Klopstock, Friedrich Gottlieb: Der Messias. Ein Heldengedicht. Halle, 1749.Der Messias. Damals wandten sie schauernd sich weg. Denn die stillenGebirge, Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauschenden Hayne, Die das Säuseln der Gegenwart GOttes sonst sanft be- seelte; Selige friedsame Thäler, vordem von der Jugend des Himmels Liebreich besucht; die schattigten Lauben, wo ehmals die Menschen. Ueberwallend von Freuden und süssen Empfindungen, weinten, Daß sie GOtt ewig erschuf; die Erde lag unter dem Fluche, Jhren vordem unsterblichen Kindern ein allgemein Grab- mal. Aber dereinft, wenn sich die Weltgebäude verjüngen. Und aus der Asche des grossen Gerichts triumphirend hervorgehn, Wenn GOtt alle Bezirke der Welten mit seinem Him- mel Durch gleich allgegenwärtiges Anschaun zusammen ver- einbart, Alsdann wird der ätherische Strom vom himmlischen Urquell Wieder mit hellerer Schöne zum neuen Eden sich senken. Niemals wird dann sein Gestade von hohen Versammlun- gen leer seyn, Die auf Erden den Umgang der neuen Unsterblichen su- chen. Dieß
Der Meſſias. Damals wandten ſie ſchauernd ſich weg. Denn die ſtillenGebirge, Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauſchenden Hayne, Die das Saͤuſeln der Gegenwart GOttes ſonſt ſanft be- ſeelte; Selige friedſame Thaͤler, vordem von der Jugend des Himmels Liebreich beſucht; die ſchattigten Lauben, wo ehmals die Menſchen. Ueberwallend von Freuden und ſuͤſſen Empfindungen, weinten, Daß ſie GOtt ewig erſchuf; die Erde lag unter dem Fluche, Jhren vordem unſterblichen Kindern ein allgemein Grab- mal. Aber dereinft, wenn ſich die Weltgebaͤude verjuͤngen. Und aus der Aſche des groſſen Gerichts triumphirend hervorgehn, Wenn GOtt alle Bezirke der Welten mit ſeinem Him- mel Durch gleich allgegenwaͤrtiges Anſchaun zuſammen ver- einbart, Alsdann wird der aͤtheriſche Strom vom himmliſchen Urquell Wieder mit hellerer Schoͤne zum neuen Eden ſich ſenken. Niemals wird dann ſein Geſtade von hohen Verſammlun- gen leer ſeyn, Die auf Erden den Umgang der neuen Unſterblichen ſu- chen. Dieß
<TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <lg n="17"> <pb facs="#f0020" n="16"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Meſſias.</hi> </fw><lb/> <l>Damals wandten ſie ſchauernd ſich weg. Denn die ſtillen<lb/><hi rendition="#et">Gebirge,</hi></l><lb/> <l>Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauſchenden<lb/><hi rendition="#et">Hayne,</hi></l><lb/> <l>Die das Saͤuſeln der Gegenwart GOttes ſonſt ſanft be-<lb/><hi rendition="#et">ſeelte;</hi></l><lb/> <l>Selige friedſame Thaͤler, vordem von der Jugend des<lb/><hi rendition="#et">Himmels</hi></l><lb/> <l>Liebreich beſucht; die ſchattigten Lauben, wo ehmals die<lb/><hi rendition="#et">Menſchen.</hi></l><lb/> <l>Ueberwallend von Freuden und ſuͤſſen Empfindungen,<lb/><hi rendition="#et">weinten,</hi></l><lb/> <l>Daß ſie GOtt ewig erſchuf; die Erde lag unter dem<lb/><hi rendition="#et">Fluche,</hi></l><lb/> <l>Jhren vordem unſterblichen Kindern ein allgemein Grab-<lb/><hi rendition="#et">mal.</hi></l><lb/> <l>Aber dereinft, wenn ſich die Weltgebaͤude verjuͤngen.</l><lb/> <l>Und aus der Aſche des groſſen Gerichts triumphirend<lb/><hi rendition="#et">hervorgehn,</hi></l><lb/> <l>Wenn GOtt alle Bezirke der Welten mit ſeinem Him-<lb/><hi rendition="#et">mel</hi></l><lb/> <l>Durch gleich allgegenwaͤrtiges Anſchaun zuſammen ver-<lb/><hi rendition="#et">einbart,</hi></l><lb/> <l>Alsdann wird der aͤtheriſche Strom vom himmliſchen<lb/><hi rendition="#et">Urquell</hi></l><lb/> <l>Wieder mit hellerer Schoͤne zum neuen Eden ſich ſenken.</l><lb/> <l>Niemals wird dann ſein Geſtade von hohen Verſammlun-<lb/><hi rendition="#et">gen leer ſeyn,</hi></l><lb/> <l>Die auf Erden den Umgang der neuen Unſterblichen ſu-<lb/><hi rendition="#et">chen.</hi></l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieß</fw><lb/> </lg> </lg> </body> </text> </TEI> [16/0020]
Der Meſſias.
Damals wandten ſie ſchauernd ſich weg. Denn die ſtillen
Gebirge,
Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauſchenden
Hayne,
Die das Saͤuſeln der Gegenwart GOttes ſonſt ſanft be-
ſeelte;
Selige friedſame Thaͤler, vordem von der Jugend des
Himmels
Liebreich beſucht; die ſchattigten Lauben, wo ehmals die
Menſchen.
Ueberwallend von Freuden und ſuͤſſen Empfindungen,
weinten,
Daß ſie GOtt ewig erſchuf; die Erde lag unter dem
Fluche,
Jhren vordem unſterblichen Kindern ein allgemein Grab-
mal.
Aber dereinft, wenn ſich die Weltgebaͤude verjuͤngen.
Und aus der Aſche des groſſen Gerichts triumphirend
hervorgehn,
Wenn GOtt alle Bezirke der Welten mit ſeinem Him-
mel
Durch gleich allgegenwaͤrtiges Anſchaun zuſammen ver-
einbart,
Alsdann wird der aͤtheriſche Strom vom himmliſchen
Urquell
Wieder mit hellerer Schoͤne zum neuen Eden ſich ſenken.
Niemals wird dann ſein Geſtade von hohen Verſammlun-
gen leer ſeyn,
Die auf Erden den Umgang der neuen Unſterblichen ſu-
chen.
Dieß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie ersten drei Gesänge von Klopstocks ‚Messias‘ … [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |