[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Also betet' Adam, und mit ihm unsere Mutter, Er mit lauter Stimme; sie in der Tiefe der Seele. Und, vom Angesichte des sterbenden Gottversöners, Kam Barmherzigkeit, göttliche Stärke, Ruhe des Himmels, Kamst du, Frieden Gottes! der höher, als Aller Vernunft ist, Auf sie herab. Sie empfanden es ganz, wie ihr Mittler sie liebte! Adam streckte, mit neuer Jnbrunst, die Arme zum Kreuz aus. Du, mein Herr, und mein Gott! wie kann ich, du Liebe dir danken? Ewigkeiten, sie sind zu kurz, genung dir zu danken! Hier will ich liegen, und beten, bis du dein göttliches Haupt nun Neigst im Tode! Nur vor dem fürchterlichsten der Engel, Nur vor seiner Stimme, soll meine Stimme verstummen; Wenn er kömmt, und es nun, von deinem Vater, verkündigt, Der dich verlassen hat! ... Hör, um dieser Todesangst willen, Die für Sünder du fühlst, hör, Gottverlaßner! mein Flehen! Herr! für deine Versönte, für meine Kinder, für alle, Die das weite, das furchtbare Grab, die Erde, (Doch hats auch Deine Gnade mit Blumen bestreut!) noch künftig bewohnen, Und, mit iedem vor deiner Versönung entschlafnen Jahrhundert, An dem Tage der grossen Entscheidung, auferstehn werden! Meine zahllosen Kinder, für diese, fleh ich dich, Herr, an! Weinend, mit dürftigem Leibe, mit viel mehr dürftiger Seele, Werden sie auf die Erde gebohren. Du, Mittler, erbarmst dich Dann schon ihrer, und nimmst sie in deinen göttlichen Bund auf. Wenn sie nun kaum Gedanken zu stammeln vermögen, so laß sie Oft den wiederholen: Du habst sie früh durch ein Wunder Zu dir aufgenommen, und dein, Herr, seyn sie auf ewig! Die den Geist des Vaters und Sohns, im heiligen Wasser, Zu
Alſo betet’ Adam, und mit ihm unſere Mutter, Er mit lauter Stimme; ſie in der Tiefe der Seele. Und, vom Angeſichte des ſterbenden Gottverſoͤners, Kam Barmherzigkeit, goͤttliche Staͤrke, Ruhe des Himmels, Kamſt du, Frieden Gottes! der hoͤher, als Aller Vernunft iſt, Auf ſie herab. Sie empfanden es ganz, wie ihr Mittler ſie liebte! Adam ſtreckte, mit neuer Jnbrunſt, die Arme zum Kreuz aus. Du, mein Herr, und mein Gott! wie kann ich, du Liebe dir danken? Ewigkeiten, ſie ſind zu kurz, genung dir zu danken! Hier will ich liegen, und beten, bis du dein goͤttliches Haupt nun Neigſt im Tode! Nur vor dem fuͤrchterlichſten der Engel, Nur vor ſeiner Stimme, ſoll meine Stimme verſtummen; Wenn er koͤmmt, und es nun, von deinem Vater, verkuͤndigt, Der dich verlaſſen hat! … Hoͤr, um dieſer Todesangſt willen, Die fuͤr Suͤnder du fuͤhlſt, hoͤr, Gottverlaßner! mein Flehen! Herr! fuͤr deine Verſoͤnte, fuͤr meine Kinder, fuͤr alle, Die das weite, das furchtbare Grab, die Erde, (Doch hats auch Deine Gnade mit Blumen beſtreut!) noch kuͤnftig bewohnen, Und, mit iedem vor deiner Verſoͤnung entſchlafnen Jahrhundert, An dem Tage der groſſen Entſcheidung, auferſtehn werden! Meine zahlloſen Kinder, fuͤr dieſe, fleh ich dich, Herr, an! Weinend, mit duͤrftigem Leibe, mit viel mehr duͤrftiger Seele, Werden ſie auf die Erde gebohren. Du, Mittler, erbarmſt dich Dann ſchon ihrer, und nimmſt ſie in deinen goͤttlichen Bund auf. Wenn ſie nun kaum Gedanken zu ſtammeln vermoͤgen, ſo laß ſie Oft den wiederholen: Du habſt ſie fruͤh durch ein Wunder Zu dir aufgenommen, und dein, Herr, ſeyn ſie auf ewig! Die den Geiſt des Vaters und Sohns, im heiligen Waſſer, Zu
