Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Messias.
Und sie verkündeten alle das Heil, das so Vielen vom Herrn ward,
Kurz, mit Flammenworten. Wie konten sie reden; sie weinten!
Tiefes Schweigen, und Vorempfindung des Himmels, ach Wonne
Dämrung sie von dem Erbe des Lichts, war in der Versamlung.
Aber Jakobus entriß sich der Mitgenossen Umarmung.

Jünger des Herrn, wo eilest du hin? der Herr wird, der Herr wird
Seinen Kindlein erscheinen!.. Jch geh ihm entgegen! nach Tabor
Geh ich zu ihm... Wie würdest du trauren, wenn er nun erschiene,
Und du wärest nicht hier!.. Er siehet Alles, und weis es,
Wie ich dürst' ihn zu sehn, und warum ich entgegen ihm gehe.
Laßt mich, ich werde nicht trauren. Er ging. Bald kam er in hoher
Felsen Schatten, und stand, und hob die Hände gen Himmel:
Herr, Herr, Gott! noch erhebe dich nicht zu deinem Vater,
Ach erhöre mein Flehn! Wir hoffen zwar alle, du werdest
Uns noch erscheinen; allein wie wissen wir's denn? Ach verlaß uns,
Mitler Gottes, noch nicht! Jch habe vor dir, du Erbarmer,
Gnade gefunden! Jch will mich hier in der Höle verbergen,
Niederknieen, dein Heil erwarten. Geh du vorüber;
Siehe, so will ich von fern, Herr, deiner Herlichkeit nachsehn.
Jesus Christus ergrif ihm die Hand, da er lag, und flehte,
Richtet' ihn auf, und segnet' ihn ein zu der himlischen Sendung.
Und der Jünger folgte mit Freudausrufen und Beben
Christus, den Weg nach dem Palmenwäldchen des Thales hinunter.
Schon an dem fernen Fusse des Berges erblikten die Jünger
Christus, und neben dem Herrn den glüklichen Zebedäiden;
Sahn

Der Meſſias.
Und ſie verkuͤndeten alle das Heil, das ſo Vielen vom Herrn ward,
Kurz, mit Flammenworten. Wie konten ſie reden; ſie weinten!
Tiefes Schweigen, und Vorempfindung des Himmels, ach Wonne
Daͤmrung ſie von dem Erbe des Lichts, war in der Verſamlung.
Aber Jakobus entriß ſich der Mitgenoſſen Umarmung.

