Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Jst es! wie klein durch sich selber, wie groß durch Jehovah, der Götter
Gott! So nennt er sich selbst, und nennt sich nicht nur; er zeigt sich
So durch Thaten! denn wär die Geschichte der Wunder Jehovah
Zweifelhaft; so wär die Erzählung von Jupiters Thaten
Mehr, als zweifelhaft! doch ein Sohn des großen Jehovah;
Und doch sterblich? Und, wenn nur ein Mensch, wie könnt er so groß seyn?

Also dacht er, indem ihn ein Bote, den Portia sandte,
Seinem Grübeln entriß. Mich sendet Portia, Cneus,
Dich zu fragen: Ob Ruh am Grabe gewesen? und ob sich
Keiner dem Todten nahe? Sie war erst selber entschlossen,
Herzueilen, allein sie entschloß sich anders ... Hier herrschet,
Sage Portia dieß, die Stille der Gräber, und keiner
Naht sich dem Todten. Er eilete. Wart, und sag ihr auch dieses,
Sag ihr: Er komme wieder ins Leben; er komme nicht wieder;
Beydes verwirre mich! geh! ... Sie quälet, wie mich, die Entwicklung
Dieser verborgnen Geschichte des unterliegenden Frommen.
Denn dieß war er gewiß! Ein frommer Sterblicher war er;
War er kein Sohn des Gottes der Götter! Des Gottes der Götter?
Also verläugn' ich Jupiter? setz' ihn unter Jehovah,
Den ich nicht kenne? den ich viel mehr, als Jupiter, kenne!
Denn viel mehr ist Wahrheit in dem, das Jehovah gethan hat,
Als in dem, das der Donnerer that! Nur mehr? Jst nicht Alles
Wahrheit? O hätten des liegenden Jsraels Ueberwinder
Jupiter angebetet; so wäre das Bild des Gottes,
Wie das Bild des Dagon, in stumme Trümmern zerfallen,
Ja, aus der Hand des Schwachen, in stumme Trümmern die Donner!
Ha! was hab' ich gedacht! was dringt mich, Zevs zu verläugnen?
Jhn

Der Meſſias.
Jſt es! wie klein durch ſich ſelber, wie groß durch Jehovah, der Goͤtter
Gott! So nennt er ſich ſelbſt, und nennt ſich nicht nur; er zeigt ſich
So durch Thaten! denn waͤr die Geſchichte der Wunder Jehovah
Zweifelhaft; ſo waͤr die Erzaͤhlung von Jupiters Thaten
Mehr, als zweifelhaft! doch ein Sohn des großen Jehovah;
Und doch ſterblich? Und, wenn nur ein Menſch, wie koͤnnt er ſo groß ſeyn?

