[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Vierzehnter Gesang. Und schon nahten sie Kleophas Hütte. Sie sahn, er entschöpfte Wasser zum Trinken der Mündung des Quells, dann setzt' er es eilend Bey sich nieder, und wusch balsamische duftende Kräuter. Seine Hand umflossen mit abgerissene Blumen; Einige glitten hinab mit des werdenden Baches Gelispel; Aber er sah Matthias, und sah den göttlichen Fremdling Nahen, und schnell sprang er auf! ... Sey mir, Mann Gottes, willkommen! Alle dein Segen, mit dem der Herr dich segnete, gehe, Du Mann Gottes, mit dir in meine Hütte! ... Matthias Folgt', und trug das Gefäß, und darinn die lebende Quelle, Mit der träufelnden Kräuter Erfrischung. Kleophas hatte Schon den unbelasteten Tisch mit dem ganzen Reichthum Seiner Hütte besetzt, mit Milch, und Honig, und Feigen, Und mit stärkendem Brodt, und herzerfreuendem Weine; Hatte die Teppiche schon umhergebreitet. Sie legten Sich zu dem Mahle, der Fremdling allein, sie gegen ihn über. Und der Fremdling begann auf sie sein Auge zu richten Ernst, und freudig. Mit Ruhe, mit Dank, mit feyrlichem Anstand, Hielt er das Brodt; so pflegt' es Jesus zu halten! und blickte Still gen Himmel; so pflegte gen Himmel Jesus zu blicken! Und sie starrten sich an, und ihn. Er betete. Jesus War die Stimme des Betenden! und, auf Einmal, das Antlitz Jesus Christus des Betenden Antlitz! Er betet' also: Unser Vater im Himmel sey für die Gabe gepriesen, Die er mild' uns giebt, den dürftigen Leib zu erhalten. Vielen scheint sie gering; doch hat, mit eben der Allmacht, Welche die Himmel erschuf, sie unser Vater bereitet. Ach! L 5
Vierzehnter Geſang. Und ſchon nahten ſie Kleophas Huͤtte. Sie ſahn, er entſchoͤpfte Waſſer zum Trinken der Muͤndung des Quells, dann ſetzt’ er es eilend Bey ſich nieder, und wuſch balſamiſche duftende Kraͤuter. Seine Hand umfloſſen mit abgeriſſene Blumen; Einige glitten hinab mit des werdenden Baches Gelispel; Aber er ſah Matthias, und ſah den goͤttlichen Fremdling Nahen, und ſchnell ſprang er auf! … Sey mir, Mann Gottes, willkommen! Alle dein Segen, mit dem der Herr dich ſegnete, gehe, Du Mann Gottes, mit dir in meine Huͤtte! … Matthias Folgt’, und trug das Gefaͤß, und darinn die lebende Quelle, Mit der traͤufelnden Kraͤuter Erfriſchung. Kleophas hatte Schon den unbelaſteten Tiſch mit dem ganzen Reichthum Seiner Huͤtte beſetzt, mit Milch, und Honig, und Feigen, Und mit ſtaͤrkendem Brodt, und herzerfreuendem Weine; Hatte die Teppiche ſchon umhergebreitet. Sie legten Sich zu dem Mahle, der Fremdling allein, ſie gegen ihn uͤber. Und der Fremdling begann auf ſie ſein Auge zu richten Ernſt, und freudig. Mit Ruhe, mit Dank, mit feyrlichem Anſtand, Hielt er das Brodt; ſo pflegt’ es Jeſus zu halten! und blickte Still gen Himmel; ſo pflegte gen Himmel Jeſus zu blicken! Und ſie ſtarrten ſich an, und ihn. Er betete. Jeſus War die Stimme des Betenden! und, auf Einmal, das Antlitz Jeſus Chriſtus des Betenden Antlitz! Er betet’ alſo: Unſer Vater im Himmel ſey fuͤr die Gabe geprieſen, Die er mild’ uns giebt, den duͤrftigen Leib zu erhalten. Vielen ſcheint ſie gering; doch hat, mit eben der Allmacht, Welche die Himmel erſchuf, ſie unſer Vater bereitet. Ach! L 5
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Vierzehnter Geſang.
Und ſchon nahten ſie Kleophas Huͤtte. Sie ſahn, er entſchoͤpfte
Waſſer zum Trinken der Muͤndung des Quells, dann ſetzt’ er es eilend
Bey ſich nieder, und wuſch balſamiſche duftende Kraͤuter.
Seine Hand umfloſſen mit abgeriſſene Blumen;
Einige glitten hinab mit des werdenden Baches Gelispel;
Aber er ſah Matthias, und ſah den goͤttlichen Fremdling
Nahen, und ſchnell ſprang er auf! … Sey mir, Mann Gottes, willkommen!
Alle dein Segen, mit dem der Herr dich ſegnete, gehe,
Du Mann Gottes, mit dir in meine Huͤtte! … Matthias
Folgt’, und trug das Gefaͤß, und darinn die lebende Quelle,
Mit der traͤufelnden Kraͤuter Erfriſchung. Kleophas hatte
Schon den unbelaſteten Tiſch mit dem ganzen Reichthum
Seiner Huͤtte beſetzt, mit Milch, und Honig, und Feigen,
Und mit ſtaͤrkendem Brodt, und herzerfreuendem Weine;
Hatte die Teppiche ſchon umhergebreitet. Sie legten
Sich zu dem Mahle, der Fremdling allein, ſie gegen ihn uͤber.
Und der Fremdling begann auf ſie ſein Auge zu richten
Ernſt, und freudig. Mit Ruhe, mit Dank, mit feyrlichem Anſtand,
Hielt er das Brodt; ſo pflegt’ es Jeſus zu halten! und blickte
Still gen Himmel; ſo pflegte gen Himmel Jeſus zu blicken!
Und ſie ſtarrten ſich an, und ihn. Er betete. Jeſus
War die Stimme des Betenden! und, auf Einmal, das Antlitz
Jeſus Chriſtus des Betenden Antlitz! Er betet’ alſo:
Unſer Vater im Himmel ſey fuͤr die Gabe geprieſen,
Die er mild’ uns giebt, den duͤrftigen Leib zu erhalten.
Vielen ſcheint ſie gering; doch hat, mit eben der Allmacht,
Welche die Himmel erſchuf, ſie unſer Vater bereitet.
Ach!
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