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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Sechster Gesang.

Nicht auflösen, noch lächelnde Minen. Jhn haben die Seinen
Alle verlassen. Er naht dem Palast. Gott gebe sein Blut euch!

Als er ausgeredt hatte, trat Satan in die Versammlung,
Und, die Freude der Hölle, mit ihm. Sie fasset die Priester
Schwindelnd; umflattert ihr Auge mit Bildern quellender Wunden
Und des bleichen, kommenden Todes; umströmt, mit der Stimme
Seiner Qualen, ihr Ohr. Nun verstummt er ewig, und über
Seinen Gebeinen empor erhebt der Heiligen Fuß sich!
Lang ergrif sie der Taumel. Allein noch blieb der Prophet aus.
Und sie wüteten sehr, und sandten zum zweitenmal Boten.
Philo gieng mit den Boten. Es hatte die Schaar den Meßias,
Auf dem Wege, zu Hannas, dem Hohenpriester geführet.
Denn es war der Greis, in der Nacht schwerduftenden Stunden,
Aufgestanden, zu sehn den Mann, der Juda verwirrte!
Und Johannes folgte von fern. Der friedsame Schlummer
War ihm entflohn vom Auge, der Wehmut Kummer bedekt' es,
Dekte die bleichere Wange. Zuletzt (Er kannte den Priester,
Daß er kein Wütrich, wie Kaiphas, war.) bezwang er die Wehmut
Seines Herzens, und ging in den Richtsaal, und sah den Meßias,
Wie er vor Hannas dastand. Der Hohepriester befragt' ihn:
Kaiphas wird dich richten! O wärst du so schuldlos, als was du
Thatest, ist ruchtbar geworden; so würden die Völker der Erde,
So würd Abrahams Gott und seiner Kinder dich segnen!
Sag nun selber, was hast du gelehrt? Was hattst du für Jünger?
Lehrtest du Moses Gesez? Und thatst du es? Thatens die Jünger?
Hannas sprachs, und bewunderte Jesum, mit welcher Gebehrde
Eines Propheten, er dastand! mit welcher bescheidneren Hoheit,
Unent-
A 5

Sechſter Geſang.

Nicht aufloͤſen, noch laͤchelnde Minen. Jhn haben die Seinen
Alle verlaſſen. Er naht dem Palaſt. Gott gebe ſein Blut euch!

Als er ausgeredt hatte, trat Satan in die Verſammlung,
Und, die Freude der Hoͤlle, mit ihm. Sie faſſet die Prieſter
Schwindelnd; umflattert ihr Auge mit Bildern quellender Wunden
Und des bleichen, kommenden Todes; umſtroͤmt, mit der Stimme
Seiner Qualen, ihr Ohr. Nun verſtummt er ewig, und uͤber
Seinen Gebeinen empor erhebt der Heiligen Fuß ſich!
Lang ergrif ſie der Taumel. Allein noch blieb der Prophet aus.
Und ſie wuͤteten ſehr, und ſandten zum zweitenmal Boten.
Philo gieng mit den Boten. Es hatte die Schaar den Meßias,
Auf dem Wege, zu Hannas, dem Hohenprieſter gefuͤhret.
Denn es war der Greis, in der Nacht ſchwerduftenden Stunden,
Aufgeſtanden, zu ſehn den Mann, der Juda verwirrte!
Und Johannes folgte von fern. Der friedſame Schlummer
War ihm entflohn vom Auge, der Wehmut Kummer bedekt’ es,
Dekte die bleichere Wange. Zuletzt (Er kannte den Prieſter,
Daß er kein Wuͤtrich, wie Kaiphas, war.) bezwang er die Wehmut
Seines Herzens, und ging in den Richtſaal, und ſah den Meßias,
Wie er vor Hannas daſtand. Der Hoheprieſter befragt’ ihn:
Kaiphas wird dich richten! O waͤrſt du ſo ſchuldlos, als was du
Thateſt, iſt ruchtbar geworden; ſo wuͤrden die Voͤlker der Erde,
So wuͤrd Abrahams Gott und ſeiner Kinder dich ſegnen!
Sag nun ſelber, was haſt du gelehrt? Was hattſt du fuͤr Juͤnger?
Lehrteſt du Moſes Geſez? Und thatſt du es? Thatens die Juͤnger?
Hannas ſprachs, und bewunderte Jeſum, mit welcher Gebehrde
Eines Propheten, er daſtand! mit welcher beſcheidneren Hoheit,
Unent-
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[9/0031] Sechſter Geſang. Nicht aufloͤſen, noch laͤchelnde Minen. Jhn haben die Seinen Alle verlaſſen. Er naht dem Palaſt. Gott gebe ſein Blut euch! Als er ausgeredt hatte, trat Satan in die Verſammlung, Und, die Freude der Hoͤlle, mit ihm. Sie faſſet die Prieſter Schwindelnd; umflattert ihr Auge mit Bildern quellender Wunden Und des bleichen, kommenden Todes; umſtroͤmt, mit der Stimme Seiner Qualen, ihr Ohr. Nun verſtummt er ewig, und uͤber Seinen Gebeinen empor erhebt der Heiligen Fuß ſich! Lang ergrif ſie der Taumel. Allein noch blieb der Prophet aus. Und ſie wuͤteten ſehr, und ſandten zum zweitenmal Boten. Philo gieng mit den Boten. Es hatte die Schaar den Meßias, Auf dem Wege, zu Hannas, dem Hohenprieſter gefuͤhret. Denn es war der Greis, in der Nacht ſchwerduftenden Stunden, Aufgeſtanden, zu ſehn den Mann, der Juda verwirrte! Und Johannes folgte von fern. Der friedſame Schlummer War ihm entflohn vom Auge, der Wehmut Kummer bedekt’ es, Dekte die bleichere Wange. Zuletzt (Er kannte den Prieſter, Daß er kein Wuͤtrich, wie Kaiphas, war.) bezwang er die Wehmut Seines Herzens, und ging in den Richtſaal, und ſah den Meßias, Wie er vor Hannas daſtand. Der Hoheprieſter befragt’ ihn: Kaiphas wird dich richten! O waͤrſt du ſo ſchuldlos, als was du Thateſt, iſt ruchtbar geworden; ſo wuͤrden die Voͤlker der Erde, So wuͤrd Abrahams Gott und ſeiner Kinder dich ſegnen! Sag nun ſelber, was haſt du gelehrt? Was hattſt du fuͤr Juͤnger? Lehrteſt du Moſes Geſez? Und thatſt du es? Thatens die Juͤnger? Hannas ſprachs, und bewunderte Jeſum, mit welcher Gebehrde Eines Propheten, er daſtand! mit welcher beſcheidneren Hoheit, Unent- A 5

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/31>, abgerufen am 20.04.2024.