[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Hätt' ich ihn fragen können! Nun ist er verstummt! Auf ewig?Der nur weis es, der ihn gesandt hat! Können die Todten Auferstehen? Der Heilige Todte dort hat den Seinen, Wieder ins Leben zu kommen, verheissen! Das sagen ja selber Seine Verfolger, und darum bewachen wir seinen Leichnam. Kommt er nun nicht zurück; so verwirren mich seine Geschichte, Die mich, weiter erforscht, von Gott mehr hätte gelehret, Seine Wunder, sein Leiden noch mehr! Zu welchem Kummer Jst mein Leben gemacht? und warum schonten die Schlachten Meiner immer? der fallende Pfeil, und der zuckende Wurfspieß! Warum hört ich nicht lange den letzten schmetternden Bogen Tönen? Ha Brutus, als du zuletzt an der Tugend Belohnung Zweifeltest, nahmst du dein Schwert! Und ich seh größere Tugend Unbelohnter, und säume? Was hält mich? Nicht Furcht vor dem Tode! Denn ihn hab ich zu oft in blutigem Felde gesehen! Bin ihm entgegen unter sinkenden Adlern, gegangen! Nein! ihn fürcht' ich nicht! Doch was ist es denn, das mich aufhält? Warum entsetz' ich mich, wenn ich mich nun dem ernsten Entschlusss Völlig nahe? Beleidigt' ich etwa den Unbekannten? Und ist Warnung vielleicht die geheime Gewalt, die mich fesselt? Wenn mein Tod ihn beleidigt; so müsse meinem Entschlusse Jmmer etwas zur Reife fehlen! Wie aber ergründ ich: Ob ich dadurch ihn beleidige? Sollte die bebende Frage: Ob ich ihn beleidige? Furcht des Todes in mir seyn? Furcht so tief verborgen? O wüßt ichs, wie wollt ich des Lebens Weiche Liebe strafen, und dir zum Opfer sie bringen, Ted! So verlor sich Cneus auf seinem finsteren Wege Nach
Der Meſſias. Haͤtt’ ich ihn fragen koͤnnen! Nun iſt er verſtummt! Auf ewig?Der nur weis es, der ihn geſandt hat! Koͤnnen die Todten Auferſtehen? Der Heilige Todte dort hat den Seinen, Wieder ins Leben zu kommen, verheiſſen! Das ſagen ja ſelber Seine Verfolger, und darum bewachen wir ſeinen Leichnam. Kommt er nun nicht zuruͤck; ſo verwirren mich ſeine Geſchichte, Die mich, weiter erforſcht, von Gott mehr haͤtte gelehret, Seine Wunder, ſein Leiden noch mehr! Zu welchem Kummer Jſt mein Leben gemacht? und warum ſchonten die Schlachten Meiner immer? der fallende Pfeil, und der zuckende Wurfſpieß! Warum hoͤrt ich nicht lange den letzten ſchmetternden Bogen Toͤnen? Ha Brutus, als du zuletzt an der Tugend Belohnung Zweifelteſt, nahmſt du dein Schwert! Und ich ſeh groͤßere Tugend Unbelohnter, und ſaͤume? Was haͤlt mich? Nicht Furcht vor dem Tode! Denn ihn hab ich zu oft in blutigem Felde geſehen! Bin ihm entgegen unter ſinkenden Adlern, gegangen! Nein! ihn fuͤrcht’ ich nicht! Doch was iſt es denn, das mich aufhaͤlt? Warum entſetz’ ich mich, wenn ich mich nun dem ernſten Entſchluſſs Voͤllig nahe? Beleidigt’ ich etwa den Unbekannten? Und iſt Warnung vielleicht die geheime Gewalt, die mich feſſelt? Wenn mein Tod ihn beleidigt; ſo muͤſſe meinem Entſchluſſe Jmmer etwas zur Reife fehlen! Wie aber ergruͤnd ich: Ob ich dadurch ihn beleidige? Sollte die bebende Frage: Ob ich ihn beleidige? Furcht des Todes in mir ſeyn? Furcht ſo tief verborgen? O wuͤßt ichs, wie wollt ich des Lebens Weiche Liebe ſtrafen, und dir zum Opfer ſie bringen, Ted! So verlor ſich Cneus auf ſeinem finſteren Wege Nach
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Der Meſſias.
Haͤtt’ ich ihn fragen koͤnnen! Nun iſt er verſtummt! Auf ewig?
Der nur weis es, der ihn geſandt hat! Koͤnnen die Todten
Auferſtehen? Der Heilige Todte dort hat den Seinen,
Wieder ins Leben zu kommen, verheiſſen! Das ſagen ja ſelber
Seine Verfolger, und darum bewachen wir ſeinen Leichnam.
Kommt er nun nicht zuruͤck; ſo verwirren mich ſeine Geſchichte,
Die mich, weiter erforſcht, von Gott mehr haͤtte gelehret,
Seine Wunder, ſein Leiden noch mehr! Zu welchem Kummer
Jſt mein Leben gemacht? und warum ſchonten die Schlachten
Meiner immer? der fallende Pfeil, und der zuckende Wurfſpieß!
Warum hoͤrt ich nicht lange den letzten ſchmetternden Bogen
Toͤnen? Ha Brutus, als du zuletzt an der Tugend Belohnung
Zweifelteſt, nahmſt du dein Schwert! Und ich ſeh groͤßere Tugend
Unbelohnter, und ſaͤume? Was haͤlt mich? Nicht Furcht vor dem Tode!
Denn ihn hab ich zu oft in blutigem Felde geſehen!
Bin ihm entgegen unter ſinkenden Adlern, gegangen!
Nein! ihn fuͤrcht’ ich nicht! Doch was iſt es denn, das mich aufhaͤlt?
Warum entſetz’ ich mich, wenn ich mich nun dem ernſten Entſchluſſs
Voͤllig nahe? Beleidigt’ ich etwa den Unbekannten?
Und iſt Warnung vielleicht die geheime Gewalt, die mich feſſelt?
Wenn mein Tod ihn beleidigt; ſo muͤſſe meinem Entſchluſſe
Jmmer etwas zur Reife fehlen! Wie aber ergruͤnd ich:
Ob ich dadurch ihn beleidige? Sollte die bebende Frage:
Ob ich ihn beleidige? Furcht des Todes in mir ſeyn?
Furcht ſo tief verborgen? O wuͤßt ichs, wie wollt ich des Lebens
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