[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Vom gleichen Verse. abwechsle, dann schwebe, oder auch übergehe. Jchmuß mich erklären. Langsamkeit und Schnelligkeit haben Grade. Wenn die Langsamkeit oder die Schnelligkeit zu- nimmt, so steigt die Strophe; und sinkt, wenn eine von beyden abnimmt. Wenn diese oder jene bald abnimmt, und bald zunimmt; so wechselt die Strophe ab. Bleiben sich die eine oder die andre von ungefähr gleich, so schwebt sie; und gehet endlich von der Langsamkeit zur Schnelligkeit, oder von dieser zu jener, über. Vielleicht giebt es noch mehr Ar- ten Strophen; allein ich zweifle, daß hier Mehrheit und Schönheit vereinigt werden können. Wir sprachen neulich von einer Schönheit des Rhythmus, die keine Beziehung auf Langsamkeit oder Schnelligkeit hatte, und die in gewissen verhältnißmäßigen, und dadurch gefallen- den Sylbenstellungen bestand. Diese kommt bey meiner Ein- theilung nicht in Betrachtung; aber dadurch sage ich gar nicht, daß sie den lyrischen Versarten nicht vorzüglich angehöre. Werthing. Etwas müssen Sie uns doch auch hier da- von sagen. Wenn z. E. die Bewegung zunimmt, und diese Schönheit des Rhythmus sich vermindert? Selmer. Jch ziehe die Strophen vor, in denen beyde zugleich zunehmen. Minna. Und wenn nun, bey dem Sinken der Strophe, der schöne Rhythmus stiege? Selmer. So würde die Strophe dadurch gewinnen. Denn diese Schönheit des Rhythmus darf nur selten, etwa einiges Kontrastes wegen, vermindert werden; aber das Nach- lassen
Vom gleichen Verſe. abwechsle, dann ſchwebe, oder auch uͤbergehe. Jchmuß mich erklaͤren. Langſamkeit und Schnelligkeit haben Grade. Wenn die Langſamkeit oder die Schnelligkeit zu- nimmt, ſo ſteigt die Strophe; und ſinkt, wenn eine von beyden abnimmt. Wenn dieſe oder jene bald abnimmt, und bald zunimmt; ſo wechſelt die Strophe ab. Bleiben ſich die eine oder die andre von ungefaͤhr gleich, ſo ſchwebt ſie; und gehet endlich von der Langſamkeit zur Schnelligkeit, oder von dieſer zu jener, uͤber. Vielleicht giebt es noch mehr Ar- ten Strophen; allein ich zweifle, daß hier Mehrheit und Schoͤnheit vereinigt werden koͤnnen. Wir ſprachen neulich von einer Schoͤnheit des Rhythmus, die keine Beziehung auf Langſamkeit oder Schnelligkeit hatte, und die in gewiſſen verhaͤltnißmaͤßigen, und dadurch gefallen- den Sylbenſtellungen beſtand. Dieſe kommt bey meiner Ein- theilung nicht in Betrachtung; aber dadurch ſage ich gar nicht, daß ſie den lyriſchen Versarten nicht vorzuͤglich angehoͤre. Werthing. Etwas muͤſſen Sie uns doch auch hier da- von ſagen. Wenn z. E. die Bewegung zunimmt, und dieſe Schoͤnheit des Rhythmus ſich vermindert? Selmer. Jch ziehe die Strophen vor, in denen beyde zugleich zunehmen. Minna. Und wenn nun, bey dem Sinken der Strophe, der ſchoͤne Rhythmus ſtiege? Selmer. So wuͤrde die Strophe dadurch gewinnen. Denn dieſe Schoͤnheit des Rhythmus darf nur ſelten, etwa einiges Kontraſtes wegen, vermindert werden; aber das Nach- laſſen
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Vom gleichen Verſe.
abwechsle, dann ſchwebe, oder auch uͤbergehe. Jch
muß mich erklaͤren. Langſamkeit und Schnelligkeit haben
Grade. Wenn die Langſamkeit oder die Schnelligkeit zu-
nimmt, ſo ſteigt die Strophe; und ſinkt, wenn eine von
beyden abnimmt. Wenn dieſe oder jene bald abnimmt, und
bald zunimmt; ſo wechſelt die Strophe ab. Bleiben ſich
die eine oder die andre von ungefaͤhr gleich, ſo ſchwebt ſie;
und gehet endlich von der Langſamkeit zur Schnelligkeit, oder
von dieſer zu jener, uͤber. Vielleicht giebt es noch mehr Ar-
ten Strophen; allein ich zweifle, daß hier Mehrheit und
Schoͤnheit vereinigt werden koͤnnen.
Wir ſprachen neulich von einer Schoͤnheit des Rhythmus,
die keine Beziehung auf Langſamkeit oder Schnelligkeit hatte,
und die in gewiſſen verhaͤltnißmaͤßigen, und dadurch gefallen-
den Sylbenſtellungen beſtand. Dieſe kommt bey meiner Ein-
theilung nicht in Betrachtung; aber dadurch ſage ich gar nicht,
daß ſie den lyriſchen Versarten nicht vorzuͤglich angehoͤre.
Werthing. Etwas muͤſſen Sie uns doch auch hier da-
von ſagen. Wenn z. E. die Bewegung zunimmt, und dieſe
Schoͤnheit des Rhythmus ſich vermindert?
Selmer. Jch ziehe die Strophen vor, in denen beyde
zugleich zunehmen.
Minna. Und wenn nun, bey dem Sinken der Strophe,
der ſchoͤne Rhythmus ſtiege?
Selmer. So wuͤrde die Strophe dadurch gewinnen.
Denn dieſe Schoͤnheit des Rhythmus darf nur ſelten, etwa
einiges Kontraſtes wegen, vermindert werden; aber das Nach-
laſſen
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