vom Auge des Ewigen, ſtroͤmten, Schaut’ er hinab. Es empfindet, den Blick des richtenden Vaters, Jeſus Chriſtus; weis, daß Jehova noch nicht verſoͤnt iſt! Weis es, und fuͤhlts unausſprechlich, durchſtroͤmt von des naͤheren Todes Schauer. … Es zittern in ihrem verborgenſten Leben die Welten! Banger, truͤber, verſtummender ſtehn die Unſterblichen alle, Bey der Empfindung des Sohns, die mit mehr Todesblaͤſſe Jn des Goͤttlichen Angeſicht ſtieg. Dem muͤden Auge, Das zu brechen begann, entſanken verloͤſchende Blicke, Fielen auf ſein Grabmaal, das gegen Golgatha uͤber Einſam, unter alternden Baͤumen, in Felſen gehaun, lag. Todesſchlummer, bald wird dich mein Leib dort ſchlummern! So dachte Jeſus Chriſtus, indem ſein Blick an dem Grabe verweilte. Darum nahm ich dich an, du Leib von Staube! Verweſen Sollſt du nicht; doch ſollſt du entſchlafen liegen. Mein Vater, Trockne die Thraͤnen von deren Geſicht|, die dann um mich weinen! Ausgeſoͤnter! erbarme dich ihrer, ſie weinen um Jeſum, Deinen
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Der Meſſias.
Von dem Throne, der ſonſt, die hellſte ſichtbare Schoͤnheit,
Leuchtete, nun in ſchreckenerſchaffende Naͤchte gehuͤllt ſtand,
Einſam daſtand; um den izt kein Unſterblicher feyrte;
Auſſer, daß, von dem bebenden Hange der unterſten Stufe,
Kniend, mit betendem Auge, mit banggerungenen Haͤnden,
Starr vor Erwartung, der erſte der Todesengel emporſah:
Von dem Throne ſchaute, mit unverwendetem Antliz,
Auf den goͤttlichen Suͤndeverſoͤner, Jehova herunter.
Durch die helleren Staͤubchen der Sonnen, die dunklern der Erden,
Durch die verſtummte Natur; mit Blicken, von dem nur verſtanden
Dem nur gefuͤhlt, auf den ſie, vom Auge des Ewigen, ſtroͤmten,
Schaut’ er hinab. Es empfindet, den Blick des richtenden Vaters,
Jeſus Chriſtus; weis, daß Jehova noch nicht verſoͤnt iſt!
Weis es, und fuͤhlts unausſprechlich, durchſtroͤmt von des naͤheren Todes
Schauer. … Es zittern in ihrem verborgenſten Leben die Welten!
Banger, truͤber, verſtummender ſtehn die Unſterblichen alle,
Bey der Empfindung des Sohns, die mit mehr Todesblaͤſſe
Jn des Goͤttlichen Angeſicht ſtieg. Dem muͤden Auge,
Das zu brechen begann, entſanken verloͤſchende Blicke,
Fielen auf ſein Grabmaal, das gegen Golgatha uͤber
Einſam, unter alternden Baͤumen, in Felſen gehaun, lag.
Todesſchlummer, bald wird dich mein Leib dort ſchlummern! So dachte
Jeſus Chriſtus, indem ſein Blick an dem Grabe verweilte.
Darum nahm ich dich an, du Leib von Staube! Verweſen
Sollſt du nicht; doch ſollſt du entſchlafen liegen. Mein Vater,
Trockne die Thraͤnen von deren Geſicht|, die dann um mich weinen!
Ausgeſoͤnter! erbarme dich ihrer, ſie weinen um Jeſum,
Deinen
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Zitationshilfe: | [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/154>, abgerufen am 16.02.2025. |