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="69"> <l> <pb facs="#f0184" n="154"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Sey dem Mittler, auf den der Richter unſere Laſt wirft,</l><lb/> <l>Und die Laſt des ganzen Geſchlechts der ſterblichen Suͤnder!</l> </lg><lb/> <lg n="70"> <l>Alſo betet’ Adam, und mit ihm unſere Mutter,</l><lb/> <l>Er mit lauter Stimme; ſie in der Tiefe der Seele.</l><lb/> <l>Und, vom Angeſichte des ſterbenden Gottverſoͤners,</l><lb/> <l>Kam Barmherzigkeit, goͤttliche Staͤrke, Ruhe des Himmels,</l><lb/> <l>Kamſt du, Frieden Gottes! der hoͤher, als Aller Vernunft iſt,</l><lb/> <l>Auf ſie herab. Sie empfanden es ganz, wie ihr Mittler ſie liebte!</l><lb/> <l>Adam ſtreckte, mit neuer Jnbrunſt, die Arme zum Kreuz aus.</l> </lg><lb/> <lg n="71"> <l>Du, mein Herr, und mein Gott! wie kann ich, du Liebe dir danken?</l><lb/> <l>Ewigkeiten, ſie ſind zu kurz, genung dir zu danken!</l><lb/> <l>Hier will ich liegen, und beten, bis du dein goͤttliches Haupt nun</l><lb/> <l>Neigſt im Tode! Nur vor dem fuͤrchterlichſten der Engel,</l><lb/> <l>Nur vor ſeiner Stimme, ſoll meine Stimme verſtummen;</l><lb/> <l>Wenn er koͤmmt, und es nun, von deinem Vater, verkuͤndigt,</l><lb/> <l>Der dich verlaſſen hat! … Hoͤr, um dieſer Todesangſt willen,</l><lb/> <l>Die fuͤr Suͤnder du fuͤhlſt, hoͤr, Gottverlaßner! mein Flehen!</l><lb/> <l>Herr! fuͤr deine Verſoͤnte, fuͤr meine Kinder, fuͤr alle,</l><lb/> <l>Die das weite, das furchtbare Grab, die Erde, (Doch hats auch</l><lb/> <l>Deine Gnade mit Blumen beſtreut!) noch kuͤnftig bewohnen,</l><lb/> <l>Und, mit iedem vor deiner Verſoͤnung entſchlafnen Jahrhundert,</l><lb/> <l>An dem Tage der groſſen Entſcheidung, auferſtehn werden!</l><lb/> <l>Meine zahlloſen Kinder, fuͤr dieſe, fleh ich dich, Herr, an!</l><lb/> <l>Weinend, mit duͤrftigem Leibe, mit viel mehr duͤrftiger Seele,</l><lb/> <l>Werden ſie auf die Erde gebohren. Du, Mittler, erbarmſt dich</l><lb/> <l>Dann ſchon ihrer, und nimmſt ſie in deinen goͤttlichen Bund auf.</l><lb/> <l>Wenn ſie nun kaum Gedanken zu ſtammeln vermoͤgen, ſo laß ſie</l><lb/> <l>Oft den wiederholen: Du habſt ſie fruͤh durch ein Wunder</l><lb/> <l>Zu dir aufgenommen, und dein, Herr, ſeyn ſie auf ewig!</l><lb/> <l>Die den Geiſt des Vaters und Sohns, im heiligen Waſſer,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zu</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [154/0184]
Der Meſſias.
Sey dem Mittler, auf den der Richter unſere Laſt wirft,
Und die Laſt des ganzen Geſchlechts der ſterblichen Suͤnder!
Alſo betet’ Adam, und mit ihm unſere Mutter,
Er mit lauter Stimme; ſie in der Tiefe der Seele.
Und, vom Angeſichte des ſterbenden Gottverſoͤners,
Kam Barmherzigkeit, goͤttliche Staͤrke, Ruhe des Himmels,
Kamſt du, Frieden Gottes! der hoͤher, als Aller Vernunft iſt,
Auf ſie herab. Sie empfanden es ganz, wie ihr Mittler ſie liebte!
Adam ſtreckte, mit neuer Jnbrunſt, die Arme zum Kreuz aus.
Du, mein Herr, und mein Gott! wie kann ich, du Liebe dir danken?
Ewigkeiten, ſie ſind zu kurz, genung dir zu danken!
Hier will ich liegen, und beten, bis du dein goͤttliches Haupt nun
Neigſt im Tode! Nur vor dem fuͤrchterlichſten der Engel,
Nur vor ſeiner Stimme, ſoll meine Stimme verſtummen;
Wenn er koͤmmt, und es nun, von deinem Vater, verkuͤndigt,
Der dich verlaſſen hat! … Hoͤr, um dieſer Todesangſt willen,
Die fuͤr Suͤnder du fuͤhlſt, hoͤr, Gottverlaßner! mein Flehen!
Herr! fuͤr deine Verſoͤnte, fuͤr meine Kinder, fuͤr alle,
Die das weite, das furchtbare Grab, die Erde, (Doch hats auch
Deine Gnade mit Blumen beſtreut!) noch kuͤnftig bewohnen,
Und, mit iedem vor deiner Verſoͤnung entſchlafnen Jahrhundert,
An dem Tage der groſſen Entſcheidung, auferſtehn werden!
Meine zahlloſen Kinder, fuͤr dieſe, fleh ich dich, Herr, an!
Weinend, mit duͤrftigem Leibe, mit viel mehr duͤrftiger Seele,
Werden ſie auf die Erde gebohren. Du, Mittler, erbarmſt dich
Dann ſchon ihrer, und nimmſt ſie in deinen goͤttlichen Bund auf.
Wenn ſie nun kaum Gedanken zu ſtammeln vermoͤgen, ſo laß ſie
Oft den wiederholen: Du habſt ſie fruͤh durch ein Wunder
Zu dir aufgenommen, und dein, Herr, ſeyn ſie auf ewig!
Die den Geiſt des Vaters und Sohns, im heiligen Waſſer,
Zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |