[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 3. Halle, 1769.Der Messias. Sinken um sie in Schlummer! doch daucht sie, zweene von ihnenSind vielmehr in Entzückungen, als in Schlummer gesunken. Denn es leuchtet ihr Angesicht heller, als vormals. Sie redten; Wonne waren ihre Gedanken, und Harfen die Stimme. Voll von Seligkeit rief der dritte der Brüder, Beninu: Steigst du schon, o schönster der Morgen, du seliger Morgen Seiner Auferstehung herauf? Ja Morgen der Wonne, Siehe, du bist gekommen! es bebt das Grabmaal! es beben Golgatha, und das Kreuz! du bist, o Morgen, gekommen! Also rief er, und sank, wie seine Brüder in Schlummer. Voll von Seligkeit rief der jüngste der Brüder, Jedidoth: O ihr Engel, wo bin ich? Hat Er zu dem Throne des Vaters Schon sich erhoben? Ach himmlisch, Jerusalem, schimmerst du! himmlisch Glänzest du, Thron des Siegers! allein wie strahlen, wie strahlen Seine Wunden! Er riefs, und sank, wie seine Brüder. Thirza erstaunte noch immer. Vor ihrem Angesicht lagen Sieben Unsterbliche, welche, wie Menschen, Schlummer umwölkte, Süß zwar war der Liegenden Anblick; das Antlitz der Mutter Hing mit stillen Betrachtungen über dem Antlitz der Söhne! Aber die Schlummernden waren Unsterbliche! Sollen, so dachte Jhre Mutter, so lange das Grab der Leichnam des Mittlers Heiligt, auch sie die festlichen, menschentröstenden Stunden, Zwar im Tode nicht, aber doch schlummern? Sie dacht es. Jndem schloß Sich ihr Auge. Sie sahe sich nicht, sie fühlte sich sinken. Umgeschaffen erhub sie sich jetzt! Jhr Engel, wie ward ihr, Als sie in ihrer neuen verklärten Gestalt sich erblickte! Danken,
Der Meſſias. Sinken um ſie in Schlummer! doch daucht ſie, zweene von ihnenSind vielmehr in Entzuͤckungen, als in Schlummer geſunken. Denn es leuchtet ihr Angeſicht heller, als vormals. Sie redten; Wonne waren ihre Gedanken, und Harfen die Stimme. Voll von Seligkeit rief der dritte der Bruͤder, Beninu: Steigſt du ſchon, o ſchoͤnſter der Morgen, du ſeliger Morgen Seiner Auferſtehung herauf? Ja Morgen der Wonne, Siehe, du biſt gekommen! es bebt das Grabmaal! es beben Golgatha, und das Kreuz! du biſt, o Morgen, gekommen! Alſo rief er, und ſank, wie ſeine Bruͤder in Schlummer. Voll von Seligkeit rief der juͤngſte der Bruͤder, Jedidoth: O ihr Engel, wo bin ich? Hat Er zu dem Throne des Vaters Schon ſich erhoben? Ach himmliſch, Jeruſalem, ſchimmerſt du! himmliſch Glaͤnzeſt du, Thron des Siegers! allein wie ſtrahlen, wie ſtrahlen Seine Wunden! Er riefs, und ſank, wie ſeine Bruͤder. Thirza erſtaunte noch immer. Vor ihrem Angeſicht lagen Sieben Unſterbliche, welche, wie Menſchen, Schlummer umwoͤlkte, Suͤß zwar war der Liegenden Anblick; das Antlitz der Mutter Hing mit ſtillen Betrachtungen uͤber dem Antlitz der Soͤhne! Aber die Schlummernden waren Unſterbliche! Sollen, ſo dachte Jhre Mutter, ſo lange das Grab der Leichnam des Mittlers Heiligt, auch ſie die feſtlichen, menſchentroͤſtenden Stunden, Zwar im Tode nicht, aber doch ſchlummern? Sie dacht es. Jndem ſchloß Sich ihr Auge. Sie ſahe ſich nicht, ſie fuͤhlte ſich ſinken. Umgeſchaffen erhub ſie ſich jetzt! Jhr Engel, wie ward ihr, Als ſie in ihrer neuen verklaͤrten Geſtalt ſich erblickte! Danken,
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Der Meſſias.
Sinken um ſie in Schlummer! doch daucht ſie, zweene von ihnen
Sind vielmehr in Entzuͤckungen, als in Schlummer geſunken.
Denn es leuchtet ihr Angeſicht heller, als vormals. Sie redten;
Wonne waren ihre Gedanken, und Harfen die Stimme.
Voll von Seligkeit rief der dritte der Bruͤder, Beninu:
Steigſt du ſchon, o ſchoͤnſter der Morgen, du ſeliger Morgen
Seiner Auferſtehung herauf? Ja Morgen der Wonne,
Siehe, du biſt gekommen! es bebt das Grabmaal! es beben
Golgatha, und das Kreuz! du biſt, o Morgen, gekommen!
Alſo rief er, und ſank, wie ſeine Bruͤder in Schlummer.
Voll von Seligkeit rief der juͤngſte der Bruͤder, Jedidoth:
O ihr Engel, wo bin ich? Hat Er zu dem Throne des Vaters
Schon ſich erhoben? Ach himmliſch, Jeruſalem, ſchimmerſt du! himmliſch
Glaͤnzeſt du, Thron des Siegers! allein wie ſtrahlen, wie ſtrahlen
Seine Wunden! Er riefs, und ſank, wie ſeine Bruͤder.
Thirza erſtaunte noch immer. Vor ihrem Angeſicht lagen
Sieben Unſterbliche, welche, wie Menſchen, Schlummer umwoͤlkte,
Suͤß zwar war der Liegenden Anblick; das Antlitz der Mutter
Hing mit ſtillen Betrachtungen uͤber dem Antlitz der Soͤhne!
Aber die Schlummernden waren Unſterbliche! Sollen, ſo dachte
Jhre Mutter, ſo lange das Grab der Leichnam des Mittlers
Heiligt, auch ſie die feſtlichen, menſchentroͤſtenden Stunden,
Zwar im Tode nicht, aber doch ſchlummern? Sie dacht es. Jndem ſchloß
Sich ihr Auge. Sie ſahe ſich nicht, ſie fuͤhlte ſich ſinken.
Umgeſchaffen erhub ſie ſich jetzt! Jhr Engel, wie ward ihr,
Als ſie in ihrer neuen verklaͤrten Geſtalt ſich erblickte!
Danken,
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