Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Daß wir Jesus von Nazareth suchten, der wär von den Todten
Auferstanden, nicht hier! Kommt her, und sehet die Stäte,
Wo er lag. So sprach er, und führt uns hinein in das Grabmaal.
Eilt nun, sprach er darauf, und sagt es den Jüngern, und sagt es
Kephas, er sey von den Todten auferstanden! Da rufte
Petrus innig gerührt: Er nennte, vor Aller Namen,
Meinen Namen? ein Engel, des Sünders? Ach himmlische Tröstung
Hättest du, Bote des Herrn, wärst du wahrhaftig erschienen,
Mir dem Leidenden zugerufen! Allein daß er mich nur
Und Maria nicht nennt', und nicht Johannes, das selber
Stürzt mich in Zweifel. Und Didymus stand nachdenkend, und fragte
Endlich wieder: Das wars, das der Engel euch sagte? ... Noch sprach er:

Jesus geht vor euch hin in Galiläa', da werdet
Jhr ihn sehen. ... Die übrigen Engel, erwiederte Thomas,
Waren gestaltet, wie der? ... Sie waren noch himmlischer, riefen
Zwo von ihnen, allein wir sahen Jesus auch selber!
Mit den Engeln? Sie sprachen: Die Engel waren verschwunden,
Als wir am Thor ihn sahn, wie er uns begegnend daherkam,
So gestaltet wie sonst, in seinen Gewanden. Doch hatt' er
Jn der Gebehrde was Himmlisches. Bey der Erscheinung auf Tabor
Sahn sie ihn also vielleicht. Seyd mir gegrüsset! so sagt' er.
Und wir sanken vor ihm mit Beben nieder, und hielten
Seine Füsse. Seyd nicht erschrocken, und geht, und verkündets
Meinen Brüdern. Jn Galiläa sollen sie gehen.
Dort erschein' ich ihnen. Er sprachs, und verschwand mit den Worten.
Jhn, ihn selber habt ihr gesehn? ihr Alle? so sagte
Thomas, und blieb mit grübelnder Stirn und ernstem Auge
Stehn.

Der Meſſias.
Daß wir Jeſus von Nazareth ſuchten, der waͤr von den Todten
Auferſtanden, nicht hier! Kommt her, und ſehet die Staͤte,
Wo er lag. So ſprach er, und fuͤhrt uns hinein in das Grabmaal.
Eilt nun, ſprach er darauf, und ſagt es den Juͤngern, und ſagt es
Kephas, er ſey von den Todten auferſtanden! Da rufte
Petrus innig geruͤhrt: Er nennte, vor Aller Namen,
Meinen Namen? ein Engel, des Suͤnders? Ach himmliſche Troͤſtung
Haͤtteſt du, Bote des Herrn, waͤrſt du wahrhaftig erſchienen,
Mir dem Leidenden zugerufen! Allein daß er mich nur
Und Maria nicht nennt’, und nicht Johannes, das ſelber
Stuͤrzt mich in Zweifel. Und Didymus ſtand nachdenkend, und fragte
Endlich wieder: Das wars, das der Engel euch ſagte? … Noch ſprach er:

