[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.
Lauter
Lauter
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="27"> <l> <pb facs="#f0069" n="45"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Siebender Geſang.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Ganz die Gottheit dir zu enthuͤllen, iſt mir nicht geboten.</l><lb/> <l>Sieh, ich fuͤhre dich nur den erſten Schritt in den Vorhof</l><lb/> <l>Jhres Tempels. Vielleicht, daß in dieſen Tagen der Wunder,</l><lb/> <l>Da die erhabenſte That der Erde geſchieht, daß ein beſſrer,</l><lb/> <l>Hoͤhrer Geiſt koͤmmt, und dich ins Heiligthum tiefer hineinfuͤhrt.</l><lb/> <l>So viel darf ich dir ſagen, und dieß verdiente dein Herz dir:</l><lb/> <l>Sokrates leidet nicht mehr von den Boͤſen! Elyſium iſt nicht,</l><lb/> <l>Noch die Richter am naͤchtlichen Fluſſe. Das waren nur Bilder</l><lb/> <l>Schwacher und irrender Zuͤge. Dort richtet ein anderer Richter,</l><lb/> <l>Leuchten andre Sonnen, als die in Elyſiums Thale!</l><lb/> <l>Zahl, und Maaß, und Wagſchal, ſie zaͤhlen, und meſſen, und waͤgen,</l><lb/> <l>Alle Thaten! Wie kruͤmmen alsdann der Tugenden hoͤchſte</l><lb/> <l>Sich ins Kleine! Wie fliegt ihr Weſen verſtaͤubt in die Luft aus!</l><lb/> <l>Einige werden belohnt, die meiſten werden vergeben!</l><lb/> <l>Mein aufrichtiges Herz erlangte Vergebung. O druͤben,</l><lb/> <l>Portia, druͤben uͤber den Urnen, wie ſehr iſt es anders,</l><lb/> <l>Als wir dachten! Dein ſchreckendes Rom iſt ein hoͤherer Haufen</l><lb/> <l>Voll Ameiſen; und eine mitleidige, redliche Thraͤne</l><lb/> <l>Einer Welt gleich! Verdien du, ſie weinen zu lernen! … Was dieſe</l><lb/> <l>Heilige Welt der Geiſter vor allen izt feyert, und was mir</l><lb/> <l>Selbſt nicht aufgedekt ward, was ich von fern nur bewundre,</l><lb/> <l>Jſt: Der Groͤßte der Menſchen, wofern er ein Menſch iſt, er leidet</l><lb/> <l>Leidet mehr, als ein Sterblicher litt, wird am tiefſten gehorſam</l><lb/> <l>Gegen die Gottheit! vollendet dadurch der Tugenden groͤßte!</l><lb/> <l>Und dieß alles geſchieht um der Menſchen willen, und itzo!</l><lb/> <l>Sieh, ihn ſah dein Auge! Pilatus richtet den Thaͤter</l><lb/> <l>Dieſer Thaten! Und, fließt ſein Blut, ſo hatte noch niemals<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Lauter</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0069]
Siebender Geſang.
Ganz die Gottheit dir zu enthuͤllen, iſt mir nicht geboten.
Sieh, ich fuͤhre dich nur den erſten Schritt in den Vorhof
Jhres Tempels. Vielleicht, daß in dieſen Tagen der Wunder,
Da die erhabenſte That der Erde geſchieht, daß ein beſſrer,
Hoͤhrer Geiſt koͤmmt, und dich ins Heiligthum tiefer hineinfuͤhrt.
So viel darf ich dir ſagen, und dieß verdiente dein Herz dir:
Sokrates leidet nicht mehr von den Boͤſen! Elyſium iſt nicht,
Noch die Richter am naͤchtlichen Fluſſe. Das waren nur Bilder
Schwacher und irrender Zuͤge. Dort richtet ein anderer Richter,
Leuchten andre Sonnen, als die in Elyſiums Thale!
Zahl, und Maaß, und Wagſchal, ſie zaͤhlen, und meſſen, und waͤgen,
Alle Thaten! Wie kruͤmmen alsdann der Tugenden hoͤchſte
Sich ins Kleine! Wie fliegt ihr Weſen verſtaͤubt in die Luft aus!
Einige werden belohnt, die meiſten werden vergeben!
Mein aufrichtiges Herz erlangte Vergebung. O druͤben,
Portia, druͤben uͤber den Urnen, wie ſehr iſt es anders,
Als wir dachten! Dein ſchreckendes Rom iſt ein hoͤherer Haufen
Voll Ameiſen; und eine mitleidige, redliche Thraͤne
Einer Welt gleich! Verdien du, ſie weinen zu lernen! … Was dieſe
Heilige Welt der Geiſter vor allen izt feyert, und was mir
Selbſt nicht aufgedekt ward, was ich von fern nur bewundre,
Jſt: Der Groͤßte der Menſchen, wofern er ein Menſch iſt, er leidet
Leidet mehr, als ein Sterblicher litt, wird am tiefſten gehorſam
Gegen die Gottheit! vollendet dadurch der Tugenden groͤßte!
Und dieß alles geſchieht um der Menſchen willen, und itzo!
Sieh, ihn ſah dein Auge! Pilatus richtet den Thaͤter
Dieſer Thaten! Und, fließt ſein Blut, ſo hatte noch niemals
Lauter
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