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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Zehnter Gesang.

Standen, mit inniger Liebe, mit himmelvollem Gefühl nach:
Simeon, und der gewürdiget ward, den Versöner zu taufen,
Und zu sehen den Geist herunterschweben auf Jesum,
Und zu hören, als Gott, aus strahlenden Wolken, von Gott sprach!
Amoz Sohn, der grosse Prophet des geschlachteten Opfers;
Und der Seher der Auferstehung, Hesekiel; Hör du,
Dürres Gebein! Da rauschte das Feld! da erwachten die Todten!
Noah, den rein der Ewige fand, Loth, Samuel, Aron,
Und Melchisedek, Gottes Prophet, und Priester, und König;
Benjamin, Josephs Bruder; und Joseph, Benjamins Bruder;
Mit der Mutter die sieben Söhne, Märtyrer alle!
David, und Jonathan; aber sie wenden sich weg von einander,
Daß die Wehmut des einen, des andern Schmerz, nicht entzünde!
Mirjam, und du, Debora, die Gott, den Rettenden, sangen!
Simeon wendete sich vom erhabnen Johannes, und sagte:

Selige Seelen, erwählte, begnadigte Kinder des Glaubens,
Geht, der Herr ist mit euch, und seiner Erbarmungen Fülle!
Macht der Glaubenden viel, viel mitgerettete Brüder!
Menschlichkeit breite, durch euch, sich über Adams Geschlecht aus!
Menschlichkeit, reiner und besser, als sie, nur Weisheit der Welt, lehrt!
Ach, Johannes, wie schön ist ihr Schicksal! ihr Lohn, wie erhaben!
Brannte nicht deine Seele, beym Anblick dieser Gerechten?
Lindert' er nicht den Schmerz, so vom blutigen Todeshügel
Ueber uns strömt? ... So sagt' er, und sah dem Geliebten ins Antliz.
Wenn ich es auszusprechen vermöchte; sagte Johannes,
Hätt ich Worte für das, so ich denke, für das, so ich fühle;
Könnten Thränen der Wehmut, es Thränen der Wonne dir sagen:
O,

Zehnter Geſang.

Standen, mit inniger Liebe, mit himmelvollem Gefuͤhl nach:
Simeon, und der gewuͤrdiget ward, den Verſoͤner zu taufen,
Und zu ſehen den Geiſt herunterſchweben auf Jeſum,
Und zu hoͤren, als Gott, aus ſtrahlenden Wolken, von Gott ſprach!
Amoz Sohn, der groſſe Prophet des geſchlachteten Opfers;
Und der Seher der Auferſtehung, Heſekiel; Hoͤr du,
Duͤrres Gebein! Da rauſchte das Feld! da erwachten die Todten!
Noah, den rein der Ewige fand, Loth, Samuel, Aron,
Und Melchiſedek, Gottes Prophet, und Prieſter, und Koͤnig;
Benjamin, Joſephs Bruder; und Joſeph, Benjamins Bruder;
Mit der Mutter die ſieben Soͤhne, Maͤrtyrer alle!
David, und Jonathan; aber ſie wenden ſich weg von einander,
Daß die Wehmut des einen, des andern Schmerz, nicht entzuͤnde!
Mirjam, und du, Debora, die Gott, den Rettenden, ſangen!
Simeon wendete ſich vom erhabnen Johannes, und ſagte:

Selige Seelen, erwaͤhlte, begnadigte Kinder des Glaubens,
Geht, der Herr iſt mit euch, und ſeiner Erbarmungen Fuͤlle!
Macht der Glaubenden viel, viel mitgerettete Bruͤder!
Menſchlichkeit breite, durch euch, ſich uͤber Adams Geſchlecht aus!
Menſchlichkeit, reiner und beſſer, als ſie, nur Weisheit der Welt, lehrt!
Ach, Johannes, wie ſchoͤn iſt ihr Schickſal! ihr Lohn, wie erhaben!
Brannte nicht deine Seele, beym Anblick dieſer Gerechten?
Lindert’ er nicht den Schmerz, ſo vom blutigen Todeshuͤgel
Ueber uns ſtroͤmt? … So ſagt’ er, und ſah dem Geliebten ins Antliz.
Wenn ich es auszuſprechen vermoͤchte; ſagte Johannes,
Haͤtt ich Worte fuͤr das, ſo ich denke, fuͤr das, ſo ich fuͤhle;
Koͤnnten Thraͤnen der Wehmut, es Thraͤnen der Wonne dir ſagen:
O,
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[139/0169] Zehnter Geſang. Standen, mit inniger Liebe, mit himmelvollem Gefuͤhl nach: Simeon, und der gewuͤrdiget ward, den Verſoͤner zu taufen, Und zu ſehen den Geiſt herunterſchweben auf Jeſum, Und zu hoͤren, als Gott, aus ſtrahlenden Wolken, von Gott ſprach! Amoz Sohn, der groſſe Prophet des geſchlachteten Opfers; Und der Seher der Auferſtehung, Heſekiel; Hoͤr du, Duͤrres Gebein! Da rauſchte das Feld! da erwachten die Todten! Noah, den rein der Ewige fand, Loth, Samuel, Aron, Und Melchiſedek, Gottes Prophet, und Prieſter, und Koͤnig; Benjamin, Joſephs Bruder; und Joſeph, Benjamins Bruder; Mit der Mutter die ſieben Soͤhne, Maͤrtyrer alle! David, und Jonathan; aber ſie wenden ſich weg von einander, Daß die Wehmut des einen, des andern Schmerz, nicht entzuͤnde! Mirjam, und du, Debora, die Gott, den Rettenden, ſangen! Simeon wendete ſich vom erhabnen Johannes, und ſagte: Selige Seelen, erwaͤhlte, begnadigte Kinder des Glaubens, Geht, der Herr iſt mit euch, und ſeiner Erbarmungen Fuͤlle! Macht der Glaubenden viel, viel mitgerettete Bruͤder! Menſchlichkeit breite, durch euch, ſich uͤber Adams Geſchlecht aus! Menſchlichkeit, reiner und beſſer, als ſie, nur Weisheit der Welt, lehrt! Ach, Johannes, wie ſchoͤn iſt ihr Schickſal! ihr Lohn, wie erhaben! Brannte nicht deine Seele, beym Anblick dieſer Gerechten? Lindert’ er nicht den Schmerz, ſo vom blutigen Todeshuͤgel Ueber uns ſtroͤmt? … So ſagt’ er, und ſah dem Geliebten ins Antliz. Wenn ich es auszuſprechen vermoͤchte; ſagte Johannes, Haͤtt ich Worte fuͤr das, ſo ich denke, fuͤr das, ſo ich fuͤhle; Koͤnnten Thraͤnen der Wehmut, es Thraͤnen der Wonne dir ſagen: O,

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/169>, abgerufen am 21.11.2024.