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[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

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Siebender Gesang.

Und am nervichten Arm klirrt' ihm die Kette. Pilatus
Stellte zu seiner Rechten den Gottversöner. Der Mörder
Sah den Mann im weissen Gewande. Der, oder er selber
Muste sterben. Der Zweifel durchdrang ihn mit stechendem Feuer.
Und sein Herz schlug sichtbar empor! So stand er zur Linken.

Aber Pontius sprach, und wies zur Rechten: Jhr brachtet
Diesen Menschen herauf: Er wende vom Cäsar das Volk ab!
Doch ich hab ihn verhört, und find ihn nicht schuldig. Auch findet
Jhn Herodes nicht schuldig. Jch laß es nicht zu, daß er sterbe!
Drum, weil ich eure Feste mit eines Gefangnen Befreyung
Feyre, so geißl', und geb ich ihn los! ... Doch ihr hört die Vernunft nicht!
Welchen, so sagts denn, so wütet denn, welchen soll ich euch geben:
Barrabam, oder Jesum, ihn, der ein Gesalbter genannt wird?
Jndem sendete Portia zu ihm: Er ist ein gerechter,
Göttlicher Mann, den du richtest, verdamme du nicht den Gerechten!
Um des Göttlichen willen, Pilatus, hat ein Gesicht mich
Heut im Schlafe geschrekt! Das sagt' ihm die Sclavinn. Das Volk schwieg,
Und noch schwieg es, und nun noch immer. Philo erschrekten
Jhre Stille; dann seine Gehülfen, die kamen, und sagten,
Daß die Menge noch hier und da dem Empörer getreu sey.
Auch erhub sich von fern mit wemutvollem Gelispel
Eine Stimme der Stummgewesnen, der Lahmen, der Blinden,
Und der Todten, die Jesum, den Frommen! den Menschenfreund! nannten
Aber das wütende Murmeln der nähern Haufen verdrang sie.
So
D 4

Siebender Geſang.

Und am nervichten Arm klirrt’ ihm die Kette. Pilatus
Stellte zu ſeiner Rechten den Gottverſoͤner. Der Moͤrder
Sah den Mann im weiſſen Gewande. Der, oder er ſelber
Muſte ſterben. Der Zweifel durchdrang ihn mit ſtechendem Feuer.
Und ſein Herz ſchlug ſichtbar empor! So ſtand er zur Linken.

Aber Pontius ſprach, und wies zur Rechten: Jhr brachtet
Dieſen Menſchen herauf: Er wende vom Caͤſar das Volk ab!
Doch ich hab ihn verhoͤrt, und find ihn nicht ſchuldig. Auch findet
Jhn Herodes nicht ſchuldig. Jch laß es nicht zu, daß er ſterbe!
Drum, weil ich eure Feſte mit eines Gefangnen Befreyung
Feyre, ſo geißl’, und geb ich ihn los! … Doch ihr hoͤrt die Vernunft nicht!
Welchen, ſo ſagts denn, ſo wuͤtet denn, welchen ſoll ich euch geben:
Barrabam, oder Jeſum, ihn, der ein Geſalbter genannt wird?
Jndem ſendete Portia zu ihm: Er iſt ein gerechter,
Goͤttlicher Mann, den du richteſt, verdamme du nicht den Gerechten!
Um des Goͤttlichen willen, Pilatus, hat ein Geſicht mich
Heut im Schlafe geſchrekt! Das ſagt’ ihm die Sclavinn. Das Volk ſchwieg,
Und noch ſchwieg es, und nun noch immer. Philo erſchrekten
Jhre Stille; dann ſeine Gehuͤlfen, die kamen, und ſagten,
Daß die Menge noch hier und da dem Empoͤrer getreu ſey.
Auch erhub ſich von fern mit wemutvollem Geliſpel
Eine Stimme der Stummgeweſnen, der Lahmen, der Blinden,
Und der Todten, die Jeſum, den Frommen! den Menſchenfreund! nannten
Aber das wuͤtende Murmeln der naͤhern Haufen verdrang ſie.
So
D 4
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[55/0079] Siebender Geſang. Und am nervichten Arm klirrt’ ihm die Kette. Pilatus Stellte zu ſeiner Rechten den Gottverſoͤner. Der Moͤrder Sah den Mann im weiſſen Gewande. Der, oder er ſelber Muſte ſterben. Der Zweifel durchdrang ihn mit ſtechendem Feuer. Und ſein Herz ſchlug ſichtbar empor! So ſtand er zur Linken. Aber Pontius ſprach, und wies zur Rechten: Jhr brachtet Dieſen Menſchen herauf: Er wende vom Caͤſar das Volk ab! Doch ich hab ihn verhoͤrt, und find ihn nicht ſchuldig. Auch findet Jhn Herodes nicht ſchuldig. Jch laß es nicht zu, daß er ſterbe! Drum, weil ich eure Feſte mit eines Gefangnen Befreyung Feyre, ſo geißl’, und geb ich ihn los! … Doch ihr hoͤrt die Vernunft nicht! Welchen, ſo ſagts denn, ſo wuͤtet denn, welchen ſoll ich euch geben: Barrabam, oder Jeſum, ihn, der ein Geſalbter genannt wird? Jndem ſendete Portia zu ihm: Er iſt ein gerechter, Goͤttlicher Mann, den du richteſt, verdamme du nicht den Gerechten! Um des Goͤttlichen willen, Pilatus, hat ein Geſicht mich Heut im Schlafe geſchrekt! Das ſagt’ ihm die Sclavinn. Das Volk ſchwieg, Und noch ſchwieg es, und nun noch immer. Philo erſchrekten Jhre Stille; dann ſeine Gehuͤlfen, die kamen, und ſagten, Daß die Menge noch hier und da dem Empoͤrer getreu ſey. Auch erhub ſich von fern mit wemutvollem Geliſpel Eine Stimme der Stummgeweſnen, der Lahmen, der Blinden, Und der Todten, die Jeſum, den Frommen! den Menſchenfreund! nannten Aber das wuͤtende Murmeln der naͤhern Haufen verdrang ſie. So D 4

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Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/79>, abgerufen am 25.11.2024.