Juͤnger des Herrn, wo eileſt du hin? der Herr wird, der Herr wird
Seinen Kindlein erſcheinen!.. Jch geh ihm entgegen! nach Tabor
Geh ich zu ihm… Wie wuͤrdeſt du trauren, wenn er nun erſchiene,
Und du waͤreſt nicht hier!.. Er ſiehet Alles, und weis es,
Wie ich duͤrſt’ ihn zu ſehn, und warum ich entgegen ihm gehe.
Laßt mich, ich werde nicht trauren. Er ging. Bald kam er in hoher
Felſen Schatten, und ſtand, und hob die Haͤnde gen Himmel:
Herr, Herr, Gott! noch erhebe dich nicht zu deinem Vater,
Ach erhoͤre mein Flehn! Wir hoffen zwar alle, du werdeſt
Uns noch erſcheinen; allein wie wiſſen wir’s denn? Ach verlaß uns,
Mitler Gottes, noch nicht! Jch habe vor dir, du Erbarmer,
Gnade gefunden! Jch will mich hier in der Hoͤle verbergen,
Niederknieen, dein Heil erwarten. Geh du voruͤber;
Siehe, ſo will ich von fern, Herr, deiner Herlichkeit nachſehn.
Jeſus Chriſtus ergrif ihm die Hand, da er lag, und flehte,
Richtet’ ihn auf, und ſegnet’ ihn ein zu der himliſchen Sendung.
Und der Juͤnger folgte mit Freudausrufen und Beben
Chriſtus, den Weg nach dem Palmenwaͤldchen des Thales hinunter.
Schon an dem fernen Fuſſe des Berges erblikten die Juͤnger
Chriſtus, und neben dem Herrn den gluͤklichen Zebedaͤiden;
Sahn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="63">
              <pb facs="#f0146" n="146"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Me&#x017F;&#x017F;ias.</hi> </fw><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie verku&#x0364;ndeten alle das Heil, das &#x017F;o Vielen vom Herrn ward,</l><lb/>
              <l>Kurz, mit Flammenworten. Wie konten &#x017F;ie reden; &#x017F;ie weinten!</l><lb/>
              <l>Tiefes Schweigen, und Vorempfindung des Himmels, ach Wonne</l><lb/>
              <l>Da&#x0364;mrung &#x017F;ie von dem Erbe des Lichts, war in der Ver&#x017F;amlung.</l><lb/>
              <l>Aber Jakobus entriß &#x017F;ich der Mitgeno&#x017F;&#x017F;en Umarmung.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="64">
              <l>Ju&#x0364;nger des Herrn, wo eile&#x017F;t du hin? der Herr wird, der Herr wird</l><lb/>
              <l>Seinen Kindlein er&#x017F;cheinen!.. Jch geh ihm entgegen! nach Tabor</l><lb/>
              <l>Geh ich zu ihm&#x2026; Wie wu&#x0364;rde&#x017F;t du trauren, wenn er nun er&#x017F;chiene,</l><lb/>
              <l>Und du wa&#x0364;re&#x017F;t nicht hier!.. Er &#x017F;iehet Alles, und weis es,</l><lb/>
              <l>Wie ich du&#x0364;r&#x017F;t&#x2019; ihn zu &#x017F;ehn, und warum ich entgegen ihm gehe.</l><lb/>
              <l>Laßt mich, ich werde nicht trauren. Er ging. Bald kam er in hoher</l><lb/>
              <l>Fel&#x017F;en Schatten, und &#x017F;tand, und hob die Ha&#x0364;nde gen Himmel:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="65">
              <l>Herr, Herr, Gott! noch erhebe dich nicht zu deinem Vater,</l><lb/>
              <l>Ach erho&#x0364;re mein Flehn! Wir hoffen zwar alle, du werde&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Uns noch er&#x017F;cheinen; allein wie wi&#x017F;&#x017F;en wir&#x2019;s denn? Ach verlaß uns,</l><lb/>
              <l>Mitler Gottes, noch nicht! Jch habe vor dir, du Erbarmer,</l><lb/>
              <l>Gnade gefunden! Jch will mich hier in der Ho&#x0364;le verbergen,</l><lb/>
              <l>Niederknieen, dein Heil erwarten. Geh du voru&#x0364;ber;</l><lb/>
              <l>Siehe, &#x017F;o will ich von fern, Herr, deiner Herlichkeit nach&#x017F;ehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="66">
              <l>Je&#x017F;us Chri&#x017F;tus ergrif ihm die Hand, da er lag, und flehte,</l><lb/>
              <l>Richtet&#x2019; ihn auf, und &#x017F;egnet&#x2019; ihn ein zu der himli&#x017F;chen Sendung.</l><lb/>
              <l>Und der Ju&#x0364;nger folgte mit Freudausrufen und Beben</l><lb/>
              <l>Chri&#x017F;tus, den Weg nach dem Palmenwa&#x0364;ldchen des Thales hinunter.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="67">
              <l>Schon an dem fernen Fu&#x017F;&#x017F;e des Berges erblikten die Ju&#x0364;nger</l><lb/>
              <l>Chri&#x017F;tus, und neben dem Herrn den glu&#x0364;klichen Zebeda&#x0364;iden;</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Sahn</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0146] Der Meſſias. Und ſie verkuͤndeten alle das Heil, das ſo Vielen vom Herrn ward, Kurz, mit Flammenworten. Wie konten ſie reden; ſie weinten! Tiefes Schweigen, und Vorempfindung des Himmels, ach Wonne Daͤmrung ſie von dem Erbe des Lichts, war in der Verſamlung. Aber Jakobus entriß ſich der Mitgenoſſen Umarmung. Juͤnger des Herrn, wo eileſt du hin? der Herr wird, der Herr wird Seinen Kindlein erſcheinen!.. Jch geh ihm entgegen! nach Tabor Geh ich zu ihm… Wie wuͤrdeſt du trauren, wenn er nun erſchiene, Und du waͤreſt nicht hier!.. Er ſiehet Alles, und weis es, Wie ich duͤrſt’ ihn zu ſehn, und warum ich entgegen ihm gehe. Laßt mich, ich werde nicht trauren. Er ging. Bald kam er in hoher Felſen Schatten, und ſtand, und hob die Haͤnde gen Himmel: Herr, Herr, Gott! noch erhebe dich nicht zu deinem Vater, Ach erhoͤre mein Flehn! Wir hoffen zwar alle, du werdeſt Uns noch erſcheinen; allein wie wiſſen wir’s denn? Ach verlaß uns, Mitler Gottes, noch nicht! Jch habe vor dir, du Erbarmer, Gnade gefunden! Jch will mich hier in der Hoͤle verbergen, Niederknieen, dein Heil erwarten. Geh du voruͤber; Siehe, ſo will ich von fern, Herr, deiner Herlichkeit nachſehn. Jeſus Chriſtus ergrif ihm die Hand, da er lag, und flehte, Richtet’ ihn auf, und ſegnet’ ihn ein zu der himliſchen Sendung. Und der Juͤnger folgte mit Freudausrufen und Beben Chriſtus, den Weg nach dem Palmenwaͤldchen des Thales hinunter. Schon an dem fernen Fuſſe des Berges erblikten die Juͤnger Chriſtus, und neben dem Herrn den gluͤklichen Zebedaͤiden; Sahn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/146
Zitationshilfe: [Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/klopstock_messias04_1773/146>, abgerufen am 04.12.2024.