[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Vom deutschen Hexameter, die ersten vier Längen ihm vorzüglich gefielen, so konnte ihmdie fünfte wenigstens nicht in gleichem Grade gefallen. Sollte das angeführte den Griechen viel anders geklungen haben, als uns klingen würde: Heerschaar, steig Felsengebirg' hinauf Sen, niemals lang bey uns seyn. Homer dehnt so gar, und nicht selten, die Kürzen, die es nach seiner Regel sind, und das in einer Sprache, die über die Hälfte weniger Schwie- rigkeit hat, den Vers zu machen, als unsre. Viel erlaubter scheint es mir zu seyn, ein einsylbiges Wort, über dessen Quan- tität ein Ohr, das feine Zweifel hat, nicht völlig zur Richtig- keit kommen kann, wenigstens da, wo keine, oder wenig Leidenschaft auszudrücken ist, als gleichgültig anzusehn. Möchten Sie, Minna, diesen Vers: Tönender sangen verborgen von Büschen mit liebender Klage Nachtigallen Tönender sangen verborgen von Büschen mit liebender Klage Nachtigallen und es geduldig anhören, wenn die Deutschen selbst fortfah- ren, es ihrer Sprache vorzuwerfen, daß sie beynah ohne alle wahre Quantität sey, weil sie die Regel der Position nicht hat. Noch
Vom deutſchen Hexameter, die erſten vier Laͤngen ihm vorzuͤglich gefielen, ſo konnte ihmdie fuͤnfte wenigſtens nicht in gleichem Grade gefallen. Sollte das angefuͤhrte den Griechen viel anders geklungen haben, als uns klingen wuͤrde: He̅erſcha̅ar, ſtei̅g Fe̅lſen̅gĕbirg’ hinauf Sen, niemals lang bey uns ſeyn. Homer dehnt ſo gar, und nicht ſelten, die Kuͤrzen, die es nach ſeiner Regel ſind, und das in einer Sprache, die uͤber die Haͤlfte weniger Schwie- rigkeit hat, den Vers zu machen, als unſre. Viel erlaubter ſcheint es mir zu ſeyn, ein einſylbiges Wort, uͤber deſſen Quan- titaͤt ein Ohr, das feine Zweifel hat, nicht voͤllig zur Richtig- keit kommen kann, wenigſtens da, wo keine, oder wenig Leidenſchaft auszudruͤcken iſt, als gleichguͤltig anzuſehn. Moͤchten Sie, Minna, dieſen Vers: Toͤ̅nĕndĕr ſa̅ngĕn vĕrbo̅rgĕn vŏn Buͤ̅ſchĕn mĭt lie̅bĕndĕr Kla̅gĕ Nachtigallen Toͤ̅ne̅nde̅r ſ̅ange̅n ve̅rbo̅rge̅n vo̅n Buͤ̅ſche̅n mi̅t liebe̅nde̅r Kla̅gĕ Nachtigallen und es geduldig anhoͤren, wenn die Deutſchen ſelbſt fortfah- ren, es ihrer Sprache vorzuwerfen, daß ſie beynah ohne alle wahre Quantitaͤt ſey, weil ſie die Regel der Poſition nicht hat. Noch
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Vom deutſchen Hexameter,
die erſten vier Laͤngen ihm vorzuͤglich gefielen, ſo konnte ihm
die fuͤnfte wenigſtens nicht in gleichem Grade gefallen. Sollte
das angefuͤhrte den Griechen viel anders geklungen haben,
als uns klingen wuͤrde:
He̅erſcha̅ar, ſtei̅g Fe̅lſen̅gĕbirg’ hinauf
Weil wir keine Poſition haben, kann eine Sylbe wie hier:
Sen, niemals lang bey uns ſeyn. Homer dehnt ſo gar, und
nicht ſelten, die Kuͤrzen, die es nach ſeiner Regel ſind, und
das in einer Sprache, die uͤber die Haͤlfte weniger Schwie-
rigkeit hat, den Vers zu machen, als unſre. Viel erlaubter
ſcheint es mir zu ſeyn, ein einſylbiges Wort, uͤber deſſen Quan-
titaͤt ein Ohr, das feine Zweifel hat, nicht voͤllig zur Richtig-
keit kommen kann, wenigſtens da, wo keine, oder wenig
Leidenſchaft auszudruͤcken iſt, als gleichguͤltig anzuſehn.
Moͤchten Sie, Minna, dieſen Vers:
Toͤ̅nĕndĕr ſa̅ngĕn vĕrbo̅rgĕn vŏn Buͤ̅ſchĕn mĭt lie̅bĕndĕr Kla̅gĕ Nachtigallen
lieber ſo hoͤren:
Toͤ̅ne̅nde̅r ſ̅ange̅n ve̅rbo̅rge̅n vo̅n Buͤ̅ſche̅n mi̅t liebe̅nde̅r Kla̅gĕ Nachtigallen
Oder wollen Sie die Poſition der Griechen ferner entbehren,
und es geduldig anhoͤren, wenn die Deutſchen ſelbſt fortfah-
ren, es ihrer Sprache vorzuwerfen, daß ſie beynah ohne
alle wahre Quantitaͤt ſey, weil ſie die Regel der Poſition
nicht hat.
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