[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Den die Sonne nur wärmt, o nimm die Stärkung, ich komme Wieder zurück, dann gehst du mit mir nach Jerusalem. Eilend Ging er weiter. Die Sonne begann, seitdem sie die Thore Salems verliessen, das erstemal über die Berge zu steigen. Und sie eilten dahin, wie der Athem der kühlenden Frühe Leicht. Da sie Tabor sich nahten, erblickte Semida Cidli Zwischen der Pilgerinn, und der Mutter. Schrecken der Freude Stürzten auf ihn, allein er blieb bey dem führenden Fremdling. Und sie kamen zum Manne, der bleich, als stürb' er, in Blute Lag. Sie verbanden ihm sorgsam die Wunden, und legten ihn schonend Auf sanftkühlendes Moos. Da wandte sich Semida endlich, Und sah Cidli herum an dem Berge kommen, doch ferne. Jetzo kamen sie näher, und sahns, und standen erschrocken. Aber als sie erkannten, daß jenem Verwundeten Hülfe Durch die Männer geschähe, so wagten sie, weiter zu gehen. Semida säumte nicht lang. Er lief mit zitternder Eile Cidli entgegen. Doch nah verstummten sie beyde vor Freude, Und vor Wehmut. Die Pilgerinn bat, nicht lange zu weilen! Denn sonst würd an dem Berge sie noch der Strahl des Mittags Treffen. ... So nehm' ich von dir schon wieder Abschied! auf immer, Meine Cidli? Sie weint', und folgte der führenden Fremden. Semida blieb bey dem Kranken mit seinen Gefährten, und stärkt' ihn. Als sie sich unterredten, wohin sie ihn brächten, erreichten Sie zween Männer. Die waren des armen Leidenden Brüder. Und nun schieden die Fünfe mit Dank, und Ruh von einander. Wenn du mich über Tabor begleitest; sagte der Fremdling, Gehet dort ein kürzerer Weg, als jene sich wählten, Und
Der Meſſias. Den die Sonne nur waͤrmt, o nimm die Staͤrkung, ich komme Wieder zuruͤck, dann gehſt du mit mir nach Jeruſalem. Eilend Ging er weiter. Die Sonne begann, ſeitdem ſie die Thore Salems verlieſſen, das erſtemal uͤber die Berge zu ſteigen. Und ſie eilten dahin, wie der Athem der kuͤhlenden Fruͤhe Leicht. Da ſie Tabor ſich nahten, erblickte Semida Cidli Zwiſchen der Pilgerinn, und der Mutter. Schrecken der Freude Stuͤrzten auf ihn, allein er blieb bey dem fuͤhrenden Fremdling. Und ſie kamen zum Manne, der bleich, als ſtuͤrb’ er, in Blute Lag. Sie verbanden ihm ſorgſam die Wunden, und legten ihn ſchonend Auf ſanftkuͤhlendes Moos. Da wandte ſich Semida endlich, Und ſah Cidli herum an dem Berge kommen, doch ferne. Jetzo kamen ſie naͤher, und ſahns, und ſtanden erſchrocken. Aber als ſie erkannten, daß jenem Verwundeten Huͤlfe Durch die Maͤnner geſchaͤhe, ſo wagten ſie, weiter zu gehen. Semida ſaͤumte nicht lang. Er lief mit zitternder Eile Cidli entgegen. Doch nah verſtummten ſie beyde vor Freude, Und vor Wehmut. Die Pilgerinn bat, nicht lange zu weilen! Denn ſonſt wuͤrd an dem Berge ſie noch der Strahl des Mittags Treffen. … So nehm’ ich von dir ſchon wieder Abſchied! auf immer, Meine Cidli? Sie weint’, und folgte der fuͤhrenden Fremden. Semida blieb bey dem Kranken mit ſeinen Gefaͤhrten, und ſtaͤrkt’ ihn. Als ſie ſich unterredten, wohin ſie ihn braͤchten, erreichten Sie zween Maͤnner. Die waren des armen Leidenden Bruͤder. Und nun ſchieden die Fuͤnfe mit Dank, und Ruh von einander. Wenn du mich uͤber Tabor begleiteſt; ſagte der Fremdling, Gehet dort ein kuͤrzerer Weg, als jene ſich waͤhlten, Und
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Der Meſſias.
Den die Sonne nur waͤrmt, o nimm die Staͤrkung, ich komme
Wieder zuruͤck, dann gehſt du mit mir nach Jeruſalem. Eilend
Ging er weiter. Die Sonne begann, ſeitdem ſie die Thore
Salems verlieſſen, das erſtemal uͤber die Berge zu ſteigen.
Und ſie eilten dahin, wie der Athem der kuͤhlenden Fruͤhe
Leicht. Da ſie Tabor ſich nahten, erblickte Semida Cidli
Zwiſchen der Pilgerinn, und der Mutter. Schrecken der Freude
Stuͤrzten auf ihn, allein er blieb bey dem fuͤhrenden Fremdling.
Und ſie kamen zum Manne, der bleich, als ſtuͤrb’ er, in Blute
Lag. Sie verbanden ihm ſorgſam die Wunden, und legten ihn ſchonend
Auf ſanftkuͤhlendes Moos. Da wandte ſich Semida endlich,
Und ſah Cidli herum an dem Berge kommen, doch ferne.
Jetzo kamen ſie naͤher, und ſahns, und ſtanden erſchrocken.
Aber als ſie erkannten, daß jenem Verwundeten Huͤlfe
Durch die Maͤnner geſchaͤhe, ſo wagten ſie, weiter zu gehen.
Semida ſaͤumte nicht lang. Er lief mit zitternder Eile
Cidli entgegen. Doch nah verſtummten ſie beyde vor Freude,
Und vor Wehmut. Die Pilgerinn bat, nicht lange zu weilen!
Denn ſonſt wuͤrd an dem Berge ſie noch der Strahl des Mittags
Treffen. … So nehm’ ich von dir ſchon wieder Abſchied! auf immer,
Meine Cidli? Sie weint’, und folgte der fuͤhrenden Fremden.
Semida blieb bey dem Kranken mit ſeinen Gefaͤhrten, und ſtaͤrkt’ ihn.
Als ſie ſich unterredten, wohin ſie ihn braͤchten, erreichten
Sie zween Maͤnner. Die waren des armen Leidenden Bruͤder.
Und nun ſchieden die Fuͤnfe mit Dank, und Ruh von einander.
Wenn du mich uͤber Tabor begleiteſt; ſagte der Fremdling,
Gehet dort ein kuͤrzerer Weg, als jene ſich waͤhlten,
Und
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