Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.

Dessen jungem Leben der Auferstehung Posaune
Wegzuathmen gebeut, sie alle wirst du versönen;
Wenn du, noch einmal Schöpfer: Es ist vollendet! nun ausrufst.
Tod! o Tod des Sohnes! Und du, des Geopferten Vlut! ... Heil!
Heil, den erlösten Seelen! Sie kommen, und wandeln, und jauchzen!
Jhre Kleider sind hell in des Todten Blute gewaschen!

Drauf erhub sich Eloa, vertheilte die Engel der Erde
Weit um Golgatha her. Auf niederhangenden Wolken
Sammlen sie sich; bedecken die breiten Rücken der Berge;
Oder schweben über der Ceder, und gehen voll Tiefsinn
Mit den wallenden Wipfeln: er selbst stand über des Tempels
Höhen; ein weitumkreisendes Heer! der allmächtigen Vorsicht,
Die von fern herrscht, furchtbare Diener: Engel des Todes
Und des Weltgerichts; Hüter der Menschen; künftiger Christen
Hüter! und, weil sie die Hüter der Märtyrer wurden, am Throne
Deß, dem der palmentragende Märtyrer blutet, die Ersten!
Gabriel aber (ihn hatte zur Sonne der Gottmensch gesendet,)
Ließ mit silbertönendem Flug auf Uriels Burg sich
Nieder, und stand vor den Seelen der Väter, und sagte zu ihnen:
Kommt nun näher, ihr Väter der Menschen! Jhr seht ihn! (Hier wies er
Mit der bebenden Rechte.) Da trägt der Sündeversöner
Gegen den Hügel sein Kreuz. Dieß ist der Hügel des Todes!
An dem erhabnerem dort, der mit zween Gipfeln heraufragt,
Ging er ins erste Gericht. Von diesem sollt ihr ihn sehen,
Wenn er, für eure Kinder und euch, sein Leben wird bluten.
Kommt, Erlöste! Die Enkel der Enkel, die noch die Geburt nicht
Zu Unsterblichen schuf, er geht, er eilt, er versönt sie!
Feurig

Der Meſſias.

Deſſen jungem Leben der Auferſtehung Poſaune
Wegzuathmen gebeut, ſie alle wirſt du verſoͤnen;
Wenn du, noch einmal Schoͤpfer: Es iſt vollendet! nun ausrufſt.
Tod! o Tod des Sohnes! Und du, des Geopferten Vlut! … Heil!
Heil, den erloͤſten Seelen! Sie kommen, und wandeln, und jauchzen!
Jhre Kleider ſind hell in des Todten Blute gewaſchen!

Drauf erhub ſich Eloa, vertheilte die Engel der Erde
Weit um Golgatha her. Auf niederhangenden Wolken
Sammlen ſie ſich; bedecken die breiten Ruͤcken der Berge;
Oder ſchweben uͤber der Ceder, und gehen voll Tiefſinn
Mit den wallenden Wipfeln: er ſelbſt ſtand uͤber des Tempels
Hoͤhen; ein weitumkreiſendes Heer! der allmaͤchtigen Vorſicht,
Die von fern herrſcht, furchtbare Diener: Engel des Todes
Und des Weltgerichts; Huͤter der Menſchen; kuͤnftiger Chriſten
Huͤter! und, weil ſie die Huͤter der Maͤrtyrer wurden, am Throne
Deß, dem der palmentragende Maͤrtyrer blutet, die Erſten!
Gabriel aber (ihn hatte zur Sonne der Gottmenſch geſendet,)
Ließ mit ſilbertoͤnendem Flug auf Uriels Burg ſich
Nieder, und ſtand vor den Seelen der Vaͤter, und ſagte zu ihnen:
Kommt nun naͤher, ihr Vaͤter der Menſchen! Jhr ſeht ihn! (Hier wies er
Mit der bebenden Rechte.) Da traͤgt der Suͤndeverſoͤner
Gegen den Huͤgel ſein Kreuz. Dieß iſt der Huͤgel des Todes!
An dem erhabnerem dort, der mit zween Gipfeln heraufragt,
Ging er ins erſte Gericht. Von dieſem ſollt ihr ihn ſehen,
Wenn er, fuͤr eure Kinder und euch, ſein Leben wird bluten.
Kommt, Erloͤſte! Die Enkel der Enkel, die noch die Geburt nicht
Zu Unſterblichen ſchuf, er geht, er eilt, er verſoͤnt ſie!
Feurig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="6">
              <l>
                <pb facs="#f0094" n="68"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>De&#x017F;&#x017F;en jungem Leben der Aufer&#x017F;tehung Po&#x017F;aune</l><lb/>
              <l>Wegzuathmen gebeut, &#x017F;ie alle wir&#x017F;t du ver&#x017F;o&#x0364;nen;</l><lb/>
              <l>Wenn du, noch einmal Scho&#x0364;pfer: Es i&#x017F;t vollendet! nun ausruf&#x017F;t.</l><lb/>
              <l>Tod! o Tod des Sohnes! Und du, des Geopferten Vlut! &#x2026; Heil!</l><lb/>
              <l>Heil, den erlo&#x0364;&#x017F;ten Seelen! Sie kommen, und wandeln, und jauchzen!</l><lb/>
              <l>Jhre Kleider &#x017F;ind hell in des Todten Blute gewa&#x017F;chen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Drauf erhub &#x017F;ich Eloa, vertheilte die Engel der Erde</l><lb/>
              <l>Weit um Golgatha her. Auf niederhangenden Wolken</l><lb/>
              <l>Sammlen &#x017F;ie &#x017F;ich; bedecken die breiten Ru&#x0364;cken der Berge;</l><lb/>
              <l>Oder &#x017F;chweben u&#x0364;ber der Ceder, und gehen voll Tief&#x017F;inn</l><lb/>
              <l>Mit den wallenden Wipfeln: er &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;tand u&#x0364;ber des Tempels</l><lb/>
              <l>Ho&#x0364;hen; ein weitumkrei&#x017F;endes Heer! der allma&#x0364;chtigen Vor&#x017F;icht,</l><lb/>
              <l>Die von fern herr&#x017F;cht, furchtbare Diener: Engel des Todes</l><lb/>
              <l>Und des Weltgerichts; Hu&#x0364;ter der Men&#x017F;chen; ku&#x0364;nftiger Chri&#x017F;ten</l><lb/>
              <l>Hu&#x0364;ter! und, weil &#x017F;ie die Hu&#x0364;ter der Ma&#x0364;rtyrer wurden, am Throne</l><lb/>
              <l>Deß, dem der palmentragende Ma&#x0364;rtyrer blutet, die Er&#x017F;ten!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Gabriel aber (ihn hatte zur Sonne der Gottmen&#x017F;ch ge&#x017F;endet,)</l><lb/>
              <l>Ließ mit &#x017F;ilberto&#x0364;nendem Flug auf Uriels Burg &#x017F;ich</l><lb/>
              <l>Nieder, und &#x017F;tand vor den Seelen der Va&#x0364;ter, und &#x017F;agte zu ihnen:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="9">
              <l>Kommt nun na&#x0364;her, ihr Va&#x0364;ter der Men&#x017F;chen! Jhr &#x017F;eht ihn! (Hier wies er</l><lb/>
              <l>Mit der bebenden Rechte.) Da tra&#x0364;gt der Su&#x0364;ndever&#x017F;o&#x0364;ner</l><lb/>
              <l>Gegen den Hu&#x0364;gel &#x017F;ein Kreuz. Dieß i&#x017F;t der Hu&#x0364;gel des Todes!</l><lb/>
              <l>An dem erhabnerem dort, der mit zween Gipfeln heraufragt,</l><lb/>
              <l>Ging er ins er&#x017F;te Gericht. Von die&#x017F;em &#x017F;ollt ihr ihn &#x017F;ehen,</l><lb/>
              <l>Wenn er, fu&#x0364;r eure Kinder und euch, &#x017F;ein Leben wird bluten.</l><lb/>
              <l>Kommt, Erlo&#x0364;&#x017F;te! Die Enkel der Enkel, die noch die Geburt nicht</l><lb/>
              <l>Zu Un&#x017F;terblichen &#x017F;chuf, er geht, er eilt, er ver&#x017F;o&#x0364;nt &#x017F;ie!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Feurig</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0094] Der Meſſias. Deſſen jungem Leben der Auferſtehung Poſaune Wegzuathmen gebeut, ſie alle wirſt du verſoͤnen; Wenn du, noch einmal Schoͤpfer: Es iſt vollendet! nun ausrufſt. Tod! o Tod des Sohnes! Und du, des Geopferten Vlut! … Heil! Heil, den erloͤſten Seelen! Sie kommen, und wandeln, und jauchzen! Jhre Kleider ſind hell in des Todten Blute gewaſchen! Drauf erhub ſich Eloa, vertheilte die Engel der Erde Weit um Golgatha her. Auf niederhangenden Wolken Sammlen ſie ſich; bedecken die breiten Ruͤcken der Berge; Oder ſchweben uͤber der Ceder, und gehen voll Tiefſinn Mit den wallenden Wipfeln: er ſelbſt ſtand uͤber des Tempels Hoͤhen; ein weitumkreiſendes Heer! der allmaͤchtigen Vorſicht, Die von fern herrſcht, furchtbare Diener: Engel des Todes Und des Weltgerichts; Huͤter der Menſchen; kuͤnftiger Chriſten Huͤter! und, weil ſie die Huͤter der Maͤrtyrer wurden, am Throne Deß, dem der palmentragende Maͤrtyrer blutet, die Erſten! Gabriel aber (ihn hatte zur Sonne der Gottmenſch geſendet,) Ließ mit ſilbertoͤnendem Flug auf Uriels Burg ſich Nieder, und ſtand vor den Seelen der Vaͤter, und ſagte zu ihnen: Kommt nun naͤher, ihr Vaͤter der Menſchen! Jhr ſeht ihn! (Hier wies er Mit der bebenden Rechte.) Da traͤgt der Suͤndeverſoͤner Gegen den Huͤgel ſein Kreuz. Dieß iſt der Huͤgel des Todes! An dem erhabnerem dort, der mit zween Gipfeln heraufragt, Ging er ins erſte Gericht. Von dieſem ſollt ihr ihn ſehen, Wenn er, fuͤr eure Kinder und euch, ſein Leben wird bluten. Kommt, Erloͤſte! Die Enkel der Enkel, die noch die Geburt nicht Zu Unſterblichen ſchuf, er geht, er eilt, er verſoͤnt ſie! Feurig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/94
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 2. Halle, 1756, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias02_1756/94>, abgerufen am 24.11.2024.