Jeſus geht vor euch hin in Galilaͤa’, da werdet
Jhr ihn ſehen. … Die uͤbrigen Engel, erwiederte Thomas,
Waren geſtaltet, wie der? … Sie waren noch himmliſcher, riefen
Zwo von ihnen, allein wir ſahen Jeſus auch ſelber!
Mit den Engeln? Sie ſprachen: Die Engel waren verſchwunden,
Als wir am Thor ihn ſahn, wie er uns begegnend daherkam,
So geſtaltet wie ſonſt, in ſeinen Gewanden. Doch hatt’ er
Jn der Gebehrde was Himmliſches. Bey der Erſcheinung auf Tabor
Sahn ſie ihn alſo vielleicht. Seyd mir gegruͤſſet! ſo ſagt’ er.
Und wir ſanken vor ihm mit Beben nieder, und hielten
Seine Fuͤſſe. Seyd nicht erſchrocken, und geht, und verkuͤndets
Meinen Bruͤdern. Jn Galilaͤa ſollen ſie gehen.
Dort erſchein’ ich ihnen. Er ſprachs, und verſchwand mit den Worten.
Jhn, ihn ſelber habt ihr geſehn? ihr Alle? ſo ſagte
Thomas, und blieb mit gruͤbelnder Stirn und ernſtem Auge
Stehn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="18">
            <pb facs="#f0164" n="148"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
            <l>Daß wir Je&#x017F;us von Nazareth &#x017F;uchten, der wa&#x0364;r von den Todten</l><lb/>
            <l>Aufer&#x017F;tanden, nicht hier! Kommt her, und &#x017F;ehet die Sta&#x0364;te,</l><lb/>
            <l>Wo er lag. So &#x017F;prach er, und fu&#x0364;hrt uns hinein in das Grabmaal.</l><lb/>
            <l>Eilt nun, &#x017F;prach er darauf, und &#x017F;agt es den Ju&#x0364;ngern, und &#x017F;agt es</l><lb/>
            <l>Kephas, er &#x017F;ey von den Todten aufer&#x017F;tanden! Da rufte</l><lb/>
            <l>Petrus innig geru&#x0364;hrt: Er nennte, vor Aller Namen,</l><lb/>
            <l>Meinen Namen? ein Engel, des Su&#x0364;nders? Ach himmli&#x017F;che Tro&#x0364;&#x017F;tung</l><lb/>
            <l>Ha&#x0364;tte&#x017F;t du, Bote des Herrn, wa&#x0364;r&#x017F;t du wahrhaftig er&#x017F;chienen,</l><lb/>
            <l>Mir dem Leidenden zugerufen! Allein daß er mich nur</l><lb/>
            <l>Und Maria nicht nennt&#x2019;, und nicht Johannes, das &#x017F;elber</l><lb/>
            <l>Stu&#x0364;rzt mich in Zweifel. Und Didymus &#x017F;tand nachdenkend, und fragte</l><lb/>
            <l>Endlich wieder: Das wars, das der Engel euch &#x017F;agte? &#x2026; Noch &#x017F;prach er:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="19">
            <l>Je&#x017F;us geht vor euch hin in Galila&#x0364;a&#x2019;, da werdet</l><lb/>
            <l>Jhr ihn &#x017F;ehen. &#x2026; Die u&#x0364;brigen Engel, erwiederte Thomas,</l><lb/>
            <l>Waren ge&#x017F;taltet, wie der? &#x2026; Sie waren noch himmli&#x017F;cher, riefen</l><lb/>
            <l>Zwo von ihnen, allein wir &#x017F;ahen Je&#x017F;us auch &#x017F;elber!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="20">
            <l>Mit den Engeln? Sie &#x017F;prachen: Die Engel waren ver&#x017F;chwunden,</l><lb/>
            <l>Als wir am Thor ihn &#x017F;ahn, wie er uns begegnend daherkam,</l><lb/>
            <l>So ge&#x017F;taltet wie &#x017F;on&#x017F;t, in &#x017F;einen Gewanden. Doch hatt&#x2019; er</l><lb/>
            <l>Jn der Gebehrde was Himmli&#x017F;ches. Bey der Er&#x017F;cheinung auf Tabor</l><lb/>
            <l>Sahn &#x017F;ie ihn al&#x017F;o vielleicht. Seyd mir gegru&#x0364;&#x017F;&#x017F;et! &#x017F;o &#x017F;agt&#x2019; er.</l><lb/>
            <l>Und wir &#x017F;anken vor ihm mit Beben nieder, und hielten</l><lb/>
            <l>Seine Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Seyd nicht er&#x017F;chrocken, und geht, und verku&#x0364;ndets</l><lb/>
            <l>Meinen Bru&#x0364;dern. Jn Galila&#x0364;a &#x017F;ollen &#x017F;ie gehen.</l><lb/>
            <l>Dort er&#x017F;chein&#x2019; ich ihnen. Er &#x017F;prachs, und ver&#x017F;chwand mit den Worten.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="21">
            <l>Jhn, ihn &#x017F;elber habt ihr ge&#x017F;ehn? ihr Alle? &#x017F;o &#x017F;agte</l><lb/>
            <l>Thomas, und blieb mit gru&#x0364;belnder Stirn und ern&#x017F;tem Auge</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Stehn.</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[148/0164] Der Meſſias. Daß wir Jeſus von Nazareth ſuchten, der waͤr von den Todten Auferſtanden, nicht hier! Kommt her, und ſehet die Staͤte, Wo er lag. So ſprach er, und fuͤhrt uns hinein in das Grabmaal. Eilt nun, ſprach er darauf, und ſagt es den Juͤngern, und ſagt es Kephas, er ſey von den Todten auferſtanden! Da rufte Petrus innig geruͤhrt: Er nennte, vor Aller Namen, Meinen Namen? ein Engel, des Suͤnders? Ach himmliſche Troͤſtung Haͤtteſt du, Bote des Herrn, waͤrſt du wahrhaftig erſchienen, Mir dem Leidenden zugerufen! Allein daß er mich nur Und Maria nicht nennt’, und nicht Johannes, das ſelber Stuͤrzt mich in Zweifel. Und Didymus ſtand nachdenkend, und fragte Endlich wieder: Das wars, das der Engel euch ſagte? … Noch ſprach er: Jeſus geht vor euch hin in Galilaͤa’, da werdet Jhr ihn ſehen. … Die uͤbrigen Engel, erwiederte Thomas, Waren geſtaltet, wie der? … Sie waren noch himmliſcher, riefen Zwo von ihnen, allein wir ſahen Jeſus auch ſelber! Mit den Engeln? Sie ſprachen: Die Engel waren verſchwunden, Als wir am Thor ihn ſahn, wie er uns begegnend daherkam, So geſtaltet wie ſonſt, in ſeinen Gewanden. Doch hatt’ er Jn der Gebehrde was Himmliſches. Bey der Erſcheinung auf Tabor Sahn ſie ihn alſo vielleicht. Seyd mir gegruͤſſet! ſo ſagt’ er. Und wir ſanken vor ihm mit Beben nieder, und hielten Seine Fuͤſſe. Seyd nicht erſchrocken, und geht, und verkuͤndets Meinen Bruͤdern. Jn Galilaͤa ſollen ſie gehen. Dort erſchein’ ich ihnen. Er ſprachs, und verſchwand mit den Worten. Jhn, ihn ſelber habt ihr geſehn? ihr Alle? ſo ſagte Thomas, und blieb mit gruͤbelnder Stirn und ernſtem Auge Stehn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/164
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias03_1769/164>, abgerufen am 21.11.2024.