[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Sprach A 3
Sprach A 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <l> <pb facs="#f0027" n="5"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Sechſter Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Wie ſie ſagen, auf Tabor in Himmelswolken gekleidet,</l><lb/> <l>Aber in Banden noch nicht! So ſollen ſie itzo ihn ſehen,</l><lb/> <l>Und, ſich Huͤtten der Freude zu baun, vergeſſen! Doch bebſt du,</l><lb/> <l>Schauerndes Herz! Kann Kuͤhle der Nacht auch Maͤnner erſchuͤttern?</l><lb/> <l>Schweig Empoͤrer! Bald iſt es gethan! Dann will ich mir Huͤtten,</l><lb/> <l>Nicht im Traume nur, baun! So dacht er, und eilte von neuem.</l><lb/> <l>Als der Gottmenſch die Kommenden ſah, da betet’ er alſo</l><lb/> <l>Jn ſich ſelber: Es iſt weit, weit von den ewigen Huͤtten</l><lb/> <l>Bis zu dieſen Suͤndern herunter. O Weg’ im Staube,</l><lb/> <l>Die ich wandle. Doch will ich ſie wandeln! Sie werden einſt glaͤnzen,</l><lb/> <l>Wenn, in dieſen Tiefen, die Auferſtehung erwacht iſt,</l><lb/> <l>Und das Weltgericht ganz es enthuͤllt, warum ſie Gott ging.</l><lb/> <l>Judas Jſchariot fuͤhrte den Haufen. Der Prieſter Befehl war:</l><lb/> <l>Maͤnner zu wafnen, und Jeſum bey ſeinen Graͤbern zu ſuchen,</l><lb/> <l>Jhn zu binden, und vor die Verſammlung zu fuͤhren. Es wuſte</l><lb/> <l>Judas den Ort des ſtillen Gebets und der naͤchtlichen Sorge</l><lb/> <l>Fuͤr die Menſchen. Er hatte der Schaar ein Zeichen gegeben;</l><lb/> <l>Welchen ich kuͤſſe, der iſts! Allein noch erbarmt des Verraͤthers</l><lb/> <l>Sich die Nacht, und laͤßt ihm noch nicht den entſetzlichen Kuß zu.</l><lb/> <l>Aber nicht lange, ſo fiel mit ungeduldigem Grimme</l><lb/> <l>Auf die ſchlafende Juͤnger die Schaar. Da ging der Erloͤſer</l><lb/> <l>Gegen die Suͤnder, und ſprach, mit ſeiner Hoheit: Wen ſucht ihr?</l><lb/> <l>Und ſie ergrimmten, und riefen, und ſchwungen die bebenden Fackeln:</l><lb/> <l>Jeſum, den Nazaraͤer! Nun waren die uͤbrigen Juͤnger</l><lb/> <l>Alle gekommen; nun ſchauten auf ihn die geflohenen Engel.</l><lb/> <l>Und, mit goͤttlicher Ruh, als wenn er dem Wurme, zu ſterben,</l><lb/> <l>Oder, dem kommenden Meere, vor ihm zu ſchweigen, geboͤte,<lb/> <fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Sprach</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [5/0027]
Sechſter Geſang.
Wie ſie ſagen, auf Tabor in Himmelswolken gekleidet,
Aber in Banden noch nicht! So ſollen ſie itzo ihn ſehen,
Und, ſich Huͤtten der Freude zu baun, vergeſſen! Doch bebſt du,
Schauerndes Herz! Kann Kuͤhle der Nacht auch Maͤnner erſchuͤttern?
Schweig Empoͤrer! Bald iſt es gethan! Dann will ich mir Huͤtten,
Nicht im Traume nur, baun! So dacht er, und eilte von neuem.
Als der Gottmenſch die Kommenden ſah, da betet’ er alſo
Jn ſich ſelber: Es iſt weit, weit von den ewigen Huͤtten
Bis zu dieſen Suͤndern herunter. O Weg’ im Staube,
Die ich wandle. Doch will ich ſie wandeln! Sie werden einſt glaͤnzen,
Wenn, in dieſen Tiefen, die Auferſtehung erwacht iſt,
Und das Weltgericht ganz es enthuͤllt, warum ſie Gott ging.
Judas Jſchariot fuͤhrte den Haufen. Der Prieſter Befehl war:
Maͤnner zu wafnen, und Jeſum bey ſeinen Graͤbern zu ſuchen,
Jhn zu binden, und vor die Verſammlung zu fuͤhren. Es wuſte
Judas den Ort des ſtillen Gebets und der naͤchtlichen Sorge
Fuͤr die Menſchen. Er hatte der Schaar ein Zeichen gegeben;
Welchen ich kuͤſſe, der iſts! Allein noch erbarmt des Verraͤthers
Sich die Nacht, und laͤßt ihm noch nicht den entſetzlichen Kuß zu.
Aber nicht lange, ſo fiel mit ungeduldigem Grimme
Auf die ſchlafende Juͤnger die Schaar. Da ging der Erloͤſer
Gegen die Suͤnder, und ſprach, mit ſeiner Hoheit: Wen ſucht ihr?
Und ſie ergrimmten, und riefen, und ſchwungen die bebenden Fackeln:
Jeſum, den Nazaraͤer! Nun waren die uͤbrigen Juͤnger
Alle gekommen; nun ſchauten auf ihn die geflohenen Engel.
Und, mit goͤttlicher Ruh, als wenn er dem Wurme, zu ſterben,
Oder, dem kommenden Meere, vor ihm zu ſchweigen, geboͤte,
Sprach
A 3
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