[Klopstock, Friedrich Gottlieb]: Der Messias. Bd. 4. Halle, 1773.Siebzehnter Gesang. Ging zu den Brüdern hinein. Nun sahen sie endlich wiederThomas, ihren Bruder, und kamen mit ihrer Wonne Lebenswort ihm entgegen. Er hört' es, und lange verstummt' er. Aber es kehrete jezt in die Seel' ihm wieder des Leidens Furchtbare Kälte, senket' auf ihn den lastenden, starken, Eisernen Arm; er rufte: Seh ich in seinen Händen Nicht die Maale der Nägel, und leg' ich in diese Maale Meine Finger nicht, und nicht in seine Seite Meine Hand; so glaub' ich es nicht! Der Hörenden Wange Glühete, wurde bleich. Schon rauschten der Cherubim Flügel Unter den Palmen der Hütte, schon träufelt' ihr Auge von Wonne! Schon erbarmete sich des Gottversöhners Erbarmung! Und der Göttliche stand vor seinen Jüngern. So schöpfen Christen, welche dem Graun des Todes erlagen, entschlafen Nun, aus den Strömen des Lichts, so stürzte vor Jesus Christus Thomas sich nieder. Der Göttliche sprach zu den Zeugen mit seiner Liebe: Friede sey mit euch! Dann sagt' er zu Thomas: Lege deine Finger hierher! Sieh meine Hände! Leg' in meine Seite die Hand! und sey ungläubig Nicht! sey gläubig! Der neue Zeuge des Auferstandnen Rufte: Mein Herr! und mein Gott! Da sprach der ewige Mitler: Siehe du sahst mich, und glaubetest. Selig sind, die nicht sehn, Aber dennoch glauben! .. Und jezt war seiner Gemeinen Herr und Gott vor dem Auge der ersten Zeugen verschwunden. Thomas betet' ihm nach, stand auf, und ging zu den Jüngern, Und den andern Brüdern umher, und bat um Erlassung Seiner Schuld. Die Liebenden hatten ihm lange vergeben. Und D 4
Siebzehnter Geſang. Ging zu den Bruͤdern hinein. Nun ſahen ſie endlich wiederThomas, ihren Bruder, und kamen mit ihrer Wonne Lebenswort ihm entgegen. Er hoͤrt’ es, und lange verſtummt’ er. Aber es kehrete jezt in die Seel’ ihm wieder des Leidens Furchtbare Kaͤlte, ſenket’ auf ihn den laſtenden, ſtarken, Eiſernen Arm; er rufte: Seh ich in ſeinen Haͤnden Nicht die Maale der Naͤgel, und leg’ ich in dieſe Maale Meine Finger nicht, und nicht in ſeine Seite Meine Hand; ſo glaub’ ich es nicht! Der Hoͤrenden Wange Gluͤhete, wurde bleich. Schon rauſchten der Cherubim Fluͤgel Unter den Palmen der Huͤtte, ſchon traͤufelt’ ihr Auge von Wonne! Schon erbarmete ſich des Gottverſoͤhners Erbarmung! Und der Goͤttliche ſtand vor ſeinen Juͤngern. So ſchoͤpfen Chriſten, welche dem Graun des Todes erlagen, entſchlafen Nun, aus den Stroͤmen des Lichts, ſo ſtuͤrzte vor Jeſus Chriſtus Thomas ſich nieder. Der Goͤttliche ſprach zu den Zeugen mit ſeiner Liebe: Friede ſey mit euch! Dann ſagt’ er zu Thomas: Lege deine Finger hierher! Sieh meine Haͤnde! Leg’ in meine Seite die Hand! und ſey unglaͤubig Nicht! ſey glaͤubig! Der neue Zeuge des Auferſtandnen Rufte: Mein Herr! und mein Gott! Da ſprach der ewige Mitler: Siehe du ſahſt mich, und glaubeteſt. Selig ſind, die nicht ſehn, Aber dennoch glauben! .. Und jezt war ſeiner Gemeinen Herr und Gott vor dem Auge der erſten Zeugen verſchwunden. Thomas betet’ ihm nach, ſtand auf, und ging zu den Juͤngern, Und den andern Bruͤdern umher, und bat um Erlaſſung Seiner Schuld. Die Liebenden hatten ihm lange vergeben. Und D 4
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Siebzehnter Geſang.
Ging zu den Bruͤdern hinein. Nun ſahen ſie endlich wieder
Thomas, ihren Bruder, und kamen mit ihrer Wonne
Lebenswort ihm entgegen. Er hoͤrt’ es, und lange verſtummt’ er.
Aber es kehrete jezt in die Seel’ ihm wieder des Leidens
Furchtbare Kaͤlte, ſenket’ auf ihn den laſtenden, ſtarken,
Eiſernen Arm; er rufte: Seh ich in ſeinen Haͤnden
Nicht die Maale der Naͤgel, und leg’ ich in dieſe Maale
Meine Finger nicht, und nicht in ſeine Seite
Meine Hand; ſo glaub’ ich es nicht! Der Hoͤrenden Wange
Gluͤhete, wurde bleich. Schon rauſchten der Cherubim Fluͤgel
Unter den Palmen der Huͤtte, ſchon traͤufelt’ ihr Auge von Wonne!
Schon erbarmete ſich des Gottverſoͤhners Erbarmung!
Und der Goͤttliche ſtand vor ſeinen Juͤngern. So ſchoͤpfen
Chriſten, welche dem Graun des Todes erlagen, entſchlafen
Nun, aus den Stroͤmen des Lichts, ſo ſtuͤrzte vor Jeſus Chriſtus
Thomas ſich nieder. Der Goͤttliche ſprach zu den Zeugen mit ſeiner
Liebe: Friede ſey mit euch! Dann ſagt’ er zu Thomas:
Lege deine Finger hierher! Sieh meine Haͤnde!
Leg’ in meine Seite die Hand! und ſey unglaͤubig
Nicht! ſey glaͤubig! Der neue Zeuge des Auferſtandnen
Rufte: Mein Herr! und mein Gott! Da ſprach der ewige Mitler:
Siehe du ſahſt mich, und glaubeteſt. Selig ſind, die nicht ſehn,
Aber dennoch glauben! .. Und jezt war ſeiner Gemeinen
Herr und Gott vor dem Auge der erſten Zeugen verſchwunden.
Thomas betet’ ihm nach, ſtand auf, und ging zu den Juͤngern,
Und den andern Bruͤdern umher, und bat um Erlaſſung
Seiner Schuld. Die Liebenden hatten ihm lange vergeben.
Und
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