Alſo dacht er, indem ihn ein Bote, den Portia ſandte,
Seinem Gruͤbeln entriß. Mich ſendet Portia, Cneus,
Dich zu fragen: Ob Ruh am Grabe geweſen? und ob ſich
Keiner dem Todten nahe? Sie war erſt ſelber entſchloſſen,
Herzueilen, allein ſie entſchloß ſich anders … Hier herrſchet,
Sage Portia dieß, die Stille der Graͤber, und keiner
Naht ſich dem Todten. Er eilete. Wart, und ſag ihr auch dieſes,
Sag ihr: Er komme wieder ins Leben; er komme nicht wieder;
Beydes verwirre mich! geh! … Sie quaͤlet, wie mich, die Entwicklung
Dieſer verborgnen Geſchichte des unterliegenden Frommen.
Denn dieß war er gewiß! Ein frommer Sterblicher war er;
War er kein Sohn des Gottes der Goͤtter! Des Gottes der Goͤtter?
Alſo verlaͤugn’ ich Jupiter? ſetz’ ihn unter Jehovah,
Den ich nicht kenne? den ich viel mehr, als Jupiter, kenne!
Denn viel mehr iſt Wahrheit in dem, das Jehovah gethan hat,
Als in dem, das der Donnerer that! Nur mehr? Jſt nicht Alles
Wahrheit? O haͤtten des liegenden Jſraels Ueberwinder
Jupiter angebetet; ſo waͤre das Bild des Gottes,
Wie das Bild des Dagon, in ſtumme Truͤmmern zerfallen,
Ja, aus der Hand des Schwachen, in ſtumme Truͤmmern die Donner!
Ha! was hab’ ich gedacht! was dringt mich, Zevs zu verlaͤugnen?
Jhn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="28">
            <pb facs="#f0128" n="112"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
            <l>J&#x017F;t es! wie klein durch &#x017F;ich &#x017F;elber, wie groß durch Jehovah, der Go&#x0364;tter</l><lb/>
            <l>Gott! So nennt er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, und nennt &#x017F;ich nicht nur; er zeigt &#x017F;ich</l><lb/>
            <l>So durch Thaten! denn wa&#x0364;r die Ge&#x017F;chichte der Wunder Jehovah</l><lb/>
            <l>Zweifelhaft; &#x017F;o wa&#x0364;r die Erza&#x0364;hlung von Jupiters Thaten</l><lb/>
            <l>Mehr, als zweifelhaft! doch ein Sohn des großen Jehovah;</l><lb/>
            <l>Und doch &#x017F;terblich? Und, wenn nur ein Men&#x017F;ch, wie ko&#x0364;nnt er &#x017F;o groß &#x017F;eyn?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="29">
            <l>Al&#x017F;o dacht er, indem ihn ein Bote, den Portia &#x017F;andte,</l><lb/>
            <l>Seinem Gru&#x0364;beln entriß. Mich &#x017F;endet Portia, Cneus,</l><lb/>
            <l>Dich zu fragen: Ob Ruh am Grabe gewe&#x017F;en? und ob &#x017F;ich</l><lb/>
            <l>Keiner dem Todten nahe? Sie war er&#x017F;t &#x017F;elber ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Herzueilen, allein &#x017F;ie ent&#x017F;chloß &#x017F;ich anders &#x2026; Hier herr&#x017F;chet,</l><lb/>
            <l>Sage Portia dieß, die Stille der Gra&#x0364;ber, und keiner</l><lb/>
            <l>Naht &#x017F;ich dem Todten. Er eilete. Wart, und &#x017F;ag ihr auch die&#x017F;es,</l><lb/>
            <l>Sag ihr: Er komme wieder ins Leben; er komme nicht wieder;</l><lb/>
            <l>Beydes verwirre mich! geh! &#x2026; Sie qua&#x0364;let, wie mich, die Entwicklung</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;er verborgnen Ge&#x017F;chichte des unterliegenden Frommen.</l><lb/>
            <l>Denn dieß war er gewiß! Ein frommer Sterblicher war er;</l><lb/>
            <l>War er kein Sohn des Gottes der Go&#x0364;tter! Des Gottes der Go&#x0364;tter?</l><lb/>
            <l>Al&#x017F;o verla&#x0364;ugn&#x2019; ich Jupiter? &#x017F;etz&#x2019; ihn unter Jehovah,</l><lb/>
            <l>Den ich nicht kenne? den ich viel mehr, als Jupiter, kenne!</l><lb/>
            <l>Denn viel mehr i&#x017F;t Wahrheit in dem, das Jehovah gethan hat,</l><lb/>
            <l>Als in dem, das der Donnerer that! Nur mehr? J&#x017F;t nicht Alles</l><lb/>
            <l>Wahrheit? O ha&#x0364;tten des liegenden J&#x017F;raels Ueberwinder</l><lb/>
            <l>Jupiter angebetet; &#x017F;o wa&#x0364;re das Bild des Gottes,</l><lb/>
            <l>Wie das Bild des Dagon, in &#x017F;tumme Tru&#x0364;mmern zerfallen,</l><lb/>
            <l>Ja, aus der Hand des Schwachen, in &#x017F;tumme Tru&#x0364;mmern die Donner!</l><lb/>
            <l>Ha! was hab&#x2019; ich gedacht! was dringt mich, Zevs zu verla&#x0364;ugnen?</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Jhn</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0128] Der Meſſias. Jſt es! wie klein durch ſich ſelber, wie groß durch Jehovah, der Goͤtter Gott! So nennt er ſich ſelbſt, und nennt ſich nicht nur; er zeigt ſich So durch Thaten! denn waͤr die Geſchichte der Wunder Jehovah Zweifelhaft; ſo waͤr die Erzaͤhlung von Jupiters Thaten Mehr, als zweifelhaft! doch ein Sohn des großen Jehovah; Und doch ſterblich? Und, wenn nur ein Menſch, wie koͤnnt er ſo groß ſeyn? Alſo dacht er, indem ihn ein Bote, den Portia ſandte, Seinem Gruͤbeln entriß. Mich ſendet Portia, Cneus, Dich zu fragen: Ob Ruh am Grabe geweſen? und ob ſich Keiner dem Todten nahe? Sie war erſt ſelber entſchloſſen, Herzueilen, allein ſie entſchloß ſich anders … Hier herrſchet, Sage Portia dieß, die Stille der Graͤber, und keiner Naht ſich dem Todten. Er eilete. Wart, und ſag ihr auch dieſes, Sag ihr: Er komme wieder ins Leben; er komme nicht wieder; Beydes verwirre mich! geh! … Sie quaͤlet, wie mich, die Entwicklung Dieſer verborgnen Geſchichte des unterliegenden Frommen. Denn dieß war er gewiß! Ein frommer Sterblicher war er; War er kein Sohn des Gottes der Goͤtter! Des Gottes der Goͤtter? Alſo verlaͤugn’ ich Jupiter? ſetz’ ihn unter Jehovah, Den ich nicht kenne? den ich viel mehr, als Jupiter, kenne! Denn viel mehr iſt Wahrheit in dem, das Jehovah gethan hat, Als in dem, das der Donnerer that! Nur mehr? Jſt nicht Alles Wahrheit? O haͤtten des liegenden Jſraels Ueberwinder Jupiter angebetet; ſo waͤre das Bild des Gottes, Wie das Bild des Dagon, in ſtumme Truͤmmern zerfallen, Ja, aus der Hand des Schwachen, in ſtumme Truͤmmern die Donner! Ha! was hab’ ich gedacht! was dringt mich, Zevs zu verlaͤugnen? Jhn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/128
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/128>, abgerufen am 21.11